Edel, outstanding, unkompliziert: Das war die Zielvorgabe bei der Entwicklung des neuesten E-MTBs von Haibike, dem All Mtn CF TRN/IQ (ausgesprochen: Tronik). Dafür setzen die Entwickler auf die innovative Motor-Getriebeeinheit MGU von Pinion und versprechen dadurch ein besonders intuitives Fahrerlebnis. Schalten, wann immer man möchte. Auch im Stand. Und keine Sorge mehr um verschlissene Ritzel oder falsch eingestellte Schaltungen. Im Automatikmodus wechseln die Gänge sogar komplett selbstständig ohne Eingriff vom Fahrer. So sollen sich Biker ganz entspannt auf den Trail, die Berge, den Fahrspaß und Genuss konzentrieren können.
Die Vorteile der Pinion MGU sind nicht neu. Bereits im Sommer 2023 überraschte der schwäbische Getriebespezialist mit dem innovativen Antrieb und dem Ziel, die E-Bike-Branche umzukrempeln. Doch der anfängliche Hype um das System ebbte mit der Branchenflaute der letzten Jahr etwas ab. Das neue Haibike dürfte der Motor-Schalt-Kombi wieder neuen Schwung geben. Zumal das TRN/IQ mit einem neuen FIT-Display und einem neuen FIT-Akku auch technisch auf dem neuesten Stand ist. Für Haibike ist dieses E-MTB der nächste Schritt in Richtung Systemintegration und Automatisierung. Ein Steckenpferd der Schweinfurter Entwickler.
Auch wenn Haibike selbst seinen Neuling als gediegenen Tourer beschreibt, stecken durchaus sportliche Gene in dem All Mountain. Der Vollcarbonrahmen ist gewohnt durchgestylt und wirkt hochwertig. Mit 160 Millimetern Federweg ist das AllMtn TRN/IQ auch für ernstes Gelände gewappnet. Dazu kommen Mullet-Laufräder mit 29 Zoll vorne und 27,5 Zoll im Heck. Spannend: Der Rahmen wird in Portugal gefertigt und das ganze Bike setzt den Fokus auf Made in Europe. Auch hier passt die schwäbische MGU von Pinion bestens ins Konzept, denn ein Großteil ihrer Bauteile stammt aus der Region um den Firmensitz in Denkendorf.
Die Kehrseite: Ingenieurskunst und Regionalität haben ihren Preis. Wie alle Pinion-E-MTBs ist auch das neue TRN/IQ kein Schnäppchen. Der Einstiegspreis liegt bei üppigen 8500 Euro und unser Testbike für 10 000 Euro verzichtet auf einigen Luxus, den andere E-Fullys für so viel Geld schon liefern. Insbesondere bei Laufrädern und Bremsen könnte man zu diesem Preispunkt etwas mehr Glanz erwarten.
Ausstattungsseitig ist das Haibike AllMtn CF 11 TRN/IQ auf der robusten Seite unterwegs. Dicke 38er-ZEB-Gabel, robuste Reifen mit DH-Karkasse im Heck: das sind Enduro-Parts, die auch im harten Gelände voll mithalten. Gewichtstechnisch landet das Bike damit bei 24,4 Kilo. Bei Weitem kein Rekordwert für ein teures All Mountain, doch im Vergleich mit anderen Pinion-Bikes ist das recht leicht.
Denn die MGU bringt systembedingt mehr Gewicht mit, als ein Bosch- oder Shimano-Motor mit klassischer Kettenschaltung. Dafür ist die Gewichtsverteilung besser. Die 4,1 Kilo der MGU sitzen tief und zentral im Bike, das Hinterrad fällt leichter aus. So liegen E-Fullys mit dieser Technologie in der Regel satter auf dem Trail und die Heckfederung kann aufgrund der geringeren ungefederten Masse freier arbeiten.
Bei den Bedienelementen und Akkus arbeitet Pinion eng mit dem Systemanbieter FIT zusammen. Die Schweizer stellen Batterie, Display, Remote und App bereit. Neu im Programm ist der Akku Intube 800, der mit knapp 3,9 Kilo ein ordentliches Gewicht aufweist. Die Batterie ist mit einem Schloss gesichert und kann schnell und einfach nach vorne aus dem Unterrohr geklappt werden. Auch das Display Master Node ist neu.
Die Reichweite des Pinion-Systems schneidet in unseren Tests etwas unterdurchschnittlich ab. Daran ändert auch der neue 800er-Akku nichts. Gut 1600 Höhenmeter erkletterten wir in unserem standardisierten Reichweitentest auf höchster Unterstützungsstufe. Andere Systeme mit 800 Wattstunden schaffen mehr, allen voran das effiziente Bosch-System, das im Schnitt mit Powertube 800 unter identischen Bedingungen rund 2000 Höhenmeter packt.
Tatsächlich drückt der neu designte Hinterbau dem Fahrerlebnis seinen Stempel auf. Auf dem Trail ist der Neuling ein echter Sportler. Wer es stehen lässt, bekommt genau das richtige Maß an Support. Definiert und dennoch super schluckfreudig filtert der Hinterbau kleine Schläge und große Brocken heraus. Das ist erstklassig. Die Geometrie animiert ebenfalls zum Gas geben und verleiht schnellen Fahrten einiges an Fahrsicherheit.
Nicht ganz ideal für diese Gangart ist die flache Front. Trotz aller Spacer unter dem Vorbau hätten wir uns einen Lenker mit mehr Rise gewünscht, um noch besser integriert im Bike zu stehen. Gerade in steilen Abfahrten würde das noch mehr Sicherheit geben.
Auch auf zahmen Trails fährt sich das Bike gut. Doch bei schneller und sportlicher Gangart ist es mehr in seinem Element, als im gemütlichen Bummel-Modus. Wer ein explizit agiles und verspieltes Bike sucht, könnte ebenfalls nicht 100 Prozent glücklich werden. Doch in Anbetracht der Nehmerqualitäten des neuen TRN/IQ bleibt das Bike noch gut und ausgewogen zu handeln. Angenehm: das neue Haibike bleibt bergab – ob Flowtrail oder Gerumpel – richtig schön leise!
Leise? Das kann man bergauf leider nicht behaupten. Wenn es steil wird, tönt die MGU lauter und auffälliger als die Konkurrenz. Doch in Sachen Fahrperformance macht das Haibike auch im Anstieg einen guten Job. Im Uphill behält das Vorderrad trotz kurzer Kettenstreben gut die Führung, denn der Fahrer sitzt zentral im Bike.
Dank starker Traktion im Heck nimmt das TRN/IQ auch technische Schlüsselstellen sehr souverän. Die Modulation des Pinion-Motors kann allerdings nicht mit der Performance der Bosch-Konkurrenz mithalten. Der Schub ist ab und an etwas ungestüm und das Aggregat reagiert nicht so sensibel und direkt auf den Fahrerinput. Auch der geringe Nachlauf verhindert noch mehr Uphill-Stärke. An Kraft und Leistung fehlt es der MGU hingegen nicht.
Im Gelände kann das neue Haibike mit sportlicher Attitüde überzeugen - ein echtes Mini-Enduro! Die Vorteile der Pinion MGU bei Wartung und Dauerhaltbarkeit sind verlockend. Dafür muss man allerdings mit dem speziellen Charakter dieses E-Antriebs zurecht kommen. Ein extravagantes Paket mit Rahmen made in Europe! - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE Magazin
Die Modellpalette des Haibike AllMtn CF TRN/IQ ist übersichtlich. Zwei Ausstattungsvarianten stehen zur Wahl, die beide auf das identische Chassis und das gleiche Antriebssystem bauen. Los geht’ s erst bei 8500 Euro - damit bleibt auch dieses Pinion-E-MTB der hochpreisigen Liga vorbehalten.