Bei vielen Herstellern unterscheiden sich die teuren und die billigeren Modelle einer Reihe nur durch die Ausstattung. Rahmen, Motor, Geometrie und Grundkonzept bleiben gleich. Beim Propain Ekano 2 ist das anders. Der deutsche Versender bietet sein E-Enduro in zwei grundsätzlich unterschiedlichen Ausführungen an. Das Ekano 2 AL besteht komplett aus Alu, wird nur als Mix-Variante mit kleinerem Hinterrad angeboten und vom Shimano-Motor EP801 oder EP6 angetrieben. Die Carbon-Version Ekano 2 CF ist dagegen eines der wenigen Bikes am Markt, in dem der Sram Eagle Powertrain mit vollautomatischer Schaltung steckt. Der Vollcarbon-Rahmen lässt die Wahl zwischen einem 27,5-Zoll-, oder einem 29er-Hinterrad. Weiterer Unterschied: Das Heck des CF ist progressiver abgestimmt.
Nahezu identisch dagegen ist die Geometrie unserer beiden Testbikes. Lediglich die Kettenstreben sind bei der Alu-Variante, dank kleinem Hinterrad, fast einen Zentimeter kürzer. Dadurch wird auch der Radstand etwas kompakter. Das haucht dem Alu-Bike einen etwas freeridigeren, weniger racigen Charakter ein.
Nur marginale Unterschiede gibt es in Sachen Akku: 626 Wattstunden soll die Shimano-Batterie bereithalten, 630 Wattstunden gibt Sram für seinen Energiespeicher an. Bei der Reichweite zeigt sich das Sram-System in unserem Test minimal effizienter. Obendrein ist die Batterie fast 400 Gramm leichter. Der Punkt geht also ganz klar an das CF-Modell.
Doch worin begründet sich der enorme Preisunterschied von 6655 Euro? Während am Ekano AL überwiegend einfache Komponenten verbaut sind, glänzt am CF eine Prunkausstattung allererster Güte: Die komplette Sram AXS-Gruppe (ohne die kabellose AXS-Transmission-Schaltung ist das CF übrigens gar nicht zu haben, denn nur damit funktionieren der Powertrain-Antrieb und die dazugehörige Schaltautomatik), der Crankbrothers Carbon-Laufradsatz, eine Rockshox ZEB-Ultimate-Gabel und die Sram Code RSC-Bremsen lassen kaum Wünsche unerfüllt. Weit mehr als das Doppelte muss man für unseren Highend-Boliden hinblättern im Vergleich zum günstigen Einstiegs-Enduro.
Doch genug der Theorie, ab zum Praxistest – erst nach Bozen, danach noch an den Gardasee. Ruppige, felsige Abfahrten und teils technische und sehr steile Anstiege mit bis zu 1200 Höhenmetern am Stück standen auf dem Programm. Bergauf vermitteln beide Propains einen sehr guten Eindruck. Die PRO10-Hinterbaukinematik mit schwimmend aufgehängtem Dämpfer vor dem Sitzrohr hält das Heck stabil im Hub und arbeitet sehr feinfühlig. Die Sitzposition ist ausgewogen. In sehr felsigen Passagen rollt das Carbon-Bike mit dem großen Hinterrad etwas geschmeidiger und bietet noch bessere Traktion. Der bekannte Vorteil des großen Laufrades ist ein spürbares Plus. Und durch die längeren Kettenstreben bleibt das Bike an Steilstufen leichter kontrollierbar. Auch der Sram-Motor ist eine ganz andere Hausnummer als der Shimano EP6.
Die enorme Durchzugsstärke und Kraftentfaltung, egal bei welcher Kadenz, schiebt das Ekano 2 CF gnadenlos bergan. Der günstige Shimano fällt hier spürbar ab. Die Lautstärke unterscheidet sich nicht drastisch. Der Shimano surrt etwas heller, der Sram brummelt tiefer – beide nicht unangenehm, aber hörbar. Interessant ist, dass man bei Sram nur zwei Modi zur Auswahl hat: Range oder Rallye. Im Rangemodus ist der Power-Output reduziert, im Rallye-Modus steht die volle Kraft zur Verfügung. Die beiden Modi kann man in der App feinjustieren. Die größere Auswahl beim Shimano, ebenfalls in der App einzeln anpassbar, bietet mehr Spielmöglichkeiten und Varianz auf Tour. Wer will, kann sich sogar bis zu 15 Modi konfigurieren. Ob zwei Stufen ausreichen, bleibt Geschmacksache. Das spiegelt sich auch in ganz unterschiedlichen Meinungen in unserem Testteam wider.
Als Spielwiese kann man auch den Auto-Shift-Modus der Sram Eagle Transmission Schaltung im Carbon-Ekano bezeichnen. Je nach Kadenz legt das System automatisch den passenden Gang ein. Zumindest nach Meinung des Algorithmus. Auch hier kann man feintunen – und unterschiedlicher Meinung sein. Bergauf funktioniert die Automatik ziemlich passend, auch wenn sie manchmal verzögert arbeitet und nicht immer 100-prozentig den Geschmack des Fahrers trifft. Da man immer auch manuell schalten kann, ist das kein großes Problem. Aber eben auch kein Muss. Da der Sram-Motor aber insgesamt so viel kraftvoller und durchzugsstärker arbeitet und das größere Laufrad hinten die bessere Traktion liefert, ist das CF bergauf einfach das bessere E-Bike.
Bergab sind beide Propain Ekanos eine Macht und bieten enorme Sicherheit, gepaart mit hohem Spaßfaktor! Das Fahrwerk von Propain ist beim Ansprechverhalten, bei der Progression und der Balance ein Gedicht und liefert echtes Staubsaugerfeeling. Interessanterweise wirkte der Hinterbau des Carbon-Bikes noch besser. Einen Schluckvorteil des Stahlfederdämpfers gab es nicht. Eher im Gegenteil, was neben der angepassten Kinematik und dem hochwertigeren Dämpfer auch am großen, überrollfreudigeren Hinterrad liegt. Es hängt sich nicht so leicht an Steinkanten auf, rollt geschmeidiger und nimmt dank größerer Schwungmasse besser die Energie mit. Das sind für sich alles nur kleine Unterschiede, die sich aber im direkten Vergleich aufsummieren und das CF zum deutlich souveräneren Abfahrer machen. Weil das CF in engen Kehren aber trotz größerem Hinterrad und etwas längerem Radstand nicht unhandlicher wirkt, muss sich das Alu-Modell auch bergab geschlagen geben. Aber der Abstand ist nicht riesig und das Fahrverhalten bei beiden Bikes wirklich auf höchstem Niveau.
Die Auswahl beim Ekano 2 ist wirklich riesig – dank unzähliger Konfigurationsmöglichkeiten. Schon das AL-Modell bietet richtig starke Fahreigenschaften. Zum getesteten Grund-Set-up sollte man aber noch in einige Updates investieren. So oder so: Das CF legt in vielerlei Hinsicht noch eine Schippe drauf. Wer beste Fahrleistungen will, kommt am CF-Modell aus unserer Sicht nicht vorbei. Den besseren Preis-Leistungs-Mix bietet das Alu-Modell. - Christian Schleker, Testautor für EMTB