Auf den ersten Blick vertuscht der Hauptrahmen des Sly sehr gekonnt, dass er der einzige in unserem Light-Vergleichstest um 6000 Euro aus Aluminium ist. Die Schweißnähte am Steuerrohr sind beim Mondraker formschön verschliffen. Besonders gelungen ist auch das Design des breiten Cockpits. Das Finish rund um den Dämpfer haben die Lackierer des spanischen Labels aber wohl noch kurz vor der Siesta fertig gemacht. Das geteilte Sitzrohr gehört zum Hinterbau-Konzept mit virtuellem Drehpunkt und fällt zugunsten der Bewegungsfreiheit mit abgesenktem Sattel besonders kurz aus. Wirklich „Light“ ist das Sly nicht. An der Waage ist das Bosch-System dem Antagonisten von TQ unterlegen. Für besonders viel Reichweite bei Bike und Fahrer können im Rahmendreieck aber Range-Extender und Trinkflasche gleichzeitig untergebracht werden.
Mondraker hat gleich drei Bikes mit Light-Motoren im Programm. Das Neat setzt als großer (und teurer) Bruder des Sly auf den TQ HPR 50. Das teure Superenduro Dune hat ebenfalls den Bosch SX. Der Motor hat gerade per Firmware Update einen kleinen Boost beim maximalen Drehmoment bekommen. Die Leistung war auch vorher schon top. Über 500 Watt sind kurzzeitig in der Spitze drin, vorausgesetzt man kurbelt ordentlich schnell.
Der Nachteil: So richtig dezent ist der Motor nicht, jedenfalls nicht im Mondraker. In unserem Testbike tönt der Motor deutlich hörbar, auch bei niedriger Unterstützung. Offenbar verstärkt der Rahmen die Motorgeräusche. Andere Bikes mit SX sind deutlich leiser. Mondraker setzt auf die übliche 400er Batterie, fest verbaut. Das moderne Kiox 400 C Display im Oberrohr ist hingegen ein klarer Mehrwert.
Neben dem Alu-Rahmen merkt man vor allem der Ausstattung an, dass sich Mondraker als Edel-Marke im Preisgebiet unter 6000 Euro nicht ganz leicht tut. Immerhin: Die elektronische S1000 Eagle Schaltung, kann sich sonst keiner im Testfeld leisten. Auf dem Trail würde eine bessere Bremse oder Gabel aber deutlichere Vorteile bringen. Speziell in langen Abfahrten macht Srams DB8 Stopper leicht die Hände müde. Tuning-Tipp: 220er Scheibe vorne und aggressivere Beläge nachrüsten.
Erst das Fahren, dann die Daten: In unseren Tests ziehen wir die Messungen aus unserem Labor meist erst nach dem ersten Fahreindruck zu Rate. Und beim Mondraker haben wir nicht schlecht gestaunt. Konventioneller Lenkwinkel, eher lange Kettenstreben, etwas hohes Tretlager: Das ist alles andere als radikal neu oder modern, funktioniert aber offenbar. Der Sitzwinkel fällt extrem steil aus.
Schon beim ersten Aufsitzen kommt die Position auf dem Mondraker stark vorderrad-orientiert rüber. Der steile Sitzwinkel und ein gemäßigter Reach mit kurzem Vorbau diktieren dem Fahrer eine kompakte Haltung. An sehr steilen Rampen hat das durchaus Vorteile. Dann kann man sich zwischen den Sattel und die hohe Front klemmen und sich vom markigen Bosch-Motor bergauf schieben lassen. Die langen Kettenstreben und die satte Fahrlage erleichtern den Push durchs Wurzelfeld. Dabei hängt der Hinterbau merklich tiefer im Federweg als bei den Konkurrenten von Canyon oder Merida und vermittelt viel Traktion. Die volle Power gibt der SX nur bei hoher Trittfrequenz ab. Leider summt der Motor in unserem Testbike sehr laut, vor allem wenn er warm läuft. Das Kettenblatt mit 34 Zähnen sorgt für eine stramme Übersetzung und erfordert an hochprozentigen Steigungen deshalb eine hohe Unterstützungsstufe – ein Ausstattungsdetail, das sich veile SX-Bikes teilen und welches in unseren Augen nicht ganz zum Light-Konzept passt. Strom sparen im Eco-Modus an Steigungen? Schwierig.
In der Abfahrt zeigt sich: Mondraker hat bei der konventionell wirkenden Geometrie offenbar einen Sweetspot getroffen. Hinter der hohen Front steht der Fahrer wunderbar integriert im Bike. Weder zu lang noch zu kurz lässt sich das Sly in jeder Trail-Situation gut handhaben und geht trotz langer Kettenstreben noch gekonnt aufs Hinterrad. Highlight ist der betont komfortable Hinterbau. Potent schluckt er große Schläge und nimmt auch kleine Unebenheiten aus der Strecke. Damit lassen sich den ganzen Tag ausgewachsene Enduro-Pisten unter die Stollen nehmen. Trotzdem sind dank stabilem Gegenhalt auch dynamische Absprünge drin. Die einfache Dämpfung der günstigen Gabel kann da nicht mithalten. Im mittleren Hub zeigt sie sich wenig beherrscht, beim Ausfedern erschwert ein mit lautem Schmatzen verbundenes Top-Out die Kontrolle. So ist die Führung an der Front trotz weichem Maxxgrip-Reifen limitiert. Auf Dauer anstrengend sind auch die schwachen Sram-DB8-Bremsen. Sie könnten ein Tuning vertragen.
Mondraker stellt ein begeisternd fahrstarkes Bike mit Alu-Rahmen auf die Reifen, mit dem man sich vor keiner Abfahrt und keinem Gegenanstieg fürchten muss. Hinterbau und Geometrie bilden eine leistungsstarke Basis, die jedoch durch ein hohes Gewicht und die einfache Ausstattung limitiert wird. - Jan Timmermann, Redakteur Test & Technik