Adrian Kaether
· 06.09.2023
Mit E-Mountainbikes hat sich Santa Cruz am Anfang besonders viel Zeit gelassen. Erst 2020 präsentierte die Edel-Marke aus Kalifornien mit dem Heckler ihr erstes E-Mountainbike. E-MTB-Pioniere wie Flyer und Haibike hatten da also fast ein Jahrzehnt Entwicklungsvorsprung. Dem Erfolg des Bikes hat das keinen Abbruch getan. Das Heckler war nach seiner Vorstellung 2020 eines der besten Bikes am Markt, vor allem wenn es um Fahrspaß und leichtfüßiges Trail-Handling ging.
Und heute? Seit dem Ur-Heckler hat Santa Cruz dem Bike Shimanos EP8, einen dickeren Akku und ein großes 29er-Vorderrad spendiert, für 2023 wurde das Bike komplett überarbeitet. Kurz vor Redaktionsschluss trudelte sogar noch ein Preisnachlass von 1700 Euro für das Bike ein. Damit passte das E-MTB aus Kalifornien sogar in die günstigere der beiden Preis-Bereiche in unserem Test von elf High-End All Mountains.
Wer baut das beste E-MTB 2023? Wir haben es getestet. Mit dabei elf der besten E-MTBs am Markt von Specialized über Cube und Santa Cruz bis hin zu Rotwild. Den ganzen Vergleichstest High End E-MTBs: Jetzt in EMTB 4/2023!
Nur zwei Jahre nach der Vorstellung des Ur-Heckler 2020 hat Santa Cruz den Allrounder im Produktportfolio neu aufgelegt. Die wichtigste Änderung: Das große Laufrad in 29 Zoll vorne und ein neuer Rahmen mit überarbeiteter Geometrie und dickerer Batterie, doch dazu später mehr. Das Heckler gibt es sowohl als reines 29-Zoll-Bike für optimierte Kletter- und Überolleigenschaften, als auch als MX-Modell mit kleinem Hinterrad für mehr Spieltrieb. Alle Bikes kommen mit dem typischen VPP-Hinterbau und Vollcarbonrahmen. Santa Cruz setzt aber auf zwei verschiedene Qualitätsstufen. Die günstigeren Heckler-Modellen kommen mit C-Carbon-Rahmen, das Topmodell mit der 300 Gramm leichteren CC-Carbon-Variante.
Im Bike steckt Shimanos bewährter EP8-Antrieb mit bis zu 85 Newtonmetern. State-of-the-Art ist der japanische Antrieb vor allem durch sein Gewicht von nur 2,6 Kilogramm. Bis heute eine Bestmarke unter den Power-Antrieben. Modulation und Ansprechverhalten sind ebenso top. Als einer der ersten Antriebe bot der EP8 die Möglichkeit, die Unterstützungsstufen per App feineinzustellen. Ein praktisches Feature, mit dem sich der Antrieb auf Reichweite oder Leistung feintunen lässt.
Allerdings: In Sachen Leistung hinkt der Shimano mittlerweile etwas hinterher und kann nicht mit den anderen Aggregaten in unserem Test von elf High-End All Mountains mithalten. Bosch, Brose, Panasonic liefern spürbar mehr Leistung, der Dyname 4.0 im Rocky Mountain setzt dann nochmal einen drauf. Der neuere Shimano EP801 ist hier wesentlich besser aufgestellt und konnte in unserem letzten Test mit der Bosch-Liga gleichziehen. Das Drehmoment ist dagegen auch beim bisherigen EP8 top, doch es fehlt dem Motor an Dynamik. Da der Antrieb schon bei niedrigem Fahrerinput seine ganze Leistung liefert, gibt’s keinen Aufschlag mehr, wenn man vor steilen Rampen oder schwierigen Schlüsselstellen etwas Anlauf nehmen will.
Seit dem Update 2022 steckt im Santa Cruz der bewährte 726-Wattstunden-Akku von Darfon. Der ist ein klares Upgrade gegenüber den vorher verbauten Shimano-Akkus und bietet ein besonders gutes Verhältnis aus Gewicht und Reichweite. Das Cover ist beim Santa Cruz fest mit dem Darfon-Akku verschraubt, die konventionelle Akku-Entnahme nach vorne aus dem Unterrohr ist praktisch. Entriegelt wird der Energieträger einfach per Vierer-Inbus und klappt dann nach vorne heraus.
In Sachen Reichweite liegt das Heckler mit 726er-Darfon-Akku auf einem anständigen Niveau. 1681 Höhenmeter erkletterte das Heckler bei Vollgas mit einem 89-Kilo-Fahrer in unserem standardisierten Reichweitentest auf einer steilen Asphaltstraße. Der lange Notlauf von zuzüglich 221 Höhenmetern mit stark gedrosselter Leistung ist typisch für die Darfon-Akkus. In der Praxis sollten damit auch lange Touren gut möglich sein, an die Reichweite von Klassenprimus Bosch mit um 2000 Höhenmetern im selben Testszenario reicht der Darfon-Akku aber nicht heran.
Bei der Geometrie gibt sich Santa Cruz modern. Der Lenkwinkel von 64 Grad ist zeitgemäß, die Kettenstreben sind in der von uns getesteten MX-Variante mit 446 Millimetern kurz für ein E-Bike. Hier liegt auch der größte Unterschied zur 29-Zoll-Variante das mit 460 Millimeter langen Kettenstreben deutlich mehr auf maximale Laufruhe und Klettereigenschaften ausgelegt ist. Überraschend: Der Reach fällt mit 465 Millimetern eher moderat aus, genauso wie der eher flache Sitzwinkel von 75,3 Grad. Insgesamt sorgt das für einen relativ kompakten Radstand von 1255 Millimetern, was das Heckler auch auf engeren Trails nicht zu träge macht.
Das Heckler in der von uns getesteten S-Variante ist das zweitgünstige Modell der Palette. Für 7999 Euro gibt es eine Fox 36 Performance Gabel, die mit dem Superdeluxe Select Plus Dämpfer von Rockshox im Heck zusammenarbeitet. Auch bei den restlichen Komponenten lässt Santa Cruz nichts anbrennen, echte Highlights sucht man aber vergeblich. Geschaltet wird mit einer mechanischen GX Eagle, gebremst mit Srams Code R. Um die Naben von E-Thirteen drehen sich Raceface-Felgen und Maxxis-Reifen, der Assegai am Vorderrad kommt sogar in der weichen MaxxGrip-Mischung. Die Sattelstütze von SDG bietet 170 Millimeter Verstellweg.
Mit seinem ausgewogenen Charakter ist das Heckler in vielen Lebenslagen ein guter Partner. Allerdings: Wer nur moderate Touren fährt, kann nicht ganz so sehr vom sportlichen Potential des Bikes profitieren. Die unkomplizierte Akku-Entnahme und die komfortable Sitzposition dürften aber auch bei Bikern Anklang finden, die nicht nur auf fieseste Trails bergab aus sind. Die Sitzposition ist angenehm ausgewogen, das Handling unkompliziert.
Bergauf will das MX-Heckler etwas aktiver gefahren werden, als mancher Kletterspezialist. Die Kettenstreben sind kurz und der Sitzwinkel nicht übermäßig steil, dadurch sitzt man auf steilen Rampen einen Hauch hecklastig auf dem Bike. Dank des traktionsstarkem Hecks sind aber auch technischste Anstiege drin, wenn man mit dem Gewicht im Uphill ordentlich nach vorne geht. Wer noch mehr Kletterstärke sucht, sollte sich das Heckler unbedingt in der Variante mit 29-Zoll-Hinterrad genauer anschauen. Leider fällt der ältere Shimano EP8 in Sachen Leistung gegenüber der Konkurrenz etwas ab. Mit dem neuen EP801 wäre hier noch mehr drin.
Auf dem Trail war das Heckler in unserem Vergleichstest einer der ausgewogensten Kandidaten der All-Moutain-Klasse. Die Heckfederung ist traktionsstark, aber nicht übermäßig plüschig. Das gibt dem Bike einen sportlichen und sehr definierten Charakter. Gut für aktive Fahrer. Die transparente Rückmeldung vom Untergrund hilft vor allem bei hohem Tempo. Der reine Federungskomfort ist trotzdem gut, wenn auch nicht überragend. Die Geometrie fällt nicht zu extrem aus, auch das begünstigt das ausgewogene Handling des Bikes. Egal ob der Trail wellig und kurvig durch die Landschaft zieht, oder garstig in die Tiefe stürzt: Das Heckler gehört zu den Favoriten der Tester und begeistert mit sattem Fahrspaß und hohen Nehmerqualitäten. Auch bei der Ausstattung gab es wenig zu meckern. Natürlich wäre mit High-End-Parts noch mehr drin, doch die Komponenten am Heckler S sind durchweg solide und bringen das Potential des Bikes schon gut zur Geltung. Nur das laute Klappern bergab trübte das ansonsten sehr positive Bild.
Punktsieger in der Kategorie unter 8000 Euro! Das verdankt das Santa Cruz Heckler S MX seinen erstklassigen Fahreigenschaften, dem top Fahrwerk und seinem geringen Gewicht. Richtig ausgewogener Trail-Könner.
¹Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
²Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³Herstellerangabe
⁴Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad
⁵Das EMTB-Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.