Adrian Kaether
· 20.08.2024
Spätestens seit Bosch das neue Smart System und den Reichweitenstarken 750er Akku eingeführt hat, hat man sich irgendwie damit abgefunden: Bikes sind entweder extrem teuer oder schwer oder der Akku ist fest verbaut. Mit der Sonic-SL-Linie beweist Bulls seit einigen Jahren aber, dass sich diese vermeintlichen Gegensätze keineswegs ausschließen. Übrigens: Hinter der Konstruktion des Bikes steckt das Ingenieursbüro ADP, das auch die Rotwild-Bikes konstruiert. Die ähnliche Silhouette wie beim teuren R.X 735 ist also kein Zufall, das Preisschild bleibt beim Bulls Sonic SL aber deutlich moderater.
Das Carbon-E-Bike von Bulls mit Shimano-Motor konnte uns schon in mehreren Tests überzeugen und sicherte sich 2022 wegen seines ausgewogenen Handlings sogar den Trail-Tipp im Enduro-Test. Aktuell gibt’s das edle EN SL 1 mit neuem Shimano-Motor und XT-DI2-Schaltung (UVP 6699 Euro) im Netz oft für unter 5000, teils für unter 4000 Euro. Ist das der Preis-Leistungs-Kracher der Saison? Im Kurz-Test finden wir es heraus.
Dank des Updates auf den EP801 (hier im Test) profitiert auch das Sonic EN SL 1 von einem Plus an Power im Vergleich zum Vorgänger. Gerade in mittleren Trittfrequenzen schiebt der japanische Motor damit fast so kräftig wie der CX von Bosch, bleibt aber deutlich leichter. Nachteil des Japaners ist die weniger spritzige Kraftentfaltung. Per App kann die Unterstützung auf die persönlichen Vorlieben angepasst werden. Die wichtigsten Infos gibt’s mit Shimanos hochwertigen EM800-Display.
Wie auch Konkurrent Rotwild mit dem technisch teils ähnlichen R.X 735 setzt Bulls auf einen eigenen Akku mit Carbon-Außenhülle. Die Batterie bietet 725 Wattstunden, wiegt aber nur 3,6 Kilogramm und lässt sich prinzipiell sehr praktisch zur Seite hin entnehmen. Für ein E-MTB dieser Gewichtsklasse ist das top. Einziger Wehrmutstropfen: Die Entriegelung der Batterie am Unterrohr ist oft etwas schwergängig und wird beim Fahren jedesmal ordentlich mit Dreck beschossen.
Der Carbon-Rahmen des Bulls Sonic Evo EN SL 1 ist eher klassisch gezeichnet. Nur der Lenkwinkel fällt 64,5 Grad einigermaßen modern aus, der Reach ist aber eher kurz, ebenso wie der Radstand. Vollgas-Fans die maximalen Geradeauslauf erwarten, dürfte das Bulls damit enttäuschen. Wer sich ein verspieltes und handliches E-Bike für Trails wünscht, dürfte die kompakten Abmessungen und insbesondere die eher kurzen Kettenstreben aber als Vorteil empfinden. Nur das Sitzrohr könnte wirklich etwas kürzer sein, so wäre mehr Platz für Fahrer mit kurzen Beinen, die trotzdem nicht auf lange Tele-Stützen verzichten wollen.
Gerade bei der Schaltung greift Bulls beim Sonic Evo EN SL schon ganz oben ins Regal. Die Shimano XT Di2 schaltet elektrisch und wird per Kabel aus dem Hauptakku mit Strom versorgt. Die lediglich elf Gänge der japanischen Top-Schaltung sind gegenüber Zwölffach-Antrieben nur auf dem Papier ein Nachteil. In der Praxis ist die Elffach-Version, genannt Linkglide, breit abgestuft und schaltet weicher unter Last. In Kombination mit den weniger filigranen Bauteilen lässt das eine höhere Lebensdauer erwarten. Gerade am E-MTB eine sinnvolle Kombination.
Die sonstige Ausstattung stammt aus dem mittleren Regal. Die Lyrik-Gabel liefert eine solide Performance, der Super-Deluxe-Dämpfer kommt mit Lockout und Ausgleichsbehälter. Die etwas schweren Deemax-Laufräder von Maxxis und die Deore-Bremsen sind kein Highlight, funktional gibt’s aber wenig zu meckern. Alles in allem auch zur UVP ein faires Paket, zumal viel Geld in den leichten Rahmen fließt. Monkey-Link-Schnittstellen steigern den Nutzwert im Alltag.
Auf dem Bulls sitzt man sportlich bequem, die nicht zu aggressive Geometrie namentlich der moderate Sitzwinkel und der etwas höhere Stack machen das Sonic Evo EN SL zu einem guten Partner auch für längere Touren. Dazu passt auch die Reichweite des Bikes, die mit 725 Wattstunden im guten Mittelfeld liegt. Nur Boschs 750er Akku und wenige Spezialisten mit um 900 Wattstunden können hier noch ordentlich einen drauflegen.
Beim Klettern schlägt sich das Bulls E-MTB gut und lässt sich neutral steuern. Das Fahrwerk sackt auch in Steilstücken nicht ein und sorgt für eine gute Traktion. Allerdings verlangt das E-Bike in sehr steilem Gelände eine aktive Fahrweise - ein Langholzlaster mit langen Kettenstreben ist das Bulls schließlich nicht. Der Shimano-Motor liefert einen ordentlichen Punch, fährt sich in anspruchsvollen Uphills aber nicht sehr spritzig.
Die Paradedisziplin des Bulls Sonic Evo: Fahrspaß bergab auf sanften bis mittelschweren Trails. Die Hausrunde im Mittelgebirge, Flowtrails und kleinere Sprünge, leichtere Enduro-Strecken - hier fühlt sich das E-Bike richtig wohl und begeistert mit neutralem und direktem Handling. Durch sein geringes Gewicht lässt sich das EN-SL willig in Kurven drücken und leicht in die Luft ziehen. Für ein E-Bike mit voller Motorpower ist das beeindruckend gut. Seinen direkten Charakter behält das Bulls auch dann noch bei, wenn das Gelände rau wird. Wer mit Highspeed ins Steinfeld stechen möchte, braucht deswegen eine ruhige Hand und solide Fahrtechnik. Der sauber abgestimmte Hinterbau macht auch hier noch eine gute Figur, Geometrie, Gabel und Bremsen kommen dann aber langsam an ihre Grenzen.
Anders als der Name suggeriert: Ein explizit schluckfreudiges E-Enduro ist das Bulls nicht. Als All Mountain Bike für Touren und anspruchsvolles Gelände macht das Sonic Evo EN SL aber eine richtig gute Figur. Das ausgewogene Fahrwerk und das spaßige Handling können punkten. Mit seinem geringen Gewicht und praktisch entnehmbarem Akku sticht das Bulls auch viele deutlich teurere Bikes aus. Erst recht, bei den aktuellen Preisen. Klare Empfehlung für Trail- und Touren-Biker! - Adrian Kaether, Test-Redakteur bei BIKE und EMTB