Florentin Vesenbeckh
· 03.02.2025
Seit 2024 gibt das spanische Motorradlabel Gasgas auch mit seinem E-Bike-Ableger richtig Gas. Für Aufsehen sorgte vor allem das Race-Enduro ECC, mit dem ein motiviertes Team im E-Enduro-Worldcup auf Sekundenjagd ging. Das MXC, das wir hier getestet haben, ist die „kleine“ All-Mountain-Plattform des Stahlfeder-Enduros Gasgas ECC (hier im Test). Die beiden Bikes haben das wertige Carbon-Chassis und den Sram-Antrieb Powertrain gemein. Der Unterschied liegt in erster Linie im Federweg und der Ausstattung.
Mit 160/140 Millimetern Hub soll das MXC der ideale Allrounder für Touren und Trails sein. Die Optik mit feurigem Rot und wuchtigen Rahmenabdeckungen im MX-Style polarisiert. Doch neben seinem Look hält das Bike auch technisch einige Besonderheiten parat. Allen voran das WP-Fahrwerk, das auf eine besondere Dämpfungstechnologie (Cone Valve) setzt, die man sonst im Mountainbike-Bereich nirgends findet.
Es gibt nicht viele Bikes mit dem E-Antrieb von Sram. Gasgas war einer der Launch-Partner beim Einstieg der Amerikaner und setzt bei all seinen Highend-E-Mountainbikes auf das Sram System. Hardwareseitig ist der Motor mit dem drehmomentstarken Brose Drive SMag identisch. Doch zu etwas besonderem wird der Powertrain durch die Vernetzung mit Srams Transmission-Schaltung. Der Motor ist mit der Schaltung gekoppelt und so werden auf Wunsch vollautomatische Gangwechsel möglich. Außerdem kann man mit dem Powertrain im Rollen auch Schalten, ohne zu treten.
Die Bedienung des Sram-Antriebs ist bewusst simpel gehalten und klappt intuitiv. Ob die geringe Informationstiefe des Displays und die Beschränkung auf nur zwei Unterstützungsstufen eher Fluch oder Segen sind, bleibt Geschmacksache. Das gilt auch für das sonore Brummen des Antriebs. Denn so leise, wie Broses SMag einst noch war, ist der Sram Powertrain mit identischer Hardware nicht mehr. Im Test viel die Geräuschkulisse aber als eher angenehm und unauffällig auf.
Saft bekommt der Sram-Antrieb im Gasgas MXC von einer Batterie mit 630 Wattstunden. Der Akku kann simpel und schnell entnommen werden und fällt obendrein angenehm leicht aus. Der Befestigungsmechanismus kann nicht gerade als Schnellverschluss bezeichnet werden, doch durch den Schraubmechanismus sitzt die Batterie sicher, fest und klapperfrei im Rahmen.
Bei der Größenwahl des Gasgas MXC ist etwas Vorsicht geboten. Denn L ist die größte von drei Größen und fällt eher wie ein klassisches XL aus. Somit ist unser Testbike länger und größer als die meisten anderen Bikes dieser Rahmengröße. Zudem gönnt sich Gasgas den Luxus von mitwachsenden Kettenstreben. Bei unserem Testbike in Größe L summiert sich das auf einen üppigen Radstand von 1295 Millimetern. Und das, obwohl der Lenkwinkel mit 65 Grad eher moderat ausfällt. Ebenfalls auffällig und passend zum langen Reach: der hohe Stack. Doch dank eher flachem Lenker und flachem Steuersatzabschluss sitzt die Lenkzentrale nicht unangenehm hoch.
Für 10.000 Euro greift Gasgas in den meisten Fällen ganz oben ins Regal. Srams X0-Funkschaltung, Code RSC-Bremsen, eine kabellose Teleskopstütze von Rockshox und hochwertige Alu-Laufräder von Newmen - hier gibt´s nichts zu meckern.
Damit brilliert das Gasgas MXC 6 im Downhill, wo es sich satt und sicher seinen Weg bahnt. Neben der Länge hat daran auch das Fahrwerk großen Anteil. Die Gabel nimmt kleine wie große Schläge erstaunlich souverän heraus. So kommt kaum etwas vom Untergrund beim Fahrer an, selbst wenn die Abfahrt ruppig ausfällt. Die tief integrierte Fahrposition hinter der hohen Front verstärkt das Sicherheitsgefühl. Gerade auf anspruchsvollen, langen Abfahrten überzeugt der unaufgeregte und kraftsparende Charakter.
Dass das Heck nominell zwei Zentimeter weniger Hub hat, fällt dabei nicht negativ auf. Eher kritisierten die Tester ein etwas undefiniertes Gefühl oder mangelnden Gegenhalt im Fahrwerk. Hier gilt es, allein an der Gabel die insgesamt 46 Einstellpositionen der High- und Lowspeed-Druckstufe exakt anzupassen. Das erfordert etwas mehr Aufwand und Erfahrung als bei den meisten anderen Fahrwerken. Wirklich flink und handlich mag das Gasgas aber auch nach einer Extrarunde beim Setup nicht über die Trails wieseln. Es priorisiert Laufruhe und Fahrsicherheit. Und das macht es richtig gut. Für ein All Mountain landet das MXC schon recht nahe an der Enduro-Kategorie. Angenehm leise ist es obendrein. Doch die Reifen dürften bei so viel Abfahrtsstärke gerne noch robuster ausfallen.
Auch bergauf ist das Bike sehr souverän unterwegs. Der Motor schiebt stoisch und mit ordentlichem Drehmoment, während der Fahrer gestreckt überm Bike Platz nimmt und die Heckfederung auch feine Schläge herausfiltert. Dank steilem Sitzwinkel und eher langen Kettenstreben braucht man sich über ein steigendes Vorderrad oder mangelnde Führung kaum Gedanken machen.
Das MXC von Gasgas ist die Überraschung in unserem großen Vergleichstest. Auf dem Trail kann es mit einer schlafwandlerischen Sicherheit und massig Traktion überzeugen. Neben der langen Geometrie punktet dabei vor allem das besondere Fahrwerk. Der Preis ist happig, doch aktuell gibt es drastische Rabatte auf die Gasgas-Flotte. - Florentin Vesenbeckh, Testredakteur BIKE Magazin