Dass ein Bike von Deviate in die Reihen der Traum-Bikes gewählt wurde, bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Wir tun es aber trotzdem: ein High-Pivot-Fahrwerk mit Öhlins-Komponenten, Vittoria-Reifen auf laut surrenden Industry-Nine-Laufrädern und eine OneUp-Stütze in Überlänge. Am Highlander II können sich die Augen kaum sattsehen. Dabei ist das Deviate weder sonderlich leicht noch günstig. Dafür aber ein absoluter Exot und ein Trendsetter noch dazu. Denn Bikes mit hohem Drehpunkt und Kettenumlenkung sind aktuell der letzte Schrei. Kein Wunder also, dass die BIKE-Leser beim Test-Wunschkonzert die Schotten auf die Bühne baten.
Die Boutique-Marke platziert unseren Testkandidaten eine Einsatzklasse unter ihrem Vollgas-Enduro Claymore in der All-Mountain-Kategorie. Schon in der ersten Abfahrt wird aber klar: Auch das Highlander lechzt nach brachialer Geschwindigkeit. Eine Eigenheit des High-Pivot-Konzepts ist die Längung des Hecks, sobald das Fahrwerk seinen Federweg freigibt. Am Deviate ist dieser Effekt paradebeispielhaft zu spüren. Wer sich traut, mit Mach 3 in den Trail zu ballern, kann auf dem langen und flachen Bike extrem schnell zu Tale schießen. Das Hinterrad klebt satt am Boden und die langen Kettenstreben sorgen in Highspeed-Passagen für ICE-Feeling. In Kurven muss man sich dagegen förmlich hineinschmeißen, um Richtungswechsel einzuleiten – nichts für Anfänger, sondern für Könner mit einer aktiven Fahrweise.
Wer am Schweden-Fahrwerk nach einigem Experimentieren endlich das optimale Set-up gefunden hat, ist auf dem Deviate kaum noch aufzuhalten. Das Heck glänzt mit viel Traktion, verzeiht jede Landung und jeden übersehenen Brocken. Im Vergleich zu dieser beeindruckenden Vorstellung tut sich die Gabel etwas schwer, mitzuhalten. Auch in puncto Fahrposition spielt die Musik vor allem hinten. Für genügend Druck auf dem Vorderrad muss man in Kehren den Körperschwerpunkt aktiv Richtung Vorderrad schieben. Um das Deviate für Bunnyhops oder Manuals aufs Hinterrad zu ziehen, ist ebenfalls maximaler Einsatz gefragt. Es scheint fast so, als wolle das Bike Spielereien zugunsten der Geschwindigkeit unterbinden.
Gemessen an der Abfahrtsleistung macht das Highlander im Uphill eine solide Figur. Ein Sitzwinkel von 76,5 Grad bringt den Fahrer in eine angenehm effiziente und kompakte Sitzposition. Ganz wippfrei steht der Hinterbau bergauf zwar nicht im Federweg, das Eigenleben bleibt aber im Rahmen. Von der extralangen, umgelenkten Kette ist kaum etwas zu spüren. Deviate hat es ganz offenbar geschafft, das System leise und effizient zu konstruieren. Mit flachen Trails ist das 15,2-Kilo-Fully schnell unterfordert. Hier bremst die zähe Laufradbeschleunigung den Fahrspaß aus. Wer das Deviate auf Tour entführt, sollte das Bike mit schnellen Downhills bei Laune halten. Bergan mag es der Kandidat gemütlich und ohne Zeitdruck.
Die außergewöhnliche Ausstattungsliste lässt derweil keine Wünsche offen. Stimmige Anbauteile und eine griffig-stabile Reifenwahl treffen auf starke Shimano-XT-Stopper mit vier Kolben. Die 200er-Teleskopstütze lässt sich bis ans Sitzrohrende absenken und bietet in Schlüsselstellen viel Bewegungsfreiraum über dem Bike. Nur das laute Klappern der Außenhülle der Teleskopstütze im Rahmen passt nicht ganz in das sonst so hochwertige Gesamtbild.
Individualisten werden das Deviate Highlander II lieben. Sie sollten allerdings auch beim Fahrstil besser viel Hingabe mitbringen. Wer das Deviate beherrschen kann, wird mit einem Tempo-Rausch belohnt. Vielseitigkeit auf Tour ist nicht die Stärke des High-Pivot-All-Mountains. – Max Fuchs, BIKE-Testredakteur