Florentin Vesenbeckh
· 11.04.2024
High-Pivot-Hinterbauten, also Heckfederungen mit hohem Drehpunkt, sind einer der großen Trends im Mountainbike-Sport. Doch an E-Mountainbikes findet man diese Technik kaum. Die Kanadier von Norco sind große Verfechter vom hochgezogenen Lagerpunkt. Das Enduro Range fährt schon länger mit dieser Technologie und kürzlich wurden auch die kurzhubigeren Bikes Sight und Optic “aufgebockt”. Für 2024 spendieret Norco gleich zwei neuen E-Mountainbikes seine Spezialität: Das All Mountain Sight VLT und das Enduro Range VLT rollen ab sofort mit der Kinematik, die auf den schönen Namen VPS HP hört.
Größter Vorteil der High-Pivot-Technologie ist die Raderhebungskurve. Entgegen klassischer Konstruktionen bewegt sich das Hinterrad beim Einfedern nicht nach vorne, sondern nach hinten. So soll es Hindernissen eher ausweichen, als ihnen entgegengehen und dadurch eine bessere Fahrwerksperformance ermöglichen. An E-Bikes gibt es diese Konstruktion kaum, nur Rocky Mountain setzt beim Altitude Powerplay (Testsieger in unserem letzten Enduro-Test) und Instinct Powerplay (Tipp Trail im EMTB Test), auf höher gelegene Drehpunkte. Bei unmotorisierten Enduros hat High Pivot hingegen Hochkonjunktur. Zum Beispiel bei Treks Slash, dem Cannondales Jekyll oder dem Deviate Claymore.
Die zweite drastische Neuerung bei den beiden E-Mountainbikes: Norco setzt bei seinen neuen E-Bikes auf Bosch statt Shimano. Waren die bisherigen Modelle von Sight und Range noch mit EP8 unterwegs, werden die neuen 24er-E-MTBs von Boschs Performance CX (zum Test!) angetrieben. Die Shimano-Bikes laufen im Modelljahr 2024 weiter - und sind teils zu stark reduzierten Preisen erhältlich. Schnäppchenpotenzial mit der Option auf 900 Wattstunden!
Der Bosch Powertube mit 750 Wattstunden sitzt im geschlossenen Unterrohr und kann nach unten herausgezogen werden. Diese Integration hatten auch die vorherigen VLTs mit ihrem variablen Akku-System (bis 900 Wattstunden!) bereits. Bei den Bedienelementen setzt Norco auf die schlanke Variante mit Systemcontroller im Oberrohr und kabelloser Mini-Remote.
In seinen Eckdaten bleibt das Sight VLT seinem Vorgänger treu. 160/150 Millimeter Federweg und Mullet-Laufradmix sollen die perfekte Balance für Trail- und Bergabenteuer bringen. Leider scheint das Bike auch das stattliche Gewicht vom alten Sight zu erben. Norco gibt für das Topmodelle 25,2 Kilo an. Der Voorgänger gab sich in unserem Test extrem fahrsicher. Bergauf wie bergab lies das Bike kaum etwas anbrennen. Doch es fuhr sich auch etwas behäbig und schwerfällig, wenn der Trail sanfter dahinplätscherte. Bei der Neuauflage fallen die Kettenstreben deutlich kürzer aus und wachsen mit den Größen mit. Von 428 bis 440 Millimeter. Dadurch schrumpft auch der Radstand. Das dürfte dem Bike deutlich mehr Spieltrieb verleihen. Zum Vegleich: Beim 2023er-Modell war das Heck in allen Rahmengrößen 462 mm lang. Ein ordentlicher Reach (422 bis 522 Millimeter) und der flache Lenkwinkel sollen auch bei der Neuauflage viel Laufruhe geben.
Allerdings gibt es vom Sight VLT nur eine einzige Variante, die Norco in Kanada mit satten 13 999 Dollar bepreist. Beim deutschen Importeur wird es das kurzhubigere Bike vorerst gar nicht geben - dafür aber die unterschiedlichen Varianten des Enduros Range VLT.
Das Norco Range ist ein echtes Schwergewicht unter den E-MTBs. Und damit meinen wir in erster Linie nicht das Gewicht des Bikes. Mit 180/170 Millimetern Federweg und einer langen und flachen Geometrie ist es auf Highspeed ausgelegt und will in wildem Gelände bewegt werden. Doch auch beim Enduro wurden die Kettenstreben eingekürzt. Sie wachsen über die fünf Rahmengrößen von extrem kurzen 428 mm bis immer noch gemäßigten 444 mm mit. Das Bike gibt es in zwei Ausstattungsvarianten mit Hauptrahmen aus Carbon für 8999 bzw. 10 499 Euro. Das Einstiegsmodell A1 mit Alu-Chassis kostet 7799 Euro.