Florentin Vesenbeckh
· 26.06.2025
Propain baut sein erstes Light-E-MTB! Ob der Versender vom Bodensee bewusst auf die Neuauflage des TQ-Motors gewartet hat? Auf jeden Fall nutzt das Shresh SL die Stärken des neuen HPR 60 voll aus und stellt ein sehr breitbandiges E-Mountainbike auf den virtuellen Ladentisch. Klar: Bei der Gravity-fokussierten Brand stehen Trails und Abfahrten im Zentrum des Interesses. Der Neuling ist aber kein reines Enduro- oder Bikepark-Geschoss, sondern ein breitbandig aufgestellter Allrounder für Trails jeglicher Couleur. Wir konnten das Sresh SL schon ausführlich unter die Lupe nehmen und im Gelände testen.
Die Eckdaten des schicken Vollcarbon-Rahmens zielen ebenfalls auf die Allround-Stärke: 160/150 mm Federweg sind am E-MTB das goldene Mittelmaß für vielseitigen Trail- bis Enduro-Einsatz. Bei der Laufradgröße gibt’s die Wahl zwischen 29 Zoll an Front un Heck oder dem Mullet-Mix mit kleinem 27,5er Hinterrad. Die Laufradgröße kann nicht nur im Nachhinein gewechselt, sondern gleich ab Werk frei gewählt werden. Stichwort: Konfigurator. Dazu später mehr.
Maximal leise, maximal kompakt: Mit diesen Werten setzte der bayerische Motorenbauer TQ vor einigen Jahren eine neue Messlatte im Bereich der Light-E-MTBs. Mit dem neuen HPR 60 steht die zweite Ausbaustufe des Flüstermotors in den Startlöchern. Der Neuling ist stärker und standfester, hat aber von seinen Schwächen nichts eingebüßt - ein Volltreffer. Alle Infos und den ausführlichen Test des TQ HPR 60 gibt’s HIER in unserem großen Artikel.
Während der HPR 50 am minimalistischen Ende der Power-Skala von E-Bike-Motoren landete, ist der neue HPR 60 spürbar stärker. So erarbeitet sich der Antrieb einen Platz unter den kräftigeren Light-Motoren wie dem Bosch Performance SX und dem Fazua Ride 60. Das gilt auch, weil der HPR 60 seine volle Leistung gut über einen längeren Zeitraum halten kann. Beim Vorgänger HPR 50 war die Standfestigkeit noch eine deutliche Schwäche. Der Charakter bleibt aber auch beim 60er klar im Light-Segment. Den Turbo-Schub eines klassischen E-Motors darf man nicht erwarten.
Besonders, und im Light-Segment eine absolute Seltenheit, ist das flexible Akku-System. Biker können schnell und einfach zwischen dem 360er und dem 580er Akku von TQ wechseln und ihr Gefährt wahlweise auf Gewicht oder Ausdauer trimmen. 800 Gramm liegen zwischen den beiden Batterieoptionen, wobei beide Energieträger mit 1940 bzw. 2710 Gramm (inkl. Propain-Befestigung) schön leicht ausfallen. Kleine Einschränkung: Bei Rahmengröße S passt nur der kleine Akku.
Unser Testbike landet bei 19,1 bzw. 19,9 Kilo (je nach Akku) in Rahmengröße L mit 29 Zoll-Laufrädern.
Propain hat sich für eine Akku-Entnahme nach unten aus dem geschlossenen Unterrohr entschieden. Durch die kompakte Bauform des TQ-Motors ist diese Konstruktion recht einfach möglich. Im Vergleich mit vielen anderen Bikes, die auf diese Entnahme setzen, klappt der Wechsel schnell und einfach. Das Akku-Cover wird werkzeuglos in Sekunden gelöst und die Batterie ist am oberen Ende mit einer einzelnen Schraube im Unterrohr befestigt.
Am unteren Ende wird die Batterie von einer Kunststoffspange im Rahmen geklemmt und in Position gehalten. Heißt: Akku reinschieben, nur eine Schraube fixieren (kann minimal Übung erfordern, um das Gewinde gleich zu treffen) und fertig! Der Wechsel der Batterie geht in Summe richtig schnell von der Hand.
Diese simple Methode hat in unserem Test aber auch Nachteile offenbart. Mit dem großen 580er-Akku kam es teilwiese zu Knarzgeräuschen. Denn durch die Verwindung des Rahmens bewegte sich die Klemmspange am Akku minimal im Unterrohr, was Geräusche verursachte. Beim kleineren und kürzeren Akku haben wir dieses Problem nicht gehabt. Logisch, dass die längere Batterie hierfür anfälliger ist, da sie im Unterrohr weiter in Richtung Motor ragt, wo sich der Rahmen am meisten verwindet.
Auch Propain ist sich bewusst, dass an einigen Vorserienbikes diese Probleme bestehen. Bis zur Auslieferung der Serienbikes wollen die Entwickler die Klemmspange optimieren. Außerdem soll ein spezielles Tape im Unterrohr die Geräusche eliminieren. Wir werden dem Thema in einem Dauertest mit einem Serienbike auf den Grund gehen und hier berichten.
Um die Batterieoptionen komplett zu machen: Wer möchte, kann zur Reichweitensteigerung auch den 160er-Range-Extender (1080 g inkl. Kabel und Befestigung) von TQ in den Flaschenhalter packen. Für Mini-Ausfahrten (oder Flugreisen!) funktioniert das TQ-System übrigens auch ausschließlich mit dem Range Extender.
Wie bei Propain üblich, kann auch das Sresh SL im Online-Konfigurator nach persönlichen Vorlieben ausgestattet und angepasst werden. Geschmacksache ist dabei auch die Art der Zugverlegung. Wahlweise laufen die Kabel durch den hauseigenen Sixpack-Vorbau, die Acros-Steuersatzkappe oder auch klassisch durch die Zugeingänge hinter dem Steuerrohr in den Rahmen.
Preislich geht’s bei 5994 Euro los, was im Vergleich zu vielen anderen Light-E-MTBs recht günstig ist. Zumal das schlanke TQ-System aus Bayern zu den teureren E-Antrieben gehört. Highlight in der Ausstattungsliste sind, neben den neuen Shimano-XT- und XTR-Komponenten inklusive kabelloser Di2-Schaltung, auch Fahrwerke von Öhlins. Das Sresh SL ist ab sofort bestellbar und soll ab Mitte Juli ausgeliefert werden.
Schade: Das maximale Systemgewicht fällt mit 120 Kilo nicht gerade üppig aus und auch die mögliche Einschubtiefe für die Teleskopstütze könnte größer sein.
Das neue Sresh SL kommt in den vier Größen S bis XL. Propain kombiniert einen moderaten Lenkwinkel von 64,5 Grad mit eher langen 453er-Kettenstreben. Der Reach fällt mit 480 mm in Größe L modern, aber nicht extrem aus. Durch den sehr steilen Sitzwinkel, der auch bei weitem Stützenauszug kaum abflacht, fällt die Sitzposition kompakt aus. Trotz Flipchip unterscheidet sich die Geometrie im 29er-Setup etwas von der Geo mit Mullet-Laufrädern. Mit kleinem Rad im Heck sind die Winkel fast ein halbes Grad flacher und die Kettenstreben minimal kürzer - was den Spieltrieb nochmal steigern dürfte.
Für unseren ersten Test hatten wir ein Sresh SL im 29er-Setup zur Verfügung und konnten das Bike auf abwechslungsreichen Trails testen. Aufsitzen und wohlfühlen – diese Phrase hat das Sresh SL absolut verinnerlicht! Der Sitzwinkel ist steil und positioniert den Fahrer auch bei größerem Stützenauszug zentral im Bike. So fühlt sich das Bike erstmal sehr kompakt an. Da auch die Kettenstreben eher lang ausfallen, mutiert das Bike zum souveränen Kletterer.
Angenehm dabei: Trotz seiner Länge fährt sich das Bike zu keiner Zeit träge oder behäbig. Im Gegenteil: Der Charakter ist äußerst spaßig, ausgewogen und das Fahrgefühl nahe am unmotorisierten Bike. Was schon mit dem Full-29er-Setup gilt, dürfte sich mit einem kleinen Hinterrad sogar noch steigern. Selbst mit dem großen Hinterrad lässt sich das Bike erstaunlich fluffig aufs Heck ziehen. Das würde man bei dieser Kettenstrebenlänge erstmal nicht erwarten.
Schade: Durch die oben beschriebene Thematik war unser Testbike mit dem 580er-Akku nicht immer leise. Sowohl im Anstieg, als auch bei starken Kompressionen auf dem Trail schlichen sich unangenehme Knarzgeräusche ein. Mit der kleineren 360er-Batterie haben wir das Bike hingegen als sehr leise erlebt. Im Uphill, wie auch im Downhill.
Durch das hohe Cockpit steht der Fahrer schön integriert im Bike. Dank des sensiblen Fahrwerks kommt richtig viel Sicherheit auf und man bleibt auch in kniffligen Situationen Herr der Lage. Insgesamt trifft das Bike für unseren Geschmack einen genialen Kompromiss aus Stabilität und Agilität. Auch auf flowigeren Trails bleibt es lebhaft, weil der Hinterbau guten Gegenhalt und viel Popp liefert. Der Einsatzbereich des Bikes ist damit richtig breit. Vor heftigeren Enduro-Tracks braucht man sich nicht fürchten und auch auf seichten Trails bleibt der fahrspaß hoch. Auch längere Touren macht das Bike willig mit - wobei es eher dann brilliert, wenn es im Gelände gefordert wird.
Das Sresh SL ein absolut gelungenes Light-E-MTB! Durch das modulare Akku-Konzept und den Konfigurator wird das Bike unglaublich vielseitig. Diese beiden Features gibt’s nur bei ganz wenigen Light-E-MTBs. Mit dem TQ HPR 60 hat das Mini-Sresh einen richtig leisen, unauffälligen und dennoch nicht zu schwachen Motor am Start. Gepaart mit den absolut ausgewogenen Fahreigenschaften ist das Sresh SL extrem spaßig und durchdacht. Von Touren, über Trails bis hin zu Enduro-Einsätzen macht das Bike alles mit. Wobei ihm der sportliche Einsatz im Gelände definitiv noch besser steht, als die gemütliche Forstweg-Tour. - Florentin Vesenbeckh, Testredakteur BIKE Magazin