Peter Nilges
· 28.11.2023
Noch vor wenigen Jahren produzierte Last ausschließlich Bikes mit Aluminium- oder Stahlrahmen. Ein Blick ins aktuelle Produktportfolio des deutschen Versenders aus Dortmund aber zeigt, wie sich der Schwerpunkt verlagert hat. Mit der Glen-/Coal-Plattform gibt es nur noch einen einzigen, letzten Alu-Rahmen im Programm, während die übrigen vier Modelle in Deutschland aus Kohlefaser gefertigt werden.
Um sich nicht nur optisch, sondern auch seitens der Geometrie den Carbon-Modellen anzunähern, bekommt das All Mountain Glen nun ein umfassendes Facelift. Last verzichtet beim neuen Glen, das nach wie vor durch den Tausch der beiden Umlenkhebel zum Enduro Coal umgebaut werden kann, auf den Schwung und das große Gusset am Oberrohr und setzt wie bei den Carbon-Modellen auf eine moderne, geradlinige Optik.
Auch an die Geometrie und die Details hat Last Hand angelegt. So wurde der Reach um etwa zehn Millimeter verlängert und das Sitzrohr für mehr Bewegungsfreiheit verkürzt. Bei unserem Test-Bike in Rahmengröße 175, was sich entsprechend an Fahrer um 175 Zentimeter Größe richtet, beträgt der Reach nun 462 Millimeter. Bei der nächsten Größe wächst dieser bereits um 30 Millimeter. Mit 63,4 Grad – in Verbindung mit einer 160er-Federgabel – wurde zudem der Lenkwinkel abgeflacht. Das Frontcenter (Abstand Tretlager zur Vorderradachse) wird also länger, was sich positiv auf die Laufruhe auswirkt, während das Heck mit 428 Millimetern trotz des 29er-Hinterrads auf der kurzen Seite liegt. Dadurch lässt sich das neue Glen nach wie vor sehr handlich und verspielt fahren und geht mühelos aufs Hinterrad. Auch auf engen, technischen Trails wirkt das leichte All Mountain keinesfalls sperrig und schneidet willig durch enge Kehren. Freunde eines 27,5-Zoll-Hinterrads haben zudem auch beim neuen Glen die Möglichkeit, einen MX-Umlenkhebel (ca. 100 Euro) zu verbauen, für noch mehr Bewegungsfreiheit in steilem Gelände.
Um etwas Progression am Hinterbau rauszunehmen, wurde auch die Kinematik minimal angepasst. Die Kennlinie des Hinterbaus und das Fahrgefühl bestätigen aber nach wie vor einen hohen Durchschlagschutz und Reserven – selbst bei stumpfen Landungen. Es muss schon ordentlich scheppern, bis der Dämpfer den kompletten Hub freigibt. Auf Feinheiten reagiert das Rockshox-Fahrwerk sehr gut, was insgesamt für eine hohe Traktion sorgt. Auch grobe Passagen verdaut das Glen ordentlich, auch wenn der Hinterbau mit 142 Millimetern deutlich weniger Federweg als die Gabel bereitstellt.
Bergauf profitiert das Glen von seiner Highend-Ausstattung, die jedoch mit rund 8700 Euro zu Buche schlägt. Dank des Online-Konfigurators bekommt man das Glen aber schon weitaus günstiger für rund 4000 Euro. Selbst mit Pedalen bleibt unser Test-Bike unter der 14-Kilo-Marke und reagiert leichtfüßig und direkt auf die Impulse des Fahrers. Mit nur 3158 Gramm trägt auch der schlanke Alu-Rahmen seinen Teil dazu bei, auch wenn die Rahmensteifigkeit mit 40 N/mm eher gering ausfällt. Selbst lange Anstiege bewältigt das Glen souverän und macht so auch auf tretlastigen Touren eine hervorragende Figur.
Wem der Hinterbau im offenen Modus zu stark pumpt, der kann die effektive Plattform am Rockshox-Dämpfer zuschalten. Allerdings könnte der kleine Hebel deutlich leichtgängiger funktionieren. Im Sitzen fällt sofort der mit 77,7 Grad sehr steile Sitzwinkel auf, der den Fahrer weit nach vorne rückt und so Druck auf das Vorderrad bringt. Das erleichtert das Klettern, sorgt aber auch für eine sehr kurze, gedrungene Sitzposition.
Auch die Optimierung der Haltbarkeit stand beim neuen Glen im Lastenheft. Um die Passgenauigkeit exakt zu überwachen, werden alle Lagersitze im Rahmen nach wie vor in Deutschland gefräst. Neu sind die zusätzlichen Gummidichtungen, die auf dem Sicherungsring angebracht sind und die Lebensdauer der Edelstahlkugellager erhöhen sollen.
Mit modernem Look und bewährten Tugenden präsentiert sich das neue Last Glen als verspieltes All Mountain mit geringem Gewicht. Mullet-Option und Federwegerweiterungen machen die Rahmenplattform zudem sehr flexibel. – Peter Nilges, BIKE-Testleiter
GESAMT BERGAUF: 60,25 von 90 Punkten
GESAMT BERGAB: 110,8 von 130 Punkten
¹Preis ggf. zzgl. Kosten für Verpackung, Versand und Abstimmung.
²Das BIKE-Urteil gibt die Labormesswerte und den subjektiven Eindruck der Testfahrer wieder. Das BIKE-Urteil ist preisunabhängig. BIKE-Urteile: super (250–205 P.), sehr gut (204,75–170 P.), gut (169,75–140 P.), befriedigend (139,75–100 P.), mit Schwächen, ungenügend.