Jan Timmermann
· 07.11.2024
In den letzten Jahren verkaufte sich das Santa Cruz Hightower wie ein VW-Bus in der Münchner Bergsport-Community. Mit starkem Image und breitem Einsatzgebiet buhlte das Hightower um die Gunst der All-Mountain-Biker. Vor wenigen Wochen präsentierte Santa Cruz nun das Hightower in der vierten Generation.
Das kultige US-Label will mit dem Update eine noch größere Zielgruppe ansprechen. Geht es nach Santa Cruz, sollte jeder ein Hightower in der Garage haben, um damit auf ausgedehnte Trail-Touren und andere Bike-Abenteuer zu gehen. In diesem Test nehmen wir die Erfolgsstrategie des auffallend stark nachgefragten Topseller-Bikes auseinander.
>> Einen Überblick über die 4 Topseller-MTB im Test bekommt ihr hier: Cube, Canyon, Santa Cruz & Scott: Topseller-MTBs im Test
Ein klein wenig wundert man sich aber doch darüber, dass man auf den Trails in regelmäßigen Abständen ein Santa Cruz zu Gesicht bekommt. Schließlich sind die Kalifornier nicht gerade für Schnäppchenpreise bekannt. Unser Testbike löst den Widerspruch immerhin teilweise auf, denn beim Carbon-Rahmen handelt es sich um das preisgünstigere der zwei Layup-Optionen und in Sachen Ausstattung wurde das Vernunfts-Paket mit Fox-Performance-Elite-Fahrwerk und Alu-Laufrädern spezifiziert.
Unter Beachtung der Funk-Schaltung und einer lebenslangen Garantie auf Rahmen und Lager erklären sich die Verkaufszahlen gleich einfacher. Erst recht, da das Hightower als klassisches All Mountain einen besonders breiten Einsatzbereich verspricht. Fürs Modelljahr 2025 kommt der Hinterbau mit überarbeiteter Kinematik und fünf Millimetern mehr Hub. An der Front realisiert Santa Cruz das doppelte Federwegs-Plus, sprich zehn Millimeter mehr. Und wie gut ist jetzt der Deal?
Gleich beim ersten Aufsitzen machen das stimmige Carbon-Cockpit und der sauber verarbeitete Rahmen des Santa Cruz Hightower 4 einen guten Eindruck. Durch einen steilen Sitzwinkel und eine kurze sowie hohe Steuerzentrale sitzt der Fahrer aufrecht und weit vorne im Rad. Auf langen Touren wäre eine stärker entzerrte Haltung allerdings komfortabler.
In technischen Uphills lässt sich das Bike dafür ohne viel Mühe in der Ideallinie platzieren. Erstaunlich spät fängt das Vorderrad an zu steigen. Der Hinterbau generiert viel Traktion, sackt auch an Stufen nicht weg und sorgt zusätzlich für eine ausgezeichnete Kontrolle bergauf. Gleichzeitig wippt das Federbein selbst beim Wiegetritt im offenen Modus nur wenig und zeigt sich auffällig vortriebsstark.
Zugegeben: Unsere Erwartungen ans neue Santa Cruz Hightower waren hoch, denn in der Vergangenheit lieferte das bewährte VPP-Hinterbausystem regelmäßig ab. Leider kann die renovierte Kinematik nicht alle Vorschusslorbeeren einheimsen. Während sich die Gabel keine Schwächen leistet und das Bike souverän anführt, reagiert das Heck auf kleine, schnelle Schläge weniger lässig, als wir es von einem All Mountain erwarten. Unter Bremseinflüssen versteift sich der Hinterbau weiter und gibt viel Feedback weiter.
So lässt das Hightower in Steilabfahrten Traktion vermissen. Angesichts des sportlichen Gegenhalts wird man bei großen Schlägen vom zur Verfügung stehenden Federweg förmlich überrascht. Stimmiger zeigt sich da das Handling. Frei von Geometrie-Extremen steht der Pilot ausbalanciert mittig im Rahmen und genießt eine angenehme Gewichtsverteilung. Leicht geht das Bike aufs Hinterrad und in den Bunnyhop.
Den Spielereien kommt allerdings die Variosattelstütze mit nur 150 Millimetern Hub in die Quere. Bei der Kürze des Sitzrohrs muss diese mit viel Auszug gefahren werden. Bei der Bremse erübrigt sich jede Diskussion, die Sram-Maven-Stopper sind bärenstarke Anker.
Das neue BIKE-Spinnendiagramm gibt einen Überblick über die Stärken und Schwächen des Santa Cruz Hightower 4 C GX AXS. Uphill, Spieltrieb, Downhill beziehen sich auf das Fahrverhalten: Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Ausstattung: setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität/Verarbeitung, Usability, Flaschenhaltervolumen, Sattelversenkbarkeit zusammen. Vortrieb: Einfluss vom Gesamtgewicht und Laufradträgheit.
BIKE betreibt einen beispiellosen Aufwand zur Vermessung von Mountainbikes. Im Testlabor nehmen wir nicht nur unsere eigene Geometrie-Vermessung vor, sondern ermitteln auch die Seitensteifigkeit des Rahmens getrennt für das vordere Rahmendreieck inklusive der verbauten Gabel (vorne) und dem Hinterbau (hinten). Das Gesamtgewicht versteht sich ohne Pedale, das Laufradgewicht pro Satz mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben. Für den Messwert der Laufradträgheit gilt: je niedriger, desto leichter zu beschleunigen.
Während das neue Santa Cruz Hightower besser klettert, als je zuvor, offenbaren sich bergab Schwächen im Fahrwerk. Der renovierte Hinterbau liefert viele Reserven aber zu wenig Definition. Mit seinem unkomplizierten Handling dürfte sich das Santa Cruz dennoch viele Freunde machen. Bei Qualität und Garantieleistungen lassen die Kalifornier Nichts anbrennen.- Jan Timmermann, BIKE-Testredakteur