Florentin Vesenbeckh
· 10.11.2023
Es gibt wohl kein anderes aktuelles Mountainbike, das auf eine derart lange Produkthistorie verweisen kann, wie das No Pogo von Centurion. Als E-Bike kennt man das No Pogo erst verhältnismäßig kurz: Schon 1996 kam das vollgefederte Bike erstmals auf den Markt, natürlich ohne Motor. 1997 kassierte es im BIKE Magazin den Titel “Bike das Jahres” und avancierte damit zu einem der beliebtesten Räder seiner Zunft. Jetzt steht die neueste Ausbaustufe bereit: Das No Pogo SL.
Der Name lässt es vermuten: Nachdem bereits die letzten No Pogos ausschließlich mit E-Motor vom Band gerollt sind, ist der neueste Spross der deutschen Marke nun ein Light-E-MTB. Statt einer extremen Auslegung setzt das Bike mit Boschs Performance SX und gemäßigter Geometrie auf einen breiten Einsatzbereich und eine ebensolche Zielgruppe. Dabei bringt das No Pogo SL Features mit, die wir von Light-E-MTBs so bisher nicht kennen. Und die könnten sich im Alltag vieler Biker bewähren.
Sportlicher als die klassischen E-Mountainbikes von Centurion, aber nicht zu extrem soll das No Pogo SL sein. Ein echtes All Mountain Bike, das von entspannten Touren bis zu leichten Trail- und Enduro-Einsätzen alles mitmacht. Dank gemäßigter Geometrie soll es sich neutral fahren und auch bei gemächlicher Fahrweise entspannt manövrierbar sein. Das Bike bietet dafür 150 Millimeter Federweg an der Gabel und 145 am Heck. Außerdem baut es auf ein Mullet-Setup mit großem 29er-Vorderrad und hinten 27,5 Zoll. Das kleinere Hinterrad soll das Bike wendiger machen, kurze Kettenstreben ermöglichen und obendrein eine bessere Raderhebungskurve erlauben.
Zum echten Volks-Bike wird es das Centurion No Pogo SL allerdings wohl nicht schaffen. Denn das günstigere der beiden Modelle kostet satte 7999 Euro. Das Topmodell ist mit 9999 Euro sogar das teuerste Bike, das Centurion je gebaut hat. Ein erster Grund ist schnell gefunden: Zum ersten Mal bauen die Schwaben ein E-MTB mit Carbonrahmen. Und dann gleich richtig, denn nicht nur der Hauptrahmen, sondern auch der Hinterbau werden aus Kohlefasern gefertigt.
Da auch der Großteil der klassischen No Pogos auf Bosch-Motoren rollt (Test des No Pogo E 3600), verwundert es nicht, dass die SL-Variante mit dem leichten Schwaben-Motor Performance SX betrieben wird. Bereits bei unserem großen Test zur Vorstellung des Performance SX stellte uns Bosch ein No Pogo SL zur Verfügung - damals aber noch entfernt vom Serienzustand, ohne Lackierung und ohne Namen. Der Light-Motor von Bosch hat eine sehr hohe Maximalleistung, die laut Bosch mit 600 Watt auf dem gleichen Niveau wie beim Bosch CX liegt. Allerdings wird dieser Punch nur bei extrem hohen Trittfrequenzen und nur kurzfristig freigesetzt. Die Kraftentfaltung ist sehr dynamisch, was sportlichen Bikern viel Freude bereiten dürfte. Bei langsamem Tritt schiebt der Motor eher gemächlich. Dann ist er auch angenehm leise und kaum hörbar.
Aber zurück zum Serienbike. Den Akku, einen Compact Tube 400, verbaut Centurion fest im Unterrohr. Das soll Gewicht sparen und gleichzeitig die Steifigkeit hochhalten. Sollte mal etwas mit dem Akku sein, kann die Batterie natürlich entnommen werden. Doch dafür muss der Motor ausgebaut werden. Fürs alltägliche Laden oder den Akku-Wechsel ist das also nichts.
Der Akku kann nur im Bike geladen werden. Wem die 400 Wattstunden nicht ausreichen, der kann mit dem Range Extender (Power More 250) von Bosch um über 50 Prozent aufstocken. Der Zusatz-Akku kann auf eine spezielle Halterung auf das Unterrohr geklickt werden und wird über ein Kabel mit dem Ladeport verbunden. Ins Rahmendreieck passt, zusätzlich zum Power More 250, eine Trinkflasche. Das ist nur bei wenigen Bikes dieser Klasse der Fall.
Bei den Bedienelementen hat sich Centurion beim No Pogo SL für die Kombi aus kabelloser Mini-Remote und der LED-Anzeige im Systemcontroller entschieden. Auf ein Display verzichten die Schwaben zu Gunsten eines aufgeräumten Cockpits. Wer mehr Informationen, Navigation oder Fahrdaten benötigt, kann mit einem Kiox 300 oder einem GPS-Computer seiner Wahl nachrüsten. Daten vom Bosch-System können über Garmin und Co. allerdings nicht angezeigt werden.
Die meisten Light-E-MTBs sind auf der Jagd nach Rekorden. Möglichst leicht oder möglichst schnell im Downhill wollen sie sein. Das Centurion No Pogo SL ist anders. Es will nicht mit Extremen reizen, sondern mit seiner Sorglos-Attitüde und Features, die den Biker-Alltag erleichtern. Das ist bei der Light-Kategorie eine Seltenheit. Los geht´s mit einem fest installierten Frontlicht, das vom Haupt-Akku mit Strom versorgt wird. Dazu gibt´s serienmäßig ein Akku-Anstecklicht für hinten. Ebenfalls typisch Centurion ist eine hohe Gewichtsfreigabe bis 140 Kilo.
Obendrein haben sich die Schwaben bei ihrem Light-E-MTB dem rucksacklosen Fahren verschrieben. Zusätzlich zum optionalen Range Extender passt eine Trinkflasche ins Rahmendreieck. Obendrein gibt´s einen dritten Anschraubpunkt für einen Tool-Halter, an dem zum Beispiel ein Ersatzschlauch Platz findet. Am mitgelieferten Flaschenhalter kann zusätzlich eine Mini-Pumpe oder anderes Werkzeug befestigt werden.
Extreme Werte sucht man in der gesamten Geometrietabelle des No Pogo SL vergebens. Der Radstand fällt mit 1241 mm in Größe L für ein Bike dieser Federwegsklasse gemäßigt aus, ebenso der Lenkwinkel von 65,5 Grad. Das soll dem No Pogo SL ein wendiges Fahrverhalten verleihen. Das gilt auch für die Kettenstreben. Mit 445 mm sind sie im E-Bike-Vergleich eher kurz, doch andere Light-E-MTBs gehen hier für mehr Spieltrieb noch radikalere Wege. Dafür sollte das No Pogo SL leicht und vorhersehbar im Handling bleiben. Einen ähnlichen Mittelweg geht Centurion bei den Spezifikationen. Robust genug für anspruchsvolles Gelände und hohe Dauerhaltbarkeit - aber nicht zu extrem, um ein leichtfüßiges Handling zu wahren.
Hat man die Allround-Ausrichtung des No Pogo SL im Kopf, wird man auf dem Trail überrascht. Im Gelände zeigt sich das No Pogo SL sportlich und direkt. Die Sitzposition ist angenehm ausgewogen und platziert den Fahrer zentral auf dem Bike. Beim Antritt fällt ein spritzig-direktes Handling auf, das Bike setzt Impulse ungefiltert um. Solange der Untergrund nicht allzu ruppig ausfällt, verleiht das dem Bike eine richtig spaßige Note. Es lässt sich gut durch Bodenwellen pushen, um enge Kehren scheuchen und auch zum Sprung in die Luft ziehen. Denn der Hinterbau gibt viel Gegenhalt und die moderate Geometrie erhält dem Bike seine Wendigkeit.
Das gilt auch bergauf. Der kräftige Motor und die gute Geometrie gefallen und machen auch steile Anstiege locker möglich. Denn die stabile Heckfederung hält den Piloten zentral im Bike. Doch auf Wurzeln oder Felsen kann das Hinterrad nicht ausreichend Traktion generieren und wir hätten uns mehr Sensibilität vom Heck gewünscht. Insbesondere bei nassen und rutschigen Bedingungen ist dieses Manko auffällig. Der Bosch SX-Motor schiebt für Light-Verhältnisse kräftig an. Allerdings nur bei einer sportlich hohen Trittfrequenz. Wer gemütlich pedaliert, oder im technischen Gelände nicht schnell kurbeln kann, könnte einiges an Drehmoment und Schub vermissen.
Zurück in die Abfahrt. Dank ausgewogenem Handling fühlt man sich schnell wohl auf dem Bike. Sobald das Gelände rauer wird, wünscht man sich allerdings eine fluffigere Federung. Das gewonnene Vertrauen verliert sich schnell, wenn sich Wurzeln und Steine vor dem Vorderrad breitmachen. Das Heck arbeitet wenig sensibel und erzeugt dadurch zu wenig Traktion. In Kombination mit der gemäßigten Geometrie wird das Handling auf schwierigeren Trails anspruchsvoll. Damit sind Laufruhe und Fahrsicherheit des No Pogo SL im Vergleich zu anderen 150-mm-E-Bikes also nur mäßig. Denn während andere Kandidaten auf raueren Trails erst so richtig aufblühen, kommt das Centurion hier schon gehörig ins Schwitzen.
Das ist insbesondere deshalb schade, weil die Ausstattung einen anderen Eindruck vermittelt. Allen voran die starke Fox-Federgabel, die guten Reifen und das top Cockpit geben ein gutes Gefühl und wecken hohe Erwartungen an die Geländeperformance. Deutlich wohler fühlt sich das Bike mit seinem neutralen und leicht beherrschbaren Fahrverhalten auf gemäßigtem Untergrund. Doch der Charakter bleibt auch hier eher straff, denn betont komfortabel.
Das Centurion No Pogo SL ist eine spritzige Trail-Rakete mit durchdachten Alltags-Features, hochwertigem Chassis und cleanem Look. Es punktet mit wendigem und direktem Handling. Im Gelände fehlt es dem schicken Flitzer aber an Fahrsicherheit und Traktion.
Die gute Nachricht vorweg: Das No Pogo SL soll noch in diesem Jahr, pünktlich zur Geschenkejagd für den Weihnachtsbaum, im Laden stehen. Allerdings ereilt das Bike das gleiche Schicksal, wie die allermeisten Light-E-MTBs am Markt: eine günstige Einstiegsvariante gibt es nicht. Neben dem hochwertigen Carbonrahmen liegt das an den ebenso hochwertigen Ausstattungsvarianten. Lediglich zwei Modelle stehen zur Wahl, los geht´s erst bei 7999 Euro.
Das Topmodell kostet 9999 Euro und ist damit das teuerste Centurion-Bike, das je gebaut wurde. Neben einem Fox-Factory-Fahrwerk mit 36 Grip2 und Float-Dämpfer sorgt Srams kabellose Funkschaltung X0 Eagle Transmission für Glanz.
Das günstigere Modell des Centurion No Pogo SL schlägt mit 7999 Euro zu Buche. Schaltung und Bremsen stammen aus Shimanos XT-Regal und das Fahrwerk kommt von Rockshox. Laut Centurion soll das R6000i in Größe M nur 200 Gramm schwerer sein, als das Topmodell R8000i.