Florentin Vesenbeckh
· 24.07.2024
Schlanke Erscheinung, schickes Carbon-Chassis, geringes Gewicht: Das Root Miller Plus steht da wie eine Eins. Obendrein sammelt es auch an der Waage massig Pluspunkte. 22,8 Kilo sind für ein Bike mit 85 Newtonmetern in dieser Preisklasse eine Seltenheit - zumal mit robuster Trail-Ausstattung. Bei genauerem Hinsehen fallen allerdings einige Punkte ins Auge, die nicht jedem gefallen dürften. Der Bosch-Motor stammt aus der älteren Generation, als es den Performance CX mit Smartsystem noch nicht gab. Das macht zwar bei Leistung und Fahrgefühl keinen Unterschied, wohl aber bei der Elektronik. App, 750er-Akku, neue Bedienelemente oder ABS – all das gibt es für den Vorgänger, der im Rose steckt, nicht.
Zweite Auffälligkeit, neben dem nicht mehr top aktuellen Bosch-Antrieb: Die Geometrie ist kompakt und betont gemäßigt. Wer moderne Trail-Gene sucht, schluckt erst mal beim Studium der Geo-Tabelle. Dem wirkt Rose mit einer robusten Ausstattung entgegen: Die dicke ZEB-Gabel, ein potenter Dämpfer und die starke Reifenkombi von Maxxis sollen die Abfahrtsstärke aufmotzen. Wer mit diesen beiden Einschränkungen d’accord geht, kann ein Schnäppchen machen! Denn das Root Miller Plus 3 gibt’s beim Direktversender und seinen Markenstores aktuell um satte 1000 Euro reduziert. Damit gehört es zu den günstigsten in unserem Vergleichstest von 8 E-All-Mountains unter 6000 Euro – bei richtig starker Ausstattung. Neben dem hochwertigen Fahrwerk und der starken Reifenkombi stechen vor allem die superteuren und leichten HX 1501-Laufräder von DT Swiss heraus.
Der Bosch Performance CX stammt noch aus einer älteren Generation. Funktional top, doch ohne Kompatibilität zu den Bosch Produkten des Smarten Systems, inklusive App. Heißt: Hier kann kein Smartphone gekoppelt werden, die Unterstützungsstufen können nicht angepasst werden und Updates für das System gibt´s nur beim Händler - nicht bequem auf der Couch, wie es heute üblich ist. Im Rose steckt der 625er-Akku, denn für das “alte” System gibt´s den 750er nicht. Auch das ist ein Grund für das schneidige Gewicht des Root Miller Plus. Die Batterie kann nach vorne herausgeklappt werden, dazu muss jedoch das Cover umständlich abgeschraubt werden. Der Carbon-Deckel ist mit vier fummeligen Schräubchen montiert - schade!
Kurzer Radstand, gemäßigter Reach, steiler Lenkwinkel: Das Root Miller Plus fällt als E-MTB kompakt und tourig aus. Wendigkeit und neutrales Lenkverhalten haben Priorität vor Fahrstabilität und Nehmerqualitäten. Wer für mehr Laufruhe zur größeren Größe greifen möchte, muss das recht lange Sitzrohr beachten.
Wer klassische Touren-Mountainbikes liebt, wird sich auf dem Root Miller besonders wohlfühlen. Denn Geometrie und Fahrverhalten sind betont anders als bei den meisten aktuellen E-All-Mountains. Positiv fällt das sehr direkte, leichtfüßige Handling auf. Durch die tiefe Front bekommt das Vorderrad viel Druck, der steilere Lenkwinkel macht das Lenkverhalten neutral. Und auch die straff ausgelegte Federung sorgt für spritzigen Vortrieb und definiertes Fahrverhalten.
Die Kehrseite der Medaille: Hohe Geschwindigkeiten in schwerem Gelände steckt das Bike nicht so gut weg, wie abfahrtslastigere Kandidaten. Laufruhe und Nehmerqualitäten sind begrenzt. Auch wenn die gute Federgabel, die griffigen Reifen und guten Bremsen das Potenzial für schwere Trails durchaus bereitstellen. Bei gemächlicher Fahrweise versprüht die Federung allerdings nur mäßig Traktion und Komfort, das beschneidet das Sicherheitsgefühl etwas.
Gut: Das Bike lässt den Fahrer immer im Klaren über alles, was unter ihm geschieht. Das kommt aktiven Fahrern besonders in Anliegern und beim Abspringen zugute. Die Heckfederung bietet hier viel Gegenhalt. In Summe kann das Bike bei sportlicher Gangart auf dem Trail aber nicht mit der modernen Konkurrenz der E-All-Mountains mithalten. Schade: Das Carbon-Cover liegt eng am Rahmen an und die Reibung zwischen den beiden Bauteilen verursachte während der Fahrt immer wieder Knarzgeräusche.
Geringes Gewicht, starke Ausstattung, verlockender Preis – mit dem Root Miller Plus 3 liefert Rose ein stimmiges Paket. Für grobes Gelände und sehr flotte Gangart gibt es aber bessere Bikes, denn die Geometrie ist sehr gemäßigt und etwas angestaubt. Mit dem älteren Bosch-Antrieb nicht mehr ganz up to date. - Adrian Kaether, Testredakteur beim EMTB Magazin