Florentin Vesenbeckh
· 28.03.2025
Neu vorgestellte E-Mountainbikes fallen oft mit exorbitanten Preisen auf. Durchgestylte Carbon-Rahmen, innovative Lösungen, Highend-Komponenten. Das neue Canyon Neuron:On AL geht ganz bewusst in eine andere Richtung. Das All Mountain will mit Allround-Können und einem fairen Preis punkten.
Das passt gut zu Canyons Markenkern und schafft in der E-MTB-Palette des Koblenzer Versenders Klarheit. Denn der Vorgänger, das Neuron:On CF mit Carbon-Chassis, lag recht nahe an den ebenfalls sehr sportlichen Carbon-E-Bikes Neuron:Onfly mit Bosch-SX-Motor und dem Shimano-All-Mountain Spectral:On CF. Der Neuling grenzt sich jetzt viel klarer ab, allein schon durch das Rahmenmaterial und den Einstiegspreis von 3799 Euro.
Mit dem Neuron:On AL will Canyon eine maximal breite Zielgruppe ansprechen. Komfortradler sollen genauso auf ihre Kosten kommen, wie Touren-Biker und Trail-Fans. Im Vergleich zum Vorgänger wurde dafür der Federweg etwas aufgestockt. Und auch die Geometrie wurde neu aufgelegt. Die klassische Akku-Entnahme dürfte ebenfalls den Kreis der potenziellen Interessenten wachsen lassen. Und das gleiche gilt auch für den beliebten Bosch Motor.
Ganz nebenbei ist das Neuron:On AL das erste E-Fully von Canyon, das mit der neuesten Generation des Bosch Performance CX auf die Trails rollt. Denn nach der Vorstellung des überarbeiteten Motors im Herbst 2024, blieb es um die E-MTB-Flotte von Canyon erstmal ruhig. Das potente Race-Enduro Strive:On läuft bislang weiter mit dem Vorgänger des Performance CX. Der Touren- und Trail-Allrounder Neuron:On bekommt also als erstes das ersehnte Update.
Mit dem neuen Motor kommen natürlich auch die neuen Batterien zum Einsatz. Ins Unterrohr passen wahlweise Powertube 600 oder Powertube 800, die beide im Vergleich zu den Vorgänger-Batterien deutlich leichter geworden sind. Außerdem sind die Akkus leicht und schnell aus dem Bike herausnehmbar, während das Carbon-Chassis des Neuron:On CF auf einen fest verbauten Akku ausgelegt war.
Bei den Bedienelementen setzt das Neuron:On auf die Kombi aus LED-Remote am Lenker und Kiox-Display zentral vor dem Vorbau. Damit stehen dem Fahrer viele Infos gut ablesbar zur Verfügung, inklusive Navigationsfunktion. Optional kann die Reichweite über den Zusatz-Akku Power More 250 um 250 Wattstunden aufgestockt werden. Dieser Range-Extender findet kompakt auf dem Unterrohr Platz und sorgt für insgesamt bis zu 1050 Wattstunden am Bike.
Das Chassis wurde für die Neuauflage des preisbewussten Klassikers komplett neu entwickelt. In Sachen Geometrie, Fahrwerk und Design orientiert es sich jedoch am Vorgänger Neuron:On CF. Das Rahmenmaterial, Alu statt Carbon, ermöglicht ein deutlich niedrigeres Preisniveau. Lag das Carbon-Bike zwischen 4999 und 6999 Euro, kostet der Nachfolger mit Alu-Chassis zwischen 3799 und 5499 Euro.
Natürlich macht sich das Rahmenmaterial auch beim Gewicht bemerkbar. Das Topmodell wiegt 24,9 Kilo in Größe L mit 800er-Akku. Neben dem Werkstoff erhöht auch die entnehmbare Batterie das Gewicht, zudem fällt die Ausstattung robuster und weniger gewichtsoptimiert aus.
Die Geometrie soll das Bike zu einem universellen Tool machen. Genuss-Biker sollen von gesteigertem Komfort profitieren und zugleich sollen Trail-Fans mehr Fahrsicherheit bekommen. Dafür fallen die Kettenstreben recht lang aus, und die Front liegt hoch. Auch der gestiegene Federweg sollte sowohl dem Komfort, wie auch der Geländekompetenz zu Gute kommen. Ob das aufgeht, verrät unser Fahrbericht weiter unten!
Wir konnten das neue Canyon Neuron:On AL 9, also das Topmodell, das auch auf den Bildern zu sehen ist, bereits ausführlich im Gelände und auf Tour testen. Forstwege und flowige Trails waren genauso dabei wie anspruchsvollere Enduro-Trails.
Auffällig: Der hohe Fahrkomfort. Die Sitzposition ist sehr ausgewogen. Weder extrem vorderradorientiert noch hecklastig. Dank hoher Front sitzt man auch auf langen Ausfahrten sehr bequem. Die Heckfederung arbeitet sensibel und sorgt für eine gute Traktion.
Bemerkenswert ist auch das entspannte Kletterverhalten des Bikes. Mit seinen langen Kettenstreben und der zentralen Position steigt das Vorderrad selbst an steilen Stichen kaum. So lässt sich das Bike auch in extremen Situationen gut kontrollieren.
Der gediegene Charakter macht erstmal nicht den Anschein, als wäre das Neuron:On AL auf krasse Trails aus. Doch wir wurden im Gelände überrascht. Die super ausgewogene und gut integrierte Fahrposition vermittelt direkt viel Sicherheit. So cruist man entspannt über Hindernisse und flowt durch Kurven und über Wellen.
Das Fahrwerk arbeitet dabei mit einem angenehmen Mix aus sensiblem Schluckvermögen und gutem Gegenhalt. Der Hinterbau gibt seinen Hub zwar bereitwillig frei, rauscht dabei aber nicht unangenehm durch. So muss man keine extremen Highspeed-Abfahrten nehmen, um den Federweg auszunutzen.
Mit seinen langen Kettenstreben und dem etwas höheren Gewicht wird das Neuron kein ultimatives Spielmobil. Doch trotzdem fährt es sich auf flachen und gemäßigten Trails keinesfalls behäbig. Der Gegendruck im Hinterbau hält Bike und Fahrer in Position, auch wenn der Pilot aktiv pusht und dem Neuron die Sporen gibt. So fährt sich das Bike auch im sportlichen Trail-Einsatz richtig spaßig.
Wird das Gelände extremer, bleibt die Fahrsicherheit hoch. Doch im ruppigen Geläuf merkt man die zahme Ausstattung, selbst beim Topmodell. Sowohl die günstige Lyrik-Gabel, als auch die günstigen DB8-Bremsen performen natürlich nicht auf Enduro-Niveau. Und auch der lineare Hinterbau kommt bei extremen Schlägen an seine Grenzen.
Wer es wirklich auf ruppige Trail-Action abgesehen hat, bekommt mit Spectral:On oder Strive:On potentere E-MTBs im Canyon-Portfolio. Im moderten Gelände gefällt dafür das besonders unkomplizierte und gutmütige Handling des neuen Neuron:On AL.
Wer Rekordgewichte oder ein Innovationsfeuerwerk sucht, ist beim Canyon Neuron:On AL falsch. Dafür überzeugt das neue Alu-E-Bike mit extrem gutem Preisleistungsverhältnis, super Reichweite und ausgewogenen Fahreigenschaften. Wer ein universelles E-Mountainbike zum fairen Preis sucht, das sich auch im Gelände extrem gut schlägt, der ist hier goldrichtig! - Florentin Vesenbeckh, BIKE Testredakteur
Drei Modelle bietet Canyon vom neuen Neuron:On AL an. Alle sind eher im unteren Preissegment angesiedelt. Los geht´s bei 3799 Euro, das teuerste Neuron-E-Bike kostet 5499 Euro. Alle Bikes sollen ab sofort verfügbar sein und kommen mit identischem Alu-Rahmen und neuem Bosch Performance CX. Farblich gibt es jeweils die Wahl zwischen zwei dezenten Versionen: schwarz/grau und grau/blau.