Echt jetzt? 23.499 Euro stehen da vor uns, in Form der beiden Duellpartner, die wir gerade aus dem Auto laden. Fast 25000 Euro für zwei Fahrräder. Das ist surreal – bei diesem Thema aber fast schon erwartbar. Pivot und Yeti gehören seit jeher zu den Favoriten, wenn es um die teuersten Mountainbikes des Planeten geht. Auf der Suche nach dem besten Light-E-MTB haben wir das Pivot Shuttle SL/AM Pro mit Bosch SX-Motor (10.999 Euro) und das TQ-HPR60-betriebene Yeti MTe T3 X0 (12.500 Euro) zum Duell gebeten.
Die beiden Ami-Brands haben das Thema Exklusivität fest in ihrem Markenkern verankert. Besondere Hinterbaukinematiken, hochwertig verarbeitete Carbonrahmen mit viel Liebe zum Detail und eine lebenslange Garantie gehören zu den Goodies, die Biker bei den Edel-Marken für ihr Erspartes bekommen. Aber macht sich der Preis auch auf dem Trail bemerkbar?
Wir haben für diesen Test jeweils ins mittlere Preisregal gegriffen. Die Topmodelle liegen mit 12999 Euro fürs Pivot Shuttle SL/AM Team und 13900 Euro fürs Yeti MTe T4 noch eine Stufe höher. Los geht’s in den Modellpaletten tatsächlich erst bei 8599 beziehungsweise 9700 Euro.
Beide Neuerscheinungen sind klassische Light-E-MTBs. Also: Etwas weniger Motor-Power und kleinere Batterien als klassische E-Bikes. Das soll sich in einem schlanken Look und geringem Gewicht auszahlen. Yeti stellt mit dem MTe das erste Bike mit dem neuen TQ HPR 60 auf den Trail. Das kreisrunde Aggregat ist kleiner, leiser und dezenter als Boschs Performance SX im Pivot. Unauffälliger geht nicht. Der “kleine” Bosch ist hingegen im Light-Vergleich sehr leistungsstark.
Beim Akku vermeldet Yeti hingegen: Nicht kleckern, sondern klotzen. Mit 580 Wattstunden ist das Yeti für ein Light-Bike überdurchschnittlich gut bestückt und somit reichweitenstark. Allerdings verpasst es dadurch ein Rekordgewicht deutlich. Es wiegt in Größe L 20,0 Kilo. Das Shuttle SL/AM ist mit kleinem 400-Wh-Akku 400 Gramm leichter und gewinnt damit das Duell an der Waage, zumal für den Preis des Yeti fast das noch spürbar leichtere Topmodell des Shuttle SL/AM über die Ladentheke gehen würde.
Die Batterie im Yeti ist nicht nur größer, sondern auch herausnehmbar. Das ist zwar fummelig und dauert etwas länger, ist in Summe aber ein dicker Pluspunkt, denn diesen Luxus bieten die wenigsten Light-Bikes. Es gibt auch die Option, einen 1,2 Kilo leichteren Mini-Akku mit 290 Wh einzusetzen. Das Shuttle SL/AM ist hingegen auf der klassischen Light-Schiene unterwegs: 400 schlanke Wattstunden sind fest im Unterrohr verbaut. Damit hat das Pivot deutlich weniger Reichweite. Für extralange Runden mit dem Shuttle gibt es den externen Range Extender von Bosch mit 250 Wh. Bei TQ im Yeti hat der Zusatz-Akku für den Flaschenhalter 160 Wh.
Die harten Fakten der beiden Edel-Duellanten ähneln sich ansonsten stark. Natürlich haben beide einen Vollcarbonrahmen, und beide bieten 160 Millimeter Federweg an der Gabel. Am Heck sind es bei Pivot 150 Millimeter, bei Yeti 145 – ein Unterschied, den man im Gelände nicht merkt. Ab Werk kommen beide Bikes ausschließlich im 29er Setup. Doch Mullet-Fans finden jeweils einen Flipchip, mit dem sie die Geometrie so anpassen können, dass sie auf ein kleines 27,5er Hinterrad passt.
Steckenpferd beider Marken ist eine besondere Hinterbaukinematik. Im Shuttle SL/AM arbeitet der bekannte DW-Link-Hinterbau mit virtuellem Drehpunkt aus der Feder von Kinematik-Mastermind Dave Weagle – genau so, wie wir ihn in anderen Pivot-Bikes kennen und lieben gelernt haben. Yeti muss aus Platzgründen am E-Bike von seinem berühmten Konzept mit Switch-Infinity-Hinterbau abweichen. Wie am Power-E-MTB Yeti 160 E nutzen die Amis stattdessen eine besondere Form eines Sechsgelenkers, getauft Sixfinity.
Doch was hilft all der Zauber, wenn das Bike nicht auf dem Trail brilliert? Das Duell der beiden Highend-Boliden ist auch deshalb so spannend, weil sie sich auf dem Papier sehr ähnlich sind. Ein Unterschied wird direkt beim Aufsteigen deutlich: Während man bei Yeti zentral über dem Bike sitzt, ist die Position auf dem Shuttle SL etwas hecklastig. Der flachere Sitzwinkel erinnert eher an ein klassisches Tourenbike als an ein modernes Enduro. In steilen Anstiegen wird das zum Nachteil. Um die Front des Pivot im Zaum zu halten, muss man sehr aktiv zu Werke gehen und weit nach vorne rutschen. Auch wenn das Yeti keine ausgewiesene Bergziege ist: Die Uphill-Punkte gehen klar an das Yeti MTe.
Die beiden Motoren offenbaren gegensätzliche Charaktere. Der SX hat eine hohe Spitzenleistung, kann diese aber nur bei sehr schnellem Tritt freisetzen. So lässt sich zwar dynamisch Schwung für einen Absatz holen, doch der erzwungen schnelle Tritt kann in technischen Passagen Unruhe in die Fahrt bringen. Geht’s länger steil bergauf, fehlt es dem kleinen Bosch an Drehmoment. Bei langsamem Tritt fühlt sich TQs HPR 60 stärker an. Mit ihm fällt die Fahrt insgesamt kontrollierter aus.
Ein weiterer Unterschied ist die Geräuschkulisse. Schon bergauf wird der TQ-Motor im Yeti seinem Ruf gerecht. Bei voller Power ist er zwar hörbar, doch kein anderer Motor bleibt so dezent und ruhig. Boschs SX lärmt nicht unangenehm laut, sein Sound ist aber in jeder Situation deutlicher wahrnehmbar. Bergab offenbart der kleine Bosch dann eine Schwäche: Er klappert beim Überrollen von Wurzeln und Hindernissen. Im Shuttle SL/AM ist das Geräusch leider sehr präsent, was zum hochwertigen Gesamtbild und Edel-Image so gar nicht passen will. Das Yeti MTe bewahrt auch bergab Ruhe.
Wer sich eines dieser beiden Bikes kauft, hat vermutlich vor allem eins im Sinn: Abfahrtsspaß auf anspruchsvollen Trails! Und auch hier sind die Unterschiede größer, als man anhand der (Geometrie-)Daten vermuten würde. Beim Pivot steht man tiefer integriert hinter der hohen Front, während das Yeti den Fahrer in eine aktive Race-Position drückt. Dazu passt das sehr definierte Fahrwerk des MTe, das so richtig aufblüht, wenn man dem Bike die Sporen gibt. Hier hält das Sixfinity-Heck noch mehr Schluckvermögen bereit als der DW-Link-Hinterbau im Pivot.
Das Shuttle versprüht dafür bei gemächlicher Gangart mehr Komfort. Außerdem ist es der verspieltere und quirligere Kandidat. Manuals und Bunnyhops gehen sehr leicht von der Hand und auf engen Trails fühlt sich der Kurvenräuber ebenfalls sehr wohl. Das Yeti MTe bleibt zwar lebendig und leichtfüßig, der Zeiger schlägt in Summe aber etwas mehr in Richtung Laufruhe und Fahrstabilität aus. Trotz ähnlicher Reach-Werte fühlt sich das Pivot deutlich kompakter an. Mehr Nehmerqualitäten und Downhill-Stärke gibt’s ganz klar bei Yetis MTe. Für die stärkere Abfahrtskompetenz des Yeti sorgen auch die deutlich griffigeren Reifen und bissigere Bremsen. Hier hält Pivot noch Tuning-Potenzial bereit.
Wer rein auf die Fahreigenschaften schaut, muss nicht so viel Kohle für ein gutes Light-E-MTB hinblättern. Doch Pivot und Yeti liefern das gewisse Extra mit top Verarbeitung und lebenslanger Garantie. Das MTe konnte uns mit den konsequenteren Fahreigenschaften, mehr Nehmerqualitäten im Downhill und seinem angenehmen Antrieb noch mehr überzeugen. Auch die Reichweite ist im Light-Vergleich exzellent. Bei Pivot gibt’s dafür maximalen Spieltrieb. - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE Magazin