Adrian Kaether
· 29.11.2024
Nur wenige E-MTBs haben in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit erregt wie das neue Race-Enduro Rotwild R.EXC mit dem wilden Hinterbau à la Bananenschwinge. Und spätestens seit dem Test des R.EXC Pro wissen wir: Auch auf dem Trail ist das Bike ein echter Volltreffer. Aber nicht jeder braucht gleich ein Race-Enduro. Seit der Eurobike gibt’s deswegen mit dem R.EX diese Trail-Variante. Etwas weniger Federweg und ein rekordverdächtig geringes Gewicht versprechen maximalen Fahrspaß auf dem Trail. Der dicke Akku mit praktischem Quick-Release ist bei Rotwild schon fast so gesetzt wie der Hirsch auf dem Steuerrohr.
Seit dem Update auf den Shimano EP801 liefert der japanische Antrieb eine noch größere Spitzenleistung und gehört damit zu den leichtesten und kräftigsten Antrieben am Markt. Die Besonderheit des Shimano: Die volle Leistung setzt der Motor schon bei moderatem Tritt vom Fahrer frei. Leichte Forststraßenanstiege schießt man damit besonders schnell hinauf.
Auf technischen Trails fehlt es dann manchmal aber an Beschleunigungsvermögen vor Schlüsselstellen. Zudem ist der Shimano-Motor nicht sehr Drehzahlfest und klappert bergab. Neu: Dank der neuen Race-Software kann der Shimano mehr auf die persönlichen Vorlieben des Fahrers eingestellt werden. Auch ein Nachlauf kann hier angewählt werden. Das hilft dem Rotwild technische Hindernisse und Stufen bergauf leichter zu bewältigen.
Rotwild setzt im R.EX auf einen eigens für das Bike entwickelten Akku mit satten 820 Wattstunden. Dank Carbonaußenhülle fällt die Batterie mit nur 3,65 Kilogramm superleicht aus. Zum Vergleich: Boschs 800er wiegt vier Kilogramm, der 750er wog sogar 4,35 Kilogramm. Die Batterie kann beim Rotwild außerdem sehr unkompliziert aus dem Bike entnommen werden. Den Akku abseits des Bikes zu laden ist so überhaupt kein Problem.
Zusätzlich zu seinem superniedrigen Gewicht hat das Rotwild extrem kurze Kettenstreben. Die absolute Trailrakete also? Nicht ganz. Denn die tiefe Front und die Sattelstütze mit viel Setback entschärfen die eigentlich gelungenen Geometrie-Werte deutlich. Dadurch passen die Maße eher zu sportlichen Flachland-Touren als zu fiesem All-Mountain-Terrain. Immerhin: Da die Geometrie eigentlich modern ist, kann man das R.EX mit anderen Komponenten leicht noch etwas potenter aufbauen. Nur das lange Sitzrohr lässt sich nicht ändern und muss zur Fahrergröße passen.
Das Topmodell Ultra kommt mit besonders edler Ausstattung daher. Fox-Factory-Fahrwerk, Carbon-Laufräder und XT-Di2-Schaltung lassen keine Wünsche offen. In unserer Ausstattungswertung bringt das echte Top-Werte.
Gespannt starten wir daher mit dem leichten Flitzer in den Uphill. Im Boost-Modus packt der Shimano schon bei sanftem Tritt die volle Power aus. Da muss sich die Konkurrenz etwas strecken, um auf der Forststraße dranzubleiben. Satte 16,6 km/h Durchschnitt im Reichweitentest sprechen für sich.
Die Traktion am Heck ist gut, in puncto Dosierbarkeit hinkt der japanische Motor dem wichtigsten Konkurrenten seit dem Update auf den neuen CX aber spürbar hinterher. Auch die gestreckte Sitzposition und die kurzen Kettenstreben erschweren beim R.EX die Kontrolle in anspruchsvollen Kletterpassagen. Schuld ist dabei in erster Linie die Rotwild-typische Sattelstütze mit starkem Setback. Das soll in flachem Gelände die Handgelenke entlasten. In unseren Augen ist das für ein so modernes Bike aber nicht mehr zeitgemäß.
Leider fallen auch bergab einige Kleinigkeiten auf, die uns an den hessischen Bikes schon häufiger gestört haben. Das Sitzrohr ist zu lang, so kann die hubstarke Eightpins-Stütze ihren Vorteil gar nicht richtig ausspielen. Die Front fällt mit flachem Lenker, wenigen Spacern und kurzem Steuerrohr für ein Bike dieser Federwegsklasse ungewöhnlich tief aus. So fühlt man sich bergab nicht optimal im Rad integriert. Keiner der Tester konnte auf Anhieb eine gute Fahrposition finden.
Stark dagegen: Das geringe (Laufrad-)Gewicht und die kurzen Kettenstreben verhelfen dem R.EX zu einem agilen Handling. Auf flachen und kurvigen Trails ist das Bike in seinem Element. Hier kommt viel Fahrspaß auf! Leider bietet der Hinterbau auch bei straffem Setup etwas wenig Gegendruck. Der großen Bruders R.EXC spielt hier in einer anderen Liga. Werden die Trails bergab steiler und anspruchsvoller will dadurch keine echte Fahrsicherheit aufkommen. Die tiefe Front und das gefühlt steife Chassis quittieren Fahrfehler oft mit spürbarem Spurverlust. Schade: Bergab klappert das Rotwild deutlich mehr, als wir es uns von einem Bike dieser Preisklasse wünschen würden.
Das Rotwild R.EX Ultra glänzt mit Top-Ausstattung, wertigem Chassis und superniedrigem Gewicht trotz viel Motorleistung und praktischer Akkuentnahme. Auf flacheren Trails fährt sich das Bike spritzig und direkt, in zünftigen Abfahrten fehlen aber die Reserven. Das macht das Bike mehr zum schnellen Tourer, als zum echten All-Mountain-Profi. Geometrie und Fahrwerk wirkten auf uns in Summe nicht ganz ausgewogen. - Adrian Kaether, BIKE-Redakteur für Test & Technik