Tief unter uns schimmert der Kalterer See. Vor uns türmt sich die Rampe auf. Bei unseren E-MTB Trailcamps ist das sonst kein Problem. Aber Leser Mario und ich haben uns entschieden, den Gott der Newtonmeter und Wattstunden herauszufordern. Die Tour ist schon halb vorbei, der Saft in unseren Batterien neigt sich dem Ende zu und dieses grob geschotterte Mistding mit 25 Prozent Steigung will und will nicht enden.
Unser Problem: Zwar sitzen Mario und ich auch auf E-MTBs, aber mit unseren Light-Bikes mit TQ-Motor fehlen uns fast 300 Watt zu unseren Mitfahrern mit klassischen Power-Motoren. Das ist, als hätten unsere Kollegen einen Tadej Pogačar mit an Bord, der zusätzlich in die Pedale tritt. Und ich beginne mich zu fragen, ob das so eine gute Idee war, mit Light-Bike bei einem klassischen E-MTB-Event an den Start zu gehen.
Motoren der 85-Nm-Klasse bestimmen noch immer den Markt. Sie wiegen meist knapp unter drei Kilo und leisten 500 bis 600 Watt in der Spitze. Mit großen Akkus sind auch sehr lange Touren bei hoher Unterstützung möglich.
Der Light-Markt ist wesentlich diverser als der Power-Bereich. Hier reicht die Spannbreite von echten Minimal-Assist-Lösungen (TQ, Specialized) bis zu einer mittleren Klasse (Fazua, Bosch SX, HPR 60) mit oft schon stattlichen Leistungswerten. Akkus liefern mittlerweile zwischen 360 und 580 Wattstunden.
Rückblende: 2020 erblickte das erste Levo SL das Licht der Welt und für viele in der Bike-Szene war klar: Das wird das nächste große Ding. Das Rad fuhr sich fast so leichtfüßig wie ein klassisches Mountainbike und bot doch spürbare Unterstützung bergauf. Schnellere Anstiege, mehr Abfahrten, längere Touren, so das Versprechen. Bis heute sind Light E-MTBs aber nicht zum Verkaufsschlager geworden. Sind diese Geräte doch zu speziell? Haben Konstrukteure und Hersteller das Thema Fahrspaß über- und die Reichweitenangst von E-Mountainbikern unterschätzt?
Beim EMTB-Trailcamp 2025 in Kaltern machen wir mit vier Lesern die Probe aufs Exempel. Mit der Rapcon-Reihe von Simplon stehen zwei fast baugleiche E-Mountainbikes zum Testen am Start. Ähnliche Geometrie, ähnlicher Federweg, doch der Motor macht den Unterschied. Bosch und TQ, 85 und 50 Newtonmeter, 600 und 300 Watt Spitzenleistung. Das sind die Eckdaten dieses Duells. Die meisten anderen Event-Teilnehmer sind übrigens auf klassischen Power-Bikes unterwegs. Nur hier und da sieht man vereinzelt Biker mit Boschs neuem SX-Motor.
Man braucht beim Light-Bike eine etwas höhere Trittfrequenz. Aber dann kann man sogar mit Power-Bikes mitfahren. Der Akku war auch nicht zu schnell leer, für lange Touren würde ich den Range-Extender aber mitnehmen. Aktuell habe ich noch ein klassisches Mountainbike und das E-MTB, langfristig könnte ich mir sogar vorstellen beide durch das Light-Bike zu ersetzen.
Im Uphill ist es mit dem TQ ein sportiveres Fahren. Man muss den Gang bewusster auswählen und kann sich nicht schieben lassen. Aber dann schafft man selbst steilste Anstiege. Echte Nachteile zum Power-Bike sehe ich hier nicht, auch nicht in fiesen Uphills. Hätte ich beide Bikes privat, würde ich vor allem für lange Touren mit anderen E-Bikern noch zum starken Bike greifen, für die
Hausrunde immer zum Light E-MTB.
Ich bin beide Systeme viel gefahren. Bei meinen 70 Kilo wirkt sich der Handling-Unterschied bergab deutlich aus. Das leichtere Rad braucht weniger Kraft und ist verspielter. Bergauf hat man aber keine Chance, bei einer Full-Power-Truppe locker mitzutreten. Für mich wäre deswegen ein leichtes Full-Power-Bike ideal. So könnte ich fürs Guiding die große Batterie nutzen und wäre sonst mit kleinem Akku fast auf Light-Niveau unterwegs.
Bei Trails mit mittlerem Anspruch sehe ich keinen enormen Handling-Unterschied. Auf schweren Trails und am Limit fühle ich mich auf dem Light-Bike aber sicherer. Selbst große Sprünge sind kein Problem, damit ist es sogar im Bikepark nicht fehl am Platz. Bei meinem Gewicht ist die Reichweite ausreichend, daher ist das Light-Bike für mich vielseitiger.
Der erste Tag mit anvisierten 1400 Höhenmetern soll Mario und mir zeigen, ob das wirklich hinhaut mit der Reichweite beim Light-Bike. Zusätzlich zum Hauptakku mit 360 Wattstunden steht uns ein Range-Extender in Trinkflaschenform (160 Wattstunden) zur Verfügung. Schaffen wir damit auch ohne Jockey-Maße und Super-Fitness die lange Tour? In der langen Schotterrampe kommen mir Zweifel. Doch der Akku hält schließlich doch länger als gedacht. Gerade in den unteren Unterstützungsstufen nuckelt der leistungsreduzierte TQ-Motor recht sparsam an der kleinen Batterie und genehmigt sich erst bei Vollgas große Schlucke aus der integrierten Pulle.
Erst auf den letzten Metern der großen Tour quittiert Marios Batterie den Dienst. Trotz 95 Kilo schwerem Fahrer und mittlerer Unterstützung hat der Akku also gerade so ausgereicht. Bei ausgeschaltetem Motor in Flachetappen und niedriger bis mittlerer Unterstützung ist bei mir sogar noch Saft für eine knackige Extrarunde drin. 18 Prozent zeigt die Batterie nach weiteren 300 Höhenmetern. Es ist die erste Überraschung des Tests: Für die teils deutlich kürzeren Touren anderer Tage oder für die Feierabendrunde auf dem Hometrail reicht der Aktionsradius der Light-Bikes also locker aus.
„Gerade wenn in der Gruppe eher moderat gefahren wird: Die Reichweite ist viel weniger ein Problem, als ich dachte,“ bringt es Tester Frank auf den Punkt. Und auch im Uphill schlägt sich das leichte Simplon mit TQ-Motor besser als gedacht. Klar: Üble Steigungen und grobes Gerumpel oder Steilstufen bergauf sind die Domäne klassischer E-Bikes. „Wenig Motocross-Feeling“ bestätigt Tester und Bikeguide Jonas. Doch auf normalen Trails bergauf und gerade in engen Kurven attestieren die Lesertester dem TQ eine leichtere Kontrollierbarkeit. Durch das besondere Getriebe ist der Schub immer sofort da. Einige sehr knifflige Spitzkehren bergauf, wo es auf Gleichgewicht und sauberes Handling ankommt bewältigt Tester Mario daher mit dem TQ-Bike auf Anhieb, während klassische Power-Biker reihenweise straucheln. „Super intuitiv. Das ist echt wie mit einem normalen Fahrrad, nur eben mit etwas mehr Kraft“, findet Mario.
Geht es bergauf, ist prinzipiell das Power-Bike im Vorteil. Klar: Mehr Leistung und mehr Reichweite stehen auf der Habenseite. Im Test zeigt sich aber, dass mit sportlichem Tritt und Extender auch für normale Fahrer mit Light-Bikes lange Ganztagestouren möglich sind. In Einzelfällen attestieren die Tester speziell den Light-Bikes mit TQ-Motor in unserem Vergleich leichte Vorteile auf engen und kurvenreichen Trail-Uphills, während das Power-Bike gerade mit etwas Eingewöhnung steile Anstiege auf ruppigem Untergrund für sich entscheidet.
Ob das überhaupt relevant ist, hängt vom Fahrer ab und davon ob anspruchsvolle Uphills im Alltag überhaupt stattfinden. Passt das unterschiedliche Tempo von Light- und Power-Bike auch auf Tour zusammen? Das schätzen die Leser ebenso unterschiedlich ein. Argumente wie die geringere Lautstärke von Light-Bikes ziehen übrigens nur bei wenigen. Unterwegs in der Gruppe gingen selbst die Geräusche von Power-Motoren ohnehin häufig in den Gesprächen und im Rollen der Reifen unter, sagen die Tester.
Geht es in die Abfahrt, fördert der Lesertest weniger Überraschendes zutage. Ja, Light-Bikes fahren sich handlicher als ihre starken Pendants. Ob das einen relevanten Unterschied macht, hängt vom Tester und vom Trail ab. „Für mich ist es nichts“, sagt etwa ein weiterer Teilnehmer, der nur für einen Nachmittag auf ein Light-Bike steigt. „Runter wäre das Light-Bike geil. Aber mit den Kompromissen bergauf steht das für mich nicht im Verhältnis.“
Auf schnellen und geraden Strecken liegen Light- und Power-Bike tendenziell nicht weit auseinander. Doch je steiler und kurviger es wird, desto mehr kann das Light-Bike seine Vorteile ausspielen. Es ist am Limit leichter zu kontrollieren und auch anspruchsvolle Manöver wie Hinterrad-Versetzen gehen spürbar besser von der Hand. Gerade wer mit dem Bike mal etwas auf dem Trail spielen oder springen will, profitiert zusätzlich vom niedrigeren Gewicht der Light-Bikes.
Sie lassen sich an kleinen Geländekanten mit weniger Krafteinsatz in die Luft oder auch leichter in den Manual ziehen. Linienwechsel gelingen auch weniger versierten Fahrern etwas besser. Im Gegenzug kann die stoische Natur von schweren Power-Bikes aber auch ein Vorteil sein. Wegen des höheren Gewichts liegen die Bikes oft auf ruppigem Untergrund etwas satter, verspringen weniger und vermitteln ungeübten Fahrern so mehr Sicherheit, solange die Kurven nicht zu eng werden. Gerade wer sich einmal an das Gewicht von Full-Power-Bikes gewöhnt hat, empfindet das als Vorteil.
Der Umstieg zurück aufs Power-Bike bringt wenig weitere Erkenntnisse. Die souveräne Leistung auf Tour finden aber ebenso Anklang, wie die höhere passive Fahrsicherheit und Laufruhe bergab. Auf dem Power-Bike ist man einfach eine Spur relaxter unterwegs, das Light-Bike ist klar mehr Sportgerät. Ob die Lesertester sich am Ende ein Light-Bike wirklich kaufen würden? Das EMTB-Camp bleibt gespalten. Wer vorher schon skeptisch war, ist es oft weiterhin. Unsere Lesertester, allesamt Handlingfans und eher sportliche Biker, ziehen ein erstaunlich positives Resümee. Light-Bikes sind besser als ihr Ruf, die Angst vor zu geringer Reichweite und zu wenig Motorpower ist oft unbegründet. „Vom Handling ist das Light-Bike näher am klassischen MTB,“ sagt Lesertester Frank am Ende. „Vom Aktionsradius und dem was man bergauf damit fahren kann, ist es näher am Full-Power-Bike. Für mich auf jeden Fall ein spannender Kompromiss.“
Trotz widriger Bedingungen mit Lesern die viel Motorleistung gewohnt sind, schlägt sich das Light E-Bike in unserem Testszenario erstaunlich gut. Spannendes Handling, gut ausreichende Reichweite für normale Touren – nur der oft hohe Preis von wirklich leichten E-Bikes bleibt für viele Leser das größte Hindernis. – Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik
Schon seit 2019 ist das EMTB Trailcamp im Gasthof Klughammer am Ufer des Kalterer Sees unser Event für actionreiches E-Mountainbiken. Erst unter der Flagge von EMTB, jetzt von BIKE stehen vier Tage feinster Südtiroler Trailspaß auf dem Programm. Unsere Guides rund um Karen Eller und Holger Meyer von den „Rasenmähern“ (Trailhunt, Father & Son Days) erkunden Jahr für Jahr vor dem Event die Region und stellen so die besten Touren in verschiedenen Schwierigkeitsgraden für das Event zusammen. Die Region rund um den See begeistert dabei mit abwechslungsreichen Trails von flowig bis steinig und verspricht schon im Frühjahr ein warmes Klima und mediterranes Flair. Neben den Touren selbst bieten wir Workshops zu Fahrwerksabstimmung, Bike- und Fahrtechnik und genießen zusammen Kulinarik und Weine der sonnenverwöhnten Region. Interesse? Der Termin für 2026 steht schon. Jetzt schnell anmelden!