Adrian Kaether
· 12.09.2023
Ein fahrstarkes All Mountain mit Bosch-Motor, entnehmbarem Akku und trotzdem schön leicht? Seit dem Wechsel auf Boschs Smart System mit 750er Akku waren solche Bikes lange rar. Das brandneue Simplon Rapcon Pmax CX zeigt aber mit Bravour, dass sich ein gutes Gewicht, Smart System und ein entnehmbarer Akku eben doch nicht ausschließen. Wären Reifen und Laufräder nicht so schwer, läge das Simplon sogar deutlich unter der Marke von 23 Kilogramm.
Wer baut das beste E-MTB 2023? Im Rahmen unseres Tests von elf Highend-All-Mountains haben wir da Simplon bereits gegen die wichtigsten Konkurrenten von Specialized über Rocky Mountain, Cube, Rotwild und Santa Cruz antreten lassen. Den ganzen Vergleichstest: Jetzt in EMTB 4/2023!
Um das geringe Gewicht bei einem E-MTB mit entnehmbarem Akku möglich zu machen, haben sich die Ingenieure von Simplon für die Integration von Boschs Smart System eine besondere Lösung einfallen lassen. Die Akku-Entnahme nach unten und die Sicherung per Bolzen sind ungewöhnlich für ein Bosch-Bike, die Handhabung nicht ganz so simpel wie bei klassischen integrierten Batterien. Doch das Gewicht spricht für sich.
Mit dem Bosch Performance CX setzt Simplon auf den wohl meistverbauten E-MTB-Motor. Er verbindet hohe Leistung mit vertretbarem Gewicht. Seine sehr gute Modulation, die spritzige und progressive Kraftentfaltung und spezielle Features wie der verlängerte Nachlauf im Emtb-Modus machen ihn zur Messlatte in fiesen Uphills. Alle U-Stufen lassen sich per App feineinstellen. Aber: Der Bosch ist bergauf nicht ganz leise, klappert in der Abfahrt und die großen Akkus sind mit gut 4,3 Kilo schwer. Die große Ausnahme beim Simplon: Im Konfigurator steht auch der leichte 500er Akku zur Wahl, der nur gut drei Kilo wiegt. So wird das Bike nochmal ein ganzes Stück leichter.
Das Gewicht der Bosch-Akkus ist hoch, dafür liefern die schwäbischen Batterien aber auch eine extrem gute Reichweite, die andere Systeme mit Batterien um 700 bis 750 Wattstunden in den Schatten stellt. Der Powertube 750 kann beim Simplon zwar entnommen werden, allerdings ist die Entnahme umständlich: Bolzen entfernen, Verkabelung lösen und dann das Bike wieder kippen, damit die Batterie nach unten herausrutscht. Details gibt’s in der Bilderstrecke. Beim Display setzt unser Testbike nur auf eine minimalistische LED-Remote, ein Kiox-Display kann aber im Konfigurator dazugebucht werden.
Auch in die Geometrie des Bikes ist viel Hirnschmalz geflossen. Einen modernen Lenkwinkel von 64,6 Grad kombiniert Simplon mit einem langen Reach und tiefem Tretlager. Die Kettenstreben fallen mit 444 Millimetern angenehm kurz aus. Unter den Bikes mit Bosch-Antrieb ist das eine echte Seltenheit. Die moderne Geometrie prädestiniert das Simplon für anspruchsvolle Touren in schwerem Gelände. Für Komfort auf flachen Strecken und moderaten Touren sind der extrem steile Sitzwinkel und die progressive Geometrie nicht ausgelegt.
Eine Besonderheit bei Simplon: Die Bikes aus dem Vorarlberg kann man sich im hauseigenen Konfigurator so zusammenstellen, wie man sie haben möchte. Dabei lässt sich neben den verbauten Parts sogar der Grundcharakter des Rades beeinflussen. 29 Zoll oder Mullet, 150 oder sogar 170 Millimeter Federweg, selbst bei Motor und Akku kann man eingreifen. Zur Wahl steht Boschs klassischer CX oder der CX Race. Wer das Bike auf Diät setzen möchte, kann statt 750 Wattstunden im Unterrohr auch auf einen 500er Akku abrüsten. So spart man nochmal rund 1,3 Kilogramm ein.
Leider ist der Preis dafür im wahrsten Sinne des Wortes hoch. Unser Testbike kommt trotz einem Preis von 9759 Euro mit funktionalen Komponenten, echte Ausstattungs-Highlights sucht man aber vergeblich. Geschaltet wird mit Srams mechanischer Zwölffach-Schaltung GX Eagle, gebremst mit Srams Trail-Bremse G2. In Serie soll es dann die etwas kräftigere aber schwere DB8 von Sram sein. Immerhin: Das Rockshox-Fahrwerk aus der Select-Plus-Klasse ist top, die fetten HS2-Bremsscheiben von Sram geben sogar der G2-Bremse genügend Biss und Mavics Deemax Laufräder in der SL-Version sind gehobene Mittelklasse.
Tuning-Tipp: Mit Trail-Reifen in 2,4 Zoll ist das Simplon gleich ein halbes Kilogramm leichter
Dass die Laufräder des Simplon mit 6,4 Kilogramm trotzdem 800 Gramm schwerer sind, als der Durchschnitt in unserem Vergleichstest, liegt an den extrem stabilen aber auch schweren Schwalbe-Reifen. Unser Tipp: Auf Super-Trail-Karkasse und 2,4 Zoll umrüsten. Das spart fast ein halbes Kilogramm ein und bietet in ernstem Gelände immer noch massig Pannenschutz.
Auf dem Papier macht das Simplon also eine sehr gute Figur. Leicht, moderne Geometrie, durchdachte Details: Ob die Rechnung auch in der Praxis aufgeht? Hier macht sich zuerst die stark vorderradorientierte Sitzposition des Rapcon CX bemerkbar. Mit fast 80 Grad Sitzwinkel sitzt man extrem kompakt. Zum Klettern ist das ideal. Selbst auf üblen Rampen, in engen Kurven und über Wurzeln und Stufen behält man auf dem Rapcon Pmax CX immer die Kontrolle. Das definierte Fahrwerk und der Bosch-Motor zahlen weiter auf die Bergauf-Performance ein. Hier landet das Rapcon CX somit ganz vorne im Testfeld.
Bergab kann das Simplon ebenso überzeugen: Der Hinterbau arbeitet sensibel und bietet auch bei hohem Tempo noch genügend Reserven. Der Lyrik-Gabel mit Charger-3-Dämpfer gelingt ein toller Kompromiss aus Kontrolle und Komfort, und die pannensicheren Super-Gravity-Reifen sind zwar ziemlich schwer, bringen aber ein sicheres Fahrgefühl. Ebenfalls top: Simplon setzt schon ab Werk auf Srams neue hitzeresistente 2-Millimeter-Scheiben mit extragroßem 220er Durchmesser. So hat selbst die sonst etwas schwache G2-Bremse an unserem Testbike genügend Leistung, mit der DB8 des Serienbikes sollte das noch besser sein.
Auf flowigeren Trails kann das Simplon mit seinem tiefen Tretlager und kurzen Kettenstreben punkten, wegen der schweren Laufräder fährt sich das Simplon aber nicht ganz so spritzig wie die bestem im Testfeld. Die Reichweite ist dank großem Bosch-Akku stark. Wer möchte, kann das Bike im hauseigenen Simplon-Konfigurator auch mit 500er-Akku ordern und im Zweifel auf Boschs Range-Extender zurückgreifen. So ist das Bike selbst auf kleinen Hausrunden nochmal über ein Kilogramm leichter.
Schwächen: Auf langen Ausfahrten in flachem Terrain sitzt es sich auf dem Simplon wegen des extrem steilen Sitzwinkels wenig komfortabel. Der Druck auf die Hände ist dann einfach zu groß. Außerdem erfordert die Akku-Entnahme zunächst etwas Gewöhnung. Das ist der Preis, den man für das geringe Gewicht zahlen muss. A propos Preis: Günstig ist das fahrstarke All Mountain aus dem Vorarlberg leider nicht.
So geht All Mountain: stark bergauf, stark bergab, top Reichweite, entnehmbarer Akku und obendrein recht leicht. Testsieg! Mit ausbaufähiger Ausstattung schrammt Simplons Premium-Allrounder zwar knapp am Testurteil Super vorbei, dennoch: Nicht nur eines der besten Bosch-Bikes sondern auch eines der besten Bikes überhaupt, das wir je getestet haben.
¹Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
²Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³Herstellerangabe
⁴Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad
⁵Das EMTB-Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.