Florentin Vesenbeckh
· 28.05.2025
Es ist das klassische Versprechen eines Light-Trailbikes: Entspannt und mit Uphill-Flow bergauf - leichtfüßig und spaßmaximiert bergab. Immer die gleiche Leier? Oder macht Pivot etwas ganz anders? Mit dem Shuttle SL/AM zeigen die Amerikaner nach dem Shuttle SL mit Fazua-Motor ihr zweites Light-E-MTB - mit einem neuen E-Antrieb und mehr Abfahrtsstärke. Und dass Pivot erstklassige Trail-Raketen bauen kann, wissen wir. Ein genauer Blick auf den kleinen Bruder des Pivot Shuttle AM lohnt also definitiv!
Die Eckdaten versprechen einen abfahrtsfreudigen Trail-Allrounder: 160 mm Federweg vorne, 150 mm hinten. Die “goldene Mitte”, um ein Bike sowohl für ruppige Downhills, als auch flowige Trail-Fahrten zu wappnen. Im Vergleich zum kurzhubigeren (150/132 mm) und straffer abgestimmten Shuttle SL, dem ersten Light-Bike von Pivot, ist das SL/AM also deutlich mehr auf Abfahrt getrimmt.
“Business as usual” heißt es erstmal beim Antriebssystem. Das Shuttle SL/AM (die Amis selbst sprechen das gerne “Slam” aus!) kommt mit Bosch Performance Line SX. Der 400er-Akku ist fest im Unterrohr verbaut. In diesem Setting kommen die allermeisten SX-Bikes. Warum ein fest verbauter Akku? Klar, das spart Gewicht. Nach Aussage von Pivot-Oberhaupt Chris Cocalis rund 750 Gramm. Ein gedreht eingebauter Motor, um die Batterie ausziehbar zu verbauen, hätte zudem den idealen Drehpunkten für den Hinterbau im Weg gestanden und nicht zuletzt die Optik verhunzt, heißt es aus dem Pivot Headquater.
Die Wahl auf den Bosch SX begründet Pivot mit der besten Kombi aus Uphillflow und geringem Gewicht. Tatsächlich ist der SX mit einer extrem hohen Spitzenleistung gesegnet. Vollen Schub setzt er nur bei sehr hoher Kadenz frei, und die Leistung zieht bei schnellem Kurbeln immer weiter an. Dieser Charakter macht das Fahren mit dem SX extrem dynamisch. Uphill-Flow ist definitiv inklusive. Damit bleibt auch das “Mini-Shuttle” seinem Namen treu.
Spezieller wird es beim Hinterbau. Pivot setzt natürlich auch an seinem neuesten Spross auf den patentierten DW-Link-Hinterbau mit virtuellem Drehpunkt. Diese Konstruktion hat den Vorteil, dass Antriebseinflüsse über den Verlauf des Federwegs unterschiedlich abgestimmt werden können.
Bei einem E-Bike können durch den starken Motorschub mehr Antriebseinflüsse entstehen, weshalb die aufwändige Kinematik am E-MTB laut Pivot noch mehr Vorteile bieten soll. Tatsächlich haben wir in vergangenen Tests ausschließlich positive Erfahrungen mit den Heckfederungen von Pivot-E-MTBs gesammelt. Nicht selten haben sie den Charakter des Bikes ganz klar geprägt.
Neu im E-Bike-Portfolio von Pivot ist die besonders kleine Größe XS, die Fahrerinnen und Fahrern ab 150 cm Körpergröße passen soll. Bei einem Light-E-MTB macht das besonders Sinn, denn je leichter die Person auf dem Bike, desto stärker wiegen die Vorteile eines Light-E-MTBs. Und zugleich verlieren die Nachteile an Gewicht. Denn eine leichte Person braucht weniger Motor-Power und Akku-Kapazität, um auf die gleiche Uphill-Geschwindigkeit und Reichweite zu kommen, wie ein schwererer Fahrer. Die XS-Bikes kommen ausschließlich im Mullet-Setup mit 27,5er-Hinterrad. Außerdem haben die Dämpfer keinen Ausgleichsbehälter, damit der Range Extender Power More auch hier ins Bike passt.
Die Geometrie des Shuttle SL lässt sich über einen Flipchip verstellen. Pivot empfiehlt im klassischen Einsatz die Einstellung “low”. Die höhere und flachere Position (+0,5° Lenk- und Sitzwinkel) dient auch für alle, die gerne ein kleines Hinterrad mit 27,5 Zoll verbauen möchten.
Die Kettenstreben haben die Entwickler so gewählt, dass sie maximalen Fahrspaß garantieren, ohne die Klettereigenschaften zu beschneiden. Dieses Mittelmaß sieht Pivot bei 444 mm. Der Reach liegt in Größe L bei 476 mm - was nicht übermäßig üppig ist. Bei 496 mm in Größe XL ist Schluss. Typisch Pivot: Mit recht hohen Stack-Werten liegt die Front tendenziell hoch.
Die kurzen geraden Sitzrohre mit hoher Einstecktiefe machen es möglich, Teleskopstützen mit viel Verstellweg zu verbauen. Außerdem passen Fahrer auf verschiedene Rahmengrößen. So kann die passende Größe nach der Länge gewählt werden, um das Bike ideal auf den eigenen Fahrstil und die persönlichen Wünsche abzustimmen.
Light-Bikes sollen ihrem Namen gerecht werden. Entsprechend sparen die meisten Hersteller auch neben dem Antriebssystem, also Motor und Akku, an Gewicht. Das ist auch bei Pivot der Fall. Der Rahmen soll leichter sein als der des Voll-Power Shuttle AM, und auch die Ausstattung ist an der ein oder anderen Stelle eher auf Gewicht, denn auf maximale Abfahrtsperformance und Robustheit gepolt. Bei den Bremsen kommen die neuen Sram Motive zum Einsatz und die DT-Swiss-Laufräder stammen aus der Non-E-Linie der Schweizer. Unser Testbike, das mittlere Modell “Pro”, landet damit in Größe L bei 19,6 Kilo.
Wir konnten das neue Pivot Shuttle SL/AM Pro schon vor dem Launch auf erste Trailrides entführen. Doch die Zeit war knapp und ausführliche back-to-back-Tests waren noch nicht drin. Für einen ersten Fahreindruck reichen unsere Erfahrungen dennoch allemal aus. Auf dem Shuttle SL/AM nimmt man - typisch Pivot - nicht super kompakt, aber doch sehr bequem Platz.
Durch den eher flachen Sitzwinkel ist die Sitzposition lang. Doch die hohe Front vermeidet unangenehme Streckbankgefühle. So hat man auch auf längeren Touren und Flachpassagen eine bequeme Haltung. Zum echten Klettermax will das Shuttle SL/AM aber nicht mutieren. Denn an steilen Stichen muss man die Front sehr aktiv belasten, um das Bike in Spur zu halten. Hier zollt man der hohen Front und leicht hecklastigen Sitzposition Tribut. Dank spritzigem Schub und hoher Spitzenleistung des SX-Motors erklimmt man dennoch beachtliche Rampen - zumal die Traktion am Hinterrad exzellent ist. Die Glanzstunde des Bikes schlägt allerdings im Downhill.
Der quirlig-spaßige Charakter des Bikes sticht sofort heraus. Das Gefährt an Wurzelkanten in die Luft befördern oder im Manual über den Trail surfen - das gelingt mit der Spaßmaschine deutlich leichter, als mit den meisten anderen E-Mountainbikes. Die Vorteile eines Light-E-MTBs weiß das neue Pivot also exzellent auszunutzen. Der ideal abgestimmte Hinterbau unterstützt diesen Charakter. Denn trotz sensiblem Schluckvermögen gibt er angenehmen Gegenhalt und versackt bei aktiven Fahrmanövern überhaupt nicht im Hub.
Eine negative Seite verriet unser Testbike leider recht schnell: Das Klappern des Bosch Performance SX fiel an unserem Shuttle SL/AM Pro überdurchschnittlich präsent aus. Somit gehört das Bike auf dem Trail nicht zu den leisen Light-Bikes - was den edlen Eindruck des Bikes leider etwas dämpft.
Die Fahrposition auf dem Bike ist angenehm integriert. So steht man zentral hinter der hohen Front. Das gibt auch in steilen und anspruchsvollen Passagen viel Sicherheit. Mit seinem moderaten Lenkwinkel, dem gemäßigten Radstand und ebenfalls nicht allzu üppigem Reach ist das neue Pivot auf der verspielten Seite unterwegs. Spaßige Manöver liegen dem Bike nach unserem ersten Eindruck mehr, als stumpfes Draufhalten. Angst vor harten Enduro-Tracks hätten wir nach den ersten Testruns aber keinesfalls. Wie sich das Bike im noch ernsteren Gelände schlägt, werden wir in den nächsten Wochen herausfinden. Stay tuned!
Das neuen Pivot Shuttle SL/AM glänzt genau dort, wo Light-E-MTBs ihre Stärken haben: Beim Fahrspaß und Handling auf dem Trail. Der Spieltrieb dieses Bikes ist gewaltig! Das Gewicht ist gut, wenn auch nicht rekordverdächtig. Finish und Details des Bikes stechen heraus, leider trübt die Geräuschkulisse den wertigen Eindruck. - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE Magazin
Beim Thema Preis wird es bei der Boutique-Marke Pivot traditionell heikel. Los geht’s mit dem Shuttle SL/AM erst ab 8599 Euro. Die beiden edleren Varianten kosten 10.999 und 12.999 Euro. Wer dem Ganzen die Krone aufsetzen will, kann die Modelle Team und Pro noch um das elektronisch gesteuerte Fox-Fahrwerk Live Valve Neo Air aufplustern. Dann kommen nochmal 1300 Euro obendrauf. Alle drei Varianten gibt’s wahlweise in den beiden Farbvarianten grau/weiß und blau.