Florentin Vesenbeckh
· 21.08.2024
Das Giant Trance X Elite ist ein Sonderfall unter den leichten E‑Mountainbikes. Denn für Schub sorgt kein minimalistischer Light-Motor, sondern der Syncdrive Pro 2 MG mit vollen 85 Newtonmetern. Im Vergleich mit einem Shimano EP801 oder einem Bosch Performance Line CX ist der zwar kein Kraftprotz, gegen die Light-Konkurrenz aber allemal! Schnelle Bergfahrten oder kniffelige Anstiege gelingen deutlich leichter als mit einem Fazua, Bosch SX oder erst recht den Minimalisten von Specialized oder TQ. In unserem großen Motorentest stach der Syncdrive Pro 2 MG als leichtester Power-Motor heraus. Damit eignet er sich ideal für Giants Konzept: Light E-MTB mit voller Motorpower.
Allerdings muss man bei diesem kräftigen Antrieb in Kombination mit dem fest verbauten Akku mit gemäßigten 400 Wattstunden bewusst Strom sparen, um lange Touren zu überstehen. Denn selbst in den mittleren Modi schiebt das Aggregat noch recht kräftig an. Trotz schwererem Motor hält Giant das Gewicht seines Flitzers einigermaßen im Zaum. Mit 20,3 Kilo ist es knapp das schwerste Bike in unserem Vergleich von sieben Light E-MTBs bis 6600 Euro. Insbesondere die Konkurrenz mit Carbonrahmen und fest verbautem Akku ist noch mal eine Ecke leichter. Doch auch das Giant darf sich zu Recht „Light-E‑MTB“ nennen. Die Ausstattung ist stimmig, nur der schmächtige Hinterreifen mit Exo-Karkasse könnte mehr Pannenschutz vertragen. Positiv sticht die lange Teleskopstütze mit 200 mm Hub heraus, die zudem im Verstellweg justierbar ist.
Giant setzt auf den klassischen Yamaha-Motor mit Magnesium-Gehäuse, der satte 85 Nm maximales Drehmoment liefert. Spürbar stärker als die Konkurrenz, doch mit 2,6 Kilo auch schwerer. Allerdings kann Giant die Physik beim Thema Reichweite nicht austricksen. Fakt ist: Mit dem kompakten 400er im Elite kommt man nur gut halb so weit, wie mit dem 800er in Giants klassischen E-MTBs. Zumal alle bis auf die unterste U-Stufe im Elite-Modell viel Leistung abrufen. Wer mehr als nur eine kleine Hausrunde fahren will, muss also bewusst Strom sparen. Auch ein Feintuning der U-Stufen in der App für weniger Leistung in den untersten drei Unterstützungs-Modi lohnt sich. Optional: Range Extender mit 200 Wh in Trinkflaschenform (599,90 Euro).
Betont kompakt und trailig fällt das Giant Trance X aus. Damit will Giant ein agiles und verspieltes Handling garantieren. Nehmerqualitäten standen weniger im Lastenheft. Selbst in der flachen Einstellung ist der Lenkwinkel eher steil und der Radstand eher kurz. Das Tretlager liegt auffällig hoch.
Die E‑MTBs von Giant stechen durch teils extreme Geometrien aus der Masse heraus. Doch bei ihrem Light-Bike schlagen die Entwickler andere Töne an. Das kompakte Trance Elite ist gemäßigt gehalten, und das wird im Praxistest auch direkt deutlich. Auffällig ist der hohe Komfort. Sowohl die Sitzposition als auch das fluffige Fahrwerk gestalten lange Ausfahrten zur entspannten Unternehmung.
Dabei sticht auch das agile und zugleich intuitive Handling heraus. Keine abkippende Lenkung, kein störrischer Geradeauslauf – das gefällt beim Cruisen durchs Gelände. Mit seiner handlichen Geometrie sorgt das Giant für viel Fahrspaß. In dieser Hinsicht geht das Konzept von voller Motorpower und trotzdem leichtfüßigem Fahrgefühl also absolut auf. Nur das übliche Motorklappern, das man auch von Shimano und Bosch kennt, dämpft die Trail-Euphorie etwas.
Wenn der Untergrund rauer und der Trail steiler wird, kann das starke Fahrwerk ebenfalls punkten, denn es erzeugt viel Bodenhaftung. So richtig Gas geben will man im harten Geläuf aber nicht. Hier werden die gemäßigten Reserven der zahmen Geometrie und auch der Reifen spürbar. Das Giant bleibt damit klar Trailbike und tendiert bewusst nicht zum Mini-Enduro. Bergauf drückt der kräftige Motor der Fahrt seinen Stempel auf. Im Vergleich zu allen Light-Antrieben hält er massig Reserven parat. So bleibt man in schwierigen und steilen Passagen erst mal gelassen. Doch auch hier hat die Geometrie nicht extremes Gelände priorisiert. Schwierige Uphills müssen bewusst und aktiv gezähmt werden. Sonst lupft das starke Giant schnell mal unkontrolliert das Vorderrad.
Volle Motor-Power bei geringem Gewicht: Dieser Spagat ist am Markt selten und macht richtig Spaß. Giant verpackt die Kombi in ein agiles und spritziges Paket für Trails und Touren. Im harten Gelände gibt es laufruhigere Bikes. - Adrian Kaether, Testredakteur EMTB Magazin