Bei einem E-Mountainbike von "günstig" zu sprechen, ist schwierig. Dünnes Eis, sozusagen. Schließlich bekommt man für die gut 4500 Euro, die unsere beiden Duellpartner kosten, schon einen gebrauchten Kleinwagen. Doch die Realität ist: Günstiger gibt es kaum Räder, die für einen ernsthaften Einstieg in den Mountainbike-Sport tauglich sind. Aber was leisten das Focus Jam² 6.7 und das Megamo Flame AL 20 im Gelände?
Völlig klar: Bei der Ausstattung darf man bei diesen beiden Bikes keine Wunder erwarten. Geschaltet wird an beiden Rädern mit Shimanos Cues 6000 mit nur 10 Gängen (hier im Test) und damit einer eingeschränkten Bandbreite von 436 Prozent. Üblich sind bei E-Mountainbikes sonst 12 Gänge und eine Bandbreite von 510 bzw. 520 Prozent. Auch bei den günstigen Alu-Laufrädern merkt man den Preisdruck, mit dem die Produktmanager kalkuliert haben.
Insbesondere bei Focus fallen die Laufräder extrem schwer aus. Und das, obwohl die Reifen mit dünner Exo-Karkasse (zu) wenig Pannenschutz liefern. Auch hier nehmen sich die beiden Bikes wenig, denn mehr als die günstigste Maxxis-Ausführung ist bei beiden nicht drin. Megamo schlägt mit den gering profilierten Rekon-Reifen allerdings eine betont zahme Richtung an. Effizienz beim Streckemachen steht vor Fahrstärke im Gelände. Das Minion DHF-Profil am Focus suggeriert mehr Grip und damit Geländekönnen.
Die Reifenwahl zeigt einen grundlegenden Unterschied, der sich auch in der Auslegung der beiden Bikes wiederfindet. Logisch, dass auch die Fahrwerke nicht aus den obersten Preisbereichen stammen. Egal ob das günstige Rockshox-Paket am Focus oder die Suntour-Elemente am Megamo: Grundsätzlich kann man sich mit diesen Parts ohne Sorge in anspruchsvolleres Gelände wagen. Wer hohe Ansprüche an Dämpfungskontrolle hat und seinem Bike auch auf Trails richtig die Sporen geben will, muss aber auch hier klare Abstriche machen. Das gilt auch für die Bremsen. Egal ob Srams DB8 am Focus oder Shimanos MT420 mit den überlangen Hebeln am Megamo: Die Bremsqualität ist voll in Ordnung – mehr aber auch nicht.
Beim E-Antrieb setzen beide Bikes hingegen auf absolute Top-Ware. Boschs Performance CX ist mit seinem dynamischen Schub ein echter Kletterkünstler. Nach dem neuesten Software-Update liefert er mit 100 Nm und bis zu 750 Watt zudem mehr als ausreichend Schub. Hier gibt's keine Abstriche. Nur die Reichweite fällt mit den kleineren Powertube 600 Batterien etwas geringer aus. Beide Bikes gibt es auf Wunsch aber auch mit den dicken 800er-Akkus. Bei Focus für 300 Euro Aufpreis, bei Megamo für 200. Aber Achtung: Die großen Energieträger bringen knapp ein Kilo mehr auf die Waage.
Beim Thema Gewicht sind wir bei einem wunden Punkt: Obwohl die Bikes nicht gerade auf harte Downhills ausgelegt sind, fallen sie mit über 25 Kilo schwer aus. Schon mit den 600er-Akkus. Das Focus ist nochmal 800 Gramm schwerer, zudem hemmen die sehr schweren Laufräder den flinken Vortrieb. Neben der Spar-Ausstattung sind natürlich auch die Alu-Rahmen für die üppigen Pfunde zuständig. Während das Chassis des Megamo etwas grob und der Kettenstrebenschutz zu minimalistisch ausfällt, sieht man dem Focus deutlich mehr Mühe bei der Verarbeitung und den Details an. Die verschliffenen Schweißnähte, der großzügige und effektive Rahmenschutz, das gummierte Akku-Cover – alles hinterlässt einen hochwertigen Eindruck. Dazu kommt eine hohe Gewichtsfreigabe von 150 Kilo Systemgewicht. Dem stehen schlanke 120 Kilo bei Megamo gegenüber.
Doch genug des Vorgeplänkels. Während sich die Eckdaten der Bikes erstmal stark ähneln, offenbaren sich im Praxistest ganz unterschiedliche Charaktere. Das Flame zeigt, wo die spanische Marke Megamo ihren Ursprung hat: Im sportlichen Race- und Marathon-Bereich. Die Sitzposition fällt gestreckt aus und das tiefe Cockpit zieht den Fahrer lang übers Bike. Wer ein raciges Langstreckenbike gewohnt ist, wird sich hier wohl fühlen.
Ganz anders empfängt das Jam² seinen Piloten. Die Front thront hoch oben, das Cockpit ist breit. Tendenziell kompakt und aufrecht sitzt man komfortabel im Bike. Geht es steil bergauf, machen beide Konzepte eine gute Figur. Das Focus platziert den Fahrer zentral, so behält man auch in technischen Passagen gut die Kontrolle. Das komfortable Fahrwerk gibt zudem eine Menge Traktion, die der Bosch-Motor in Vortrieb umsetzt.
Das Megamo hat durch sein langes Heck und das tiefe Cockpit mit steilen Stichen noch weniger Probleme. Sind allerdings aktive Manöver gefragt, sitzt man zu weit hinten, um das Bike gelassen in der Spur zu halten. Den Sattel weit nach vorne schieben hilft etwas. Auf rutschigem Untergrund kann die starke Heckfederung das schwache Profil der Reifen nicht verbergen und es kommt zu Traktionsverlust.
Auf langen Touren bleibt es eine Glaubensfrage: Will man sportlich lang auf dem Bike sitzen und effizient Kilometer sammeln, fällt die Wahl klar auf den Spanier von Megamo. Wer gerne etwas aufrechter und betont komfortabel Platz nimmt, wird von den Stuttgarter Focus-Machern besser bedient.
Günstige Reifen, günstige Federelemente und Bremsen: Im ernsten Geländeeinsätze hemmt der Sparzwang in der Regel besonders. Sind die beiden Duellanten also abseits des Forstweges überfordert? Das Jam² zeigt sich vom Charakter als echter Trail-Allrounder. Die Fahrposition ist modern und stimmig, der Fahrer nimmt sicher hinter der hohen Front Platz. So lässt sich das Bike sicher, spaßig und mit Zug durchs Gelände scheuchen oder auch über schwerere Abfahrten dirigieren.
Der günstigen Psylo-Forke am Focus fehlt bei zünftiger Fahrweise etwas Dämpfungskontrolle, das hemmt etwas, der Hinterbau könnte mehr. Auch die mäßig pannensicheren Reifen sind nicht gerade ein Garant für sorgenfreies Gas geben. Für Trail-Fans lohnt sich hier ein Update deutlich! Doch alles in allem trifft Focus mit dem Alu-Jam einen guten Sweetspot zwischen Fahrsicherheit und Wendigkeit. Das zeigt sich auch in der günstigen Einstiegsvariante, die wir hier getestet haben.
Das Flame AL offenbart auch in der Abfahrt einen ganz anderen Charakter. Auffällig ist die Fahrposition. Der lange, tiefe Vorbau streckt den Biker auch im Stehen etwas tiefer übers Bike. Ungewöhnlich für ein E-Mountainbike dieser Federwegsklasse. In Kombination mit den langen Kettenstreben braucht man sich über zu wenig Druck am Vorderrad keine Gedanken machen. So zieht das Flame eher geradlinig seine Bahnen, statt quirlig über den Trail zu cruisen. Wenn es steil wird, gibt das weniger Fahrsicherheit und man tut sich schwerer, bei harten Schlagabfolgen gelassen im Bike zu stehen. Mit einem anderen Cockpit – kurzer Vorbau und Riser-Lenker – könnte man die Fahrposition deutlich anpassen.
Dafür pariert der Hinterbau Schläge aller Art sehr souverän. Man spürt, dass hier einiges an Hub und Schluckvermögen vorhanden ist. Die Gabel hat nominell einen Zentimeter weniger Federweg und kann dem Heck auch in der Praxis nicht ganz Paroli bieten. Spätestens im nassen, rutschigen Geläuf limitieren auch die schwach profilierten Rekon-Reifen die Fahrsicherheit deutlich. In Summe fühlt sich das Flame AL damit auf langen Touren wohler als im schweren Gelände. Mit leichten Tuning-Maßnahmen lässt sich aber deutlich mehr Trail-Stärke herausholen.
Mit der moderneren Geometrie und mehr Liebe zum Detail kann das Jam² von Focus mehr überzeugen. Vor allem im Gelände hängt es das Flame AL ab. Klassische Tourer mit Hang zum effizienten Kilometersammeln sollten sich das Megamo genauer anschauen. - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur BIKE Magazin