Schon früh erkannte der französische Hersteller Moustache das Potenzial sportlicher E-Mountainbikes für den Trail- und Geländeeinsatz. In dieser Vorreiterrolle haben die Elsässer auch schon einige Akzente gesetzt. Zum Beispiel tauchten an Moustache-Bikes die ersten modernen Mullet-Laufräder (29 Zoll vorne, 27,5 Zoll hinten) im E-Bike-Bereich überhaupt auf. Auch bei der Antriebsintegration setzte Moustache Maßstäbe. Auch wenn das aktuelle Moustache Samedi 29 Trail 9 nicht im Mullet-Setup, sondern auf 29er-Laufrädern in den Test rollt, setzt es trotzdem eigene Akzente. Mit 150 Millimetern Federweg ist es das All Mountain, der Alleskönner für Trails und Touren aus dem Portfolio von Moustache. Mit 7499 Euro gehört das Bike im Reigen der High End-E-MTBs noch längst nicht zu den teuersten Kandidaten. Wer noch mehr möchte, findet im Topmodell Samedi 29 Trail 11 für 8599 Euro noch einige Updates. Doch in diesem Test haben wir uns den Qualitäten des 9er-Modells angenommen. Wie es sich im direkten Vergleich zur Konkurrenz geschlagen hat, lest ihr in den folgenden Zeilen.
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Die Franzosen von Moustache geben sich nicht mit Standardlösungen zufrieden. Beispiel: Die smarte Integration von Boschs großem 750er-Powertube ist nicht nur besonders platzsparend, sondern kann auch im Handling der Akku-Entnahme überzeugen. Dafür hat die Brand aus den Vogesen eigene Batteriehalterungen entwickelt. Auch die Abdeckung des Lade-Ports stammt aus eigener Feder – und ist der Standardlösung von Bosch in Sachen Schutz und Handhabung überlegen. Noch einen Schritt weiter geht Moustache beim Fahrwerk: Dämpfer der Branchenriesen Rockshox oder Fox? Nicht am Samedi Trail 29. Magic Grip Control nennen die Franzosen ihre eigens entwickelten Federbeine, die allesamt ohne Ausgleichsbehälter kommen. Damit will Moustache ein besonders traktionsstarkes Fahrwerk geschaffen haben, das explizit aufs E-Mountainbiken im schwersten Gelände ausgelegt ist.
Mit dem Bosch Performance CX setzt Moustache auf den wohl meistverbauten E-MTB-Motor. Er verbindet hohe Leistung mit vertretbarem Gewicht. Seine sehr gute Modulation, die spritzige und progressive Kraftentfaltung und spezielle Features wie der verlängerte Nachlauf im Emtb-Modus machen ihn zur Messlatte in fiesen Uphills. Alle U-Stufen lassen sich per App feineinstellen. Aber: Der Bosch ist nicht ganz leise, klappert in der Abfahrt und die großen Akkus sind mit gut 4,3 Kilo schwer.
Dafür liefert er eine extrem gute Reichweite, die andere Systeme mit Batterien um 700 bis 750 Wattstunden in den Schatten stellt. Der Powertube 750 kann beim Samedi 29 Trail unkompliziert nach vorne aus dem Unterrohr entnommen werden. Eine Integration des neuen Bosch Systemcontrollers ist im Oberrohr der aktuellen Moustache-Modelle nicht möglich. Stattdessen setzen die Franzosen auf die Kombi aus LED-Remote und Kiox 300. Die Geschwindigkeit wird über den Ventilmagneten von Bosch gemessen, ein separater Speed-Sensor entfällt also.
Länge läuft, so könnte man die Maße des Moustache Samedi 29 Trail kurz und knapp beschreiben. Der Radstand ist mit 1285 Millimetern in Größe L für ein All Mountain E-Bike sehr lang. Das kommt nicht zuletzt durch die ebenso überdurchschnittlich langen Kettenstreben von 460 Millimetern und den langen Reach. Diese drei Parameter geben dem Bike seinen fahrstabilen und gutmütigen, aber wenig wendigen Charakter. Der Lenkwinkel fällt dafür mit 65,5 Grad eher gemäßigt aus. Das beschert dem Bike ein neutrales Fahrverhalten ohne abkippende Lenkung. Gut für Tour und Alltag.
Mit 7499 Euro fällt das Samedi 29 Trail 9 im Reigen der Highend-E-Mountainbikes eher günstig aus. Das liegt nicht zuletzt am Aluminium-Rahmen, der in dieser Preisklasse eher selten ist. Dafür gibt es an der Ausstattung kaum etwas zu meckern. Übertriebenes Blingbling gibt´s zwar nicht, rein funktional sind die Parts am Moustache aber richtig top. Schaltung und Bremsen stammen aus Shimanos XT-Regal und liefern solide Funktion und gute Modulation und Power. Auch bei der Federgabel greifen die Franzosen tief in die Tasche: Fox 36 Factory mit 150 Millimetern Hub. Die Maxxis-Reifen setzen mit EXO+ Karkasse auf ein gutes Mittelmaß aus Pannenschutz und ordentlichem Gewicht. Das Assegai-Profil wird hier vorne wie hinten verbaut. Am Heck sieht man diesen Pneu sonst eher selten. Gesteuert wird über einen leichten Carbon-Lenker, der mit 760 Millimetern allerdings eher schmal ausfällt. Ein breiteres Modell wäre wünschenswert, denn einen Lenker zu kürzen ist bekanntlich leichter, als ihn breiter zu machen.
Fahrkomfort wird beim Moustache Samedi Trail 29 groß geschrieben. Die Hinterbaufederung arbeitet sehr sensibel, der schmale Lenker fördert eine angenehme Haltung und die Sitzposition fällt ausgewogen, statt übermäßig frontlastig aus. So ist man auch auf langen Flachpassagen ist man mit dem schlanken Elsässer entspannt und ohne zu viel Druck auf den Handgelenken unterwegs. Boschs Smartsystem mit dem großen Powertube 750 befördert das Bike auf eine richtig starke Reichweite. Lange Touren sind damit kein Problem. Zudem ist der Akku schnell entnehmbar. Laden in der Hütte oder Wechseln auf einen Zweit-Akku - auch das ist mit dem Moustache Samedi 29 Trail jederzeit drin. Allerdings: Der überlange Powertube 750 passt nicht in den Rucksack.
Das Ziel, mit dem eigenen Dämpfer besonderen Komfort und massig Traktion zu generieren, geht im Uphill voll auf. Wie auf einem Luftkissen hovert man über Wurzelteppiche und Steilstufen. Dank langer Kettenstreben behält das Vorderrad immer Bodenkontakt und selbst steile Stiche verlieren ihren Schrecken. Und das, obwohl die Sitzposition im steilen Gelände etwas hecklastig ausfällt. Das Fahrgefühl ist dabei etwas gewöhnungsbedürftig, denn im SAG-Bereich arbeitet der Hinterbau sehr soft und wenig definiert. Dennoch: In steilen und technischen Uphills gehört das Samedi 29 Trail zu den stärksten in unserem Vergleichstest.
Die Kehrseite: Auf kurvigen, winkeligen Trails ist das Samedi eher träge unterwegs, der Hinterbau gibt nur wenig Feedback vom Untergrund und die eingebrachte Energie des Fahrers verpufft in der Federung. Außerdem lastet viel Druck auf der Front. Was bei eher passiver Fahrweise ein großer Vorteil in Kurven ist, erschwert aktiven Piloten das Anheben der Front. In anspruchsvollen Abfahrten waren wir mit dem Samedi Trail 29 zwar sicher, aber mit deutlich angezogener Handbremse unterwegs. Dieses Gefühl wird von dem schmaleren 760er-Lenker unterstützt. Punkten kann das Bike auch in Abfahrten eher durch seinen unkomplizierten Charakter. Denn die Traktion ist auch hier richtig stark und das Bike bleibt auch ohne Profi-Fahrtechnik leicht beherrschbar.
Das einzige Alu-Bike im Test empfiehlt sich durch seine komfortable und fahrstabile Auslegung für Genuss-Biker, die lieber gemütlich und sicher auf Tour gehen, als auf Trails nach Bestzeiten zu jagen. Sehr souveräner Kletterer. Fairer Preis, starke Reichweite, top Motor. Das Gewicht ist für ein Alu-Bike mit 750er-Powertube top.
¹Die Reichhöhe wurde bei standardisierten Messfahrten an einem Asphaltanstieg mit 12,2 Prozent Steigung ermittelt. Höchste Unterstützungsstufe, 150 Watt Tretleistung des Fahrers, Fahrergewicht inkl. Ausrüstung 89 kg. In Klammern die Höhenmeter im deutlich gedrosselten Notlauf-Modus. Die Durchschnittsgeschwindigkeit bezieht sich auf die Fahrt bei voller Unterstützung.
²Ermittelt auf den Prüfständen im EMTB-Testlabor, Gewicht ohne Pedale. Akku-Gewicht ggf. inkl. verschraubtem Cover.
³Herstellerangabe
⁴Stufentest, gemessen mit 36 Zentimeter erhöhtem Hinterrad
⁵Das EMTB-Urteil gibt den subjektiven Eindruck der Tester und die Ergebnisse der Reichhöhenmessung und der Labortests wieder. Das EMTB-Urteil ist preisunabhängig. EMTB-Urteile: super (ab 9,0), sehr gut (ab 8,0), gut (ab 7,0), befriedigend (ab 6,0), mit Schwächen (ab 5,0), darunter ungenügend.