Florentin Vesenbeckh
· 16.12.2023
Kaum eine Marke legt so öffentlichkeitswirksam den Fokus auf die Trail-Eigenschaften ihrer Bikes wie Santa Cruz. Da verwundert es fast, dass die Kalifornier verhältnismäßig mit einem Light-E-MTB in den Markt einsteigen. Die Wahl des Fazua-Motors überrascht hingegen weniger. Schließlich ist die PON-Gruppe, zu der Santa Cruz gehört, auch mit Porsche, der Mutter von Fazua, verbandelt (Die Hintergründe zum Firmengeflecht lest ihr hier). Ebenso logisch ist die Ausrichtung des Heckler SL. Mit 160/150 mm Federweg und Mullet-Laufrädern soll es auf Abfahrten jeglicher Art begeistern. Genauso wie sein “dicker” Bruder, das Heckler mit Shimano-Motor (zum Test des Santa Cruz Heckler), spielt auch das SL an der Grenze zwischen Trail-Bike und Enduro.
Mit 19,3 Kilo bei fest verbautem Akku und Vollcarbonrahmen löst der Check an der Waage keine Begeisterung aus. Dafür hat das Heckler SL die Heckfederung mit beliebter VPP-Kinematik implementiert. Die Ingenieure konnten beim SL die Drehpunkte dank kompaktem Motor noch tiefer platzieren, als beim Heckler mit Shimano-Antrieb. Damit liegt die Kinematik noch näher am Ideal der unmotorisierten Bikes der Kalifornier. Top: Das Heckler SL ist in fünf Größen von S bis XXL erhältlich, und die Freigabe bis 156 kg Systemgewicht ist ebenfalls stattlich.
Der Ride 60 von Fazua (hier geht´s zum ausführlichen Test des Ride 60 von Fazua) ist für Light-Verhältnisse kräftig, bleibt aber leicht, kompakt und leise. Damit spannt er gekonnt die Brücke von den Minimalisten, wie dem TQ HPR 50, zu den klassischen Power-Motoren der Bosch-CX-Liga. Wer ein leichtes und schlankes E-MTB sucht, aber trotzdem noch eine Portion Power haben möchte, der ist beim Ride 60 an der richtigen Adresse. Insbesondere mit der kurzfristigen Boost-Funktion (450 Watt Spitzenleistung), setzt er sich ganz deutlich von den minimalistischeren Light-Motoren ab. Angenehm ist, dass die Geräuschkulisse dennoch angenehm dezent bleibt.
Passend dazu ist auch der Akku mit 430 Wattstunden im Vergleich zu anderen Light-Systemen überdurchschnittlich groß. Auch das bringt dem Heckler SL eine Prise Power-E-Bike. Zudem geht der Fazua-Motor nach unseren Tests sehr effizient mit der Energie um. Das ist allerdings auch nötig, denn Santa Cruz hat die Batterie fest im Unterrohr verbaut. Einen Zweit-Akku als Reichweiten-Boost oder das Laden außerhalb des Bikes gibt es also nicht. Leider gibt es noch immer keinen Range-Extender für den Fazua Ride 60. Dass ein solcher in Arbeit ist, gilt zwar als offenes Geheimnis. Doch es gibt keinerlei Anzeichen, wann der Ottobrunner Motorenherstellers den Zusatz-Akku endlich in die Läden bringt.
Größter Kritikpunkt am Fazua-System sind die Bedienelemente. Die Ring Control am Lenker funktioniert zwar ordentlich, ist in ihrer Bedienung aber nicht sehr definiert. Außerdem wirkt der wackelige Kunststoffhebel wenig wertig. Der LED Hub ist schlank ins Oberrohr eingelassen, gibt über farbige LEDs aber nur ein Minimalmaß an Informationen preis. Hier bieten andere Hersteller mehr Informationen und auch eine hochwertigere Anmutung. Das gibt Abzüge in der B-Note.
Auffällig ist der sehr flache Lenkwinkel, der auch einem ausgewachsenen Enduro gut zu Gesicht stehen würde. Der Radstand ist für die Light-Kategorie recht lang. Die Kettenstreben sind im E-Bike-Vergleich kurz, aber auch hier setzen andere Light-E-MTBs, allen voran das Levo SL von Specialized, auf noch kürzere Maße. Das Tretlager fällt tief aus. Über den Flipchip an der Dämpferaufnahme kann die Geometrie angepasst werden. Stellt man auf die Position “High”, werden Lenk- und Sitzwinkel 0,3 Grad steiler, die Kinematik linearer. Top: Das Heckler SL gibt es in fünf Größen von S bis XXL. Mit einem Reach von 525 mm in der größten Größe sollten auch richtig großgewachsene Fahrer ein passendes Chassis finden.
Die moderne Sitzposition platziert den Fahrer sehr zentral im Bike. Das gefällt und fühlt sich fast wie bei einem modernen Enduro an. Die Heckfederung schlürft dazu auffällig gierig selbst kleinste Unebenheiten auf und bleibt auch beim Treten voll aktiv. Um die Traktion muss man sich damit im Uphill keine Sorgen machen. Hinzu kommt eine starke Kontrolle über das Bike und der kräftige Fazua-Schub. Kurzum: Für ein Light-Bike klettert das Heckler SL exzellent. Um ein steigendes Vorderrad braucht man sich, trotz recht kurzem Hinterbau, kaum zu sorgen. Kleines Manko für technische Anstiege: Das tiefe Tretlager provoziert recht schnell Kurbelaufsetzer.
Doch eigentlich geht es diesem Bike um die andere Richtung; den Trailspaß im Downhill. Hier setzt sich der Wohlfühlcharakter fort. Dank tiefem Tretlager steht man entspannt hinter der hohen Front. Der schluckfreudige, satte Hinterbau glättet kleine Unebenheiten und große Schläge souverän und bietet obendrein viel Gegenhalt und Popp. Insbesondere in der flachen und progressiven Flip-Chip-Einstellung hat die Heckfederung eine starke Endprogression. So bleiben stets Reserven für verpatzte Landungen oder herbe Einschläge. Der griffige Vorderreifen und die guten Bremsen geben zusätzlich Sicherheit. Wirft der Trail das Heckler SL von links nach rechts, gefällt die ausgewogene Position, und das geringe Gewicht macht auch klar, dass es hier um ein Light-E-MTB geht.
Ganz so leichtfüßig und wendig wie das Specialized Levo SL fährt sich das fahrstarke Heckler SL mit seiner längeren und flacheren Geometrie aber nicht. Anpassungspotenzial bietet hier der Flipchip an der Dämpferaufnahme. Auch wenn sich die Geometrie in der “High”-Position nur minimal um 0,3 Grad ändert, fühlt sich das Heckler in dieser Position etwas mehr nach Trailbike an, während es in der “Low”-Einstellung glatt als Enduro durchgehen könnte. Neben dem extrem flachen Lenkwinkel liegt das auch an der Kinematik, die an Progression zulegt und dadurch noch satter abgestimmt werden kann.
Das Heckler SL ist extrem abfahrtsstark und schafft dabei einen tollen Spagat aus Wendigkeit und Laufruhe. Von einem Gewichtsrekord ist das Bike weit entfernt, dafür verbindet es Light-Feeling gekonnt mit E-Bike-Punch. Absolut gelungenes Light-E-MTB für Freunde von Trails und anspruchsvollen Abfahrtsmetern! - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur EMTB Magazin
¹ Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.