Florentin Vesenbeckh
· 19.02.2024
Der Schweizer E-Bike-Pionier Flyer bohrt seine Palette an E-Mountainbikes kräftig auf. Das neue Uproc X setzt auf eine sehr moderne Gelände-Geometrie und Boschs Performance CX-Motor. Damit sticht es in die Lücke zwischen dem ebenfalls noch recht neuen E-Enduro Uproc Evo:X und dem etwas gemächlicheren All Mountain Uproc X mit Panasonic-Motor.
Bereits bei den letzten neuen Modellen der Schweizer war die Richtung klar: Weg vom gemütlichen Trekking-Image! Flyer setzt auf sportliche E-Mountainbikes für wilde Trail- und Geländefahrten. Auch das neue Uproc X gibt es ausschließlich mit Carbon-Chassis, das gilt für Hauptrahmen wie Hinterbau. Die Akku-Entnahme zielt nicht auf maximalen Komfort, sondern ermöglicht einen leichteren und zugleich robusten Rahmen. Apropos Gewicht: Mit rund 25 Kilo gehört das Topmodell des Flyer Uproc X zwar nicht zu den Leichtgewichten der All-Mountain-Liga. Dafür baut es auf richtig robuste Parts, die im Gelände keine Grenzen setzen.
Das Flyer Uproc X gibt es bereits seit 2022 mit Panasonic-Motor und ebenfalls 150 Millimetern Federweg. Jetzt stellt Flyer diesem Modell ein noch moderneres All Mountain mit dem beliebten Bosch Performance CX zur Seite (zum Langzeittest des Bosch Performance CX).
Wie beim Enduro Uproc Evo:X mit etwas mehr Federweg (zum Test des Flyer Uproc Evo:X), wird auch beim Uproc X der Akku nach unten aus dem geschlossenen Unterrohr gezogen. Die Batterie hat 750 Wattstunden, nur beim günstigsten Modell ist der kleinere Powertube 625 verbaut. Das bedeutet auch, dass man auf Wunsch zwischen den beiden Akku-Größen wechseln kann.
Bei den Bedienelementen geht Flyer in die Vollen. Der Shifter ist Boschs kabellose Mini-Remote, die schlank am linken Griff sitzt. Im Oberrohr ist der Systemcontroller eingelassen und am Lenker hängt zusätzlich ein Kiox 300 Display - mehr geht nicht. Wer ein cleanes Cockpit bevorzugt, kann das Display einfach abbauen.
Die Geometrie des neuen Flyer Uproc X ist lang, flach und modern. Der extrem lange Reach (495 mm in Größe L), der flache Lenkwinkel von 64 Grad und der lange Radstand (1283 mm in Größe L) würden auch einem rassigen Enduro gut zu Gesicht stehen. Damit zeigt Flyer, wo die Reise mit dem Uproc X hingehen soll. Nehmerqualitäten im harten Gelände werden priorisiert. Die eher kompakten Kettenstreben von 445 mm sollen das Bike nicht zu träge werden lassen und dank dem sehr steilen Sitzwinkel von rund 77,5 Grad soll das Bike auch in schwierigen Uphills brillieren. Moderner kann man die Geometrie für eine All Mountain kaum zeichnen.
Preislich siedelt sich das Uproc X unter dem Enduro Uproc Evo:X an. Eine sündhaft teure Highend-Variante mit Top-Ausstattung sucht man vergeblich, ein echtes Schnäppchen findet sich allerdings genauso wenig unter den drei Modellen. Los geht’s bei 5999 Euro, das Topmodell kostet 7999 Euro. Alle Modelle gibt es wahlweise in Lila oder Weiß. Ebenfalls bei allen Modellen an Bord: Der hochwertige und robuste Vollcarbonrahmen.
Das Einstiegsmodell des Uproc X kostet 5999 Euro, kommt mit Bremsen und Schaltung von Shimano und einem Fahrwerk aus Suntour-Gabel und Rockshox-Dämpfer. Als einziges Modell kommt das 2.10 mit dem kleineren Akku Bosch Powertube 625.
Die mittlere Ausstattungsvariante hat bereits ein Fox-Fahrwerk aus 36 Rythm Gabel und Float X Performance-Dämpfer an Bord, dafür werden 6999 Euro fällig.
Das Topmodell setzt durchweg auf solide Parts, ins höchste Regal haben die Produktmanager aber an keiner Stelle gegriffen. Insbesondere die Fox-Federelemente aus der Performance-Reihe lassen Luft nach oben. Im Vergleich zu manch anderer Marke bleibt dafür der Preis mit 7999 Euro noch moderat. Bei den klassischen Preis-Leistungsmarken findet man in dieser Preisklasse aber bereits eine glanzvollere Ausstattung.
Wir konnten das Flyer Uproc X 8.70 bereits vor dem Launch ausführlich fahren, im direkten Vergleich mit der Konkurrenz testen und durchs EMTB Labor schleusen. Leider wurden die Vorserienbikes aufgrund mangelnder Verfügbarkeit mit anderen Reifen ausgeliefert, als sie in Serie verbaut werden. Die Onza Aquila GRC an unserem Testbike wiegen in Summe fast 600 Gramm mehr, als die Serienreifen Onza Porcupine TRC/GRC. Dieser Unterschied macht sich im Fahrverhalten bemerkbar - positiv (Fahrsicherheit und Traktion) wie negativ (Beschleunigung, Leichtfüßigkeit). Unser Fahreindruck basiert ausschließlich auf der Konfiguration unseres Testbikes mit den schwereren Reifen.
Fluffig, komfortabel, traktionsstark: Auf dem neuen Flyer Uproc X fühlt man sich direkt wohl. Die Sitzposition ist modern und eher kompakt, denn der steile Sitzwinkel positioniert den Fahrer weit vorne im Bike. In Kombination mit dem spritzigen und kräftigen Bosch-Antrieb klettert das Bike auch schwierige Anstiege unkompliziert empor. Das Vorderrad hält gut Bodenkontakt und folgt den Lenkbewegungen sicher und direkt.
Erst wenn es richtig steil wird, muss man hier aktiver zu Werke gehen. Auf unruhigem Untergrund kann vor allem das Fahrwerk brillieren. Denn der sensible Hinterbau ebnet Wurzeln und Stufen souverän ein, ohne zu sehr im Hub zu versacken. In Kombination mit dem wuchtigen Reifen ist die Traktion hervorragend. In Summe gehört das Uproc X von Flyer zu den richtig guten und souveränen Kletterern.
Souverän ist auch ein gutes Stichwort, wenn es um die Abfahrtseigenschaften des neuen Uproc X geht! All Mountain? Hier steckt eigentlich schon Enduro drin, so das einstimmige Fazit unserer Testmannschaft. Wenn es auf dem Trail wild und schnell zur Sache geht, fühlt sich das Flyer wohl. Das Fahrwerk arbeitet komfortabel und traktionsstark - und hält dabei dennoch Reserven für richtig derbe Schläge zurück. 150 Millimeter Federweg? Gefühlt könnte hier durchaus mehr Hub drin stecken! Einen guten Anteil an der hohen Fahrsicherheit haben auch die wuchtigen, griffigen und gut dämpfenden Aquila-Reifen von Onza. (Achtung, in Serie werden anderen Pneus verbaut!) Mit ihrer robusten Karkasse und voluminösen Konstruktion verstärken sie die Bodenhaftung und den Komfort des Bikes noch einmal.
Doch auch die Geometrie des Bikes ist voll auf Fahrsicherheit gepolt. Langer Radstand, flacher Lenkwinkel, erwachsener Reach - auch hier kommt Enduro-Attitüde auf. Der breite 810er-Lenker verstärkt die hohe Laufruhe nochmal und dank tiefem Tretlager steht man exzellent ins Bike integriert. Bei unserem Test am Gardasee konnte das Uproc X auf fiesen Rumpel-Abfahrten einige langhubigere Bikes locker in den Schatten stellen. Das Sicherheitsempfinden war zu jeder Zeit hoch! Gibt´s Nachteile? Ja, denn das hohe Gewicht des Bikes und der Laufräder bzw. Reifen ist durchaus spürbar. Leichtfüßig fährt sich das Uproc X nicht. In diesem Aspekt sollten die leichteren Serienreifen noch eine Verbesserung bringen.
Wirklich in seinem Element ist das 2024er-Flyer Uproc X erst, wenn die Schwerkraft an ihm zieht - der Trail also bergab ein gewisses Gefälle aufweist. Auch das schluckfreudige Fahrwerk fühlt sich in diesem Gelände wohler, als auf flachen Kursen. Wo man Schwung aus Kurven mitnehmen oder aktiv über Bodenwellen pushen möchte, ist das Flyer etwas träge. Angenehm: Für ein Bosch-Bike war unser Uproc X in der Abfahrt recht leise. Das Motorklappern war nicht so aufdringlich, wie wir es von anderen E-MTBs mit Performance CX kennen.
Flyer hat sein All Mountain auf Steroide gesetzt. Mit seiner extremen Geometrie wird das neue Uproc X zum extrem fahrstarken Supersportler, der auf ruppigen Trails selbst ausgewachsenen Enduros Konkurrenz macht. Damit rückt es auch dem Uproc Evo:X aus dem eigenen Haus gehörig auf die Pelle. Geblieben ist der Allround-Charakter, denn auch im Uphill macht dem Bosch-Bike so schnell keiner etwas vor. Ein handliches Leichtgewicht ist der Allrounder allerdings nicht. - Florentin Vesenbeckh, EMTB Magazin