Auch E-MTB Fullys werden nicht selten im Alltag genutzt. Mit dem neuen Copperhead Evo AM 5 reagiert Bulls konsequent und verpasst dem Verkaufsschlager eine ganze Reihe praktischer Features: Integriertes Rück- und Kurvenlicht und eine neue Monkey-Link-Schnittstelle für Smartphone oder einen großen Scheinwerfer sind die Highlights. Aber auch abseits davon hat das neue Bulls mit seinem bescheidenen Vorgänger nicht mehr viel gemein. Der Hauptrahmen ist jetzt aus Carbon, der Hinterbau setzt statt klassischem Viergelenker auf eine einteilige Schwinge mit tief liegender Anlenkung. Im Unterrohr steckt der neue Bosch CX samt dem Top-Akku Powertube 800. Die Ausstattung am Topmodell Copperhead Evo AM 5 lässt mit XT-Schaltung, einteiligem Carbon-Cockpit und Lyrik-Ultimate-Gabel kaum Wünsche offen. Zumindest auf den ersten Blick.
Als eines der ersten Bikes überhaupt war das neue Copperhead Fully schon auf der Eurobike 2024 mit dem frischen CX-Motor zu sehen. Damals war der Motor selbst noch im Erlkönig-Status. Doch es war klar: Hier steckt Boschs neuer Top-Antrieb drin. Mit 600 Watt und 85 Newtonmetern hat der CX dieselben Leistungsdaten wie sein Vorgänger. Bei den Softskills konnte Bosch aber nochmal deutlich nachlegen: Feineres Ansprechverhalten, weniger Tretwiderstand und weniger Motorgeräusch. Außerdem klappert der Motor bergab nicht mehr.
Traditionelle stärke der Bosch-Antriebe: Die Reichweite. Der neue 800er im Bulls ist hier besonders gut. Mehr geht kaum. Die Kombination aus Mini-Remote und System-Controller am Bulls Copperhead Evo AM 5 ist minimalistisch. Dank der neuen Monkey-Link-Schnittstelle kann man aber unkompliziert ein Handy vor den Lenker packen, induktiv laden und mit der Bosch-App als weiteren Screen nutzen.
Zugunsten von Alltags- und Tourentauglichkeit hat Bulls das Copperhead Fully wenig extrem gezeichnet. Der Lenkwinkel ist eher steil, der Sitzwinkel flach. Kurze Kettenstreben sollen ein agiles Handling bringen. Auffällig: Trotz hohem Stack sitzt man wegen des flachen Sitzwinkels und niedrigen Lenkers etwas sportlich-gestreckt auf dem Bulls. Ein anderer Lenker mit mehr Rise würde ein spürbares Plus beim Komfort bringen.
Rockshox’ Top-Gabel Lyrik Ultimate, Shimano XT-Schaltung, Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon: Auf den ersten Blick wirkt das Bulls wie ein echter High-End-Bolide. Der Blick ins Detail offenbart aber ein paar Sparmaßnahmen, vor allem beim Dämpfer, und den Laufrädern sowie der Tele-Stütze der Eigenmarke Rumble. Funktional sind die Teile aber top. Das einzige was wirklich stört ist günstige Schwalbe-Magic-Mary-Reifen. Die teureren Modelle bieten gerade bei Nässe spürbar mehr Grip und Fahrsicherheit.
Auf dem Bulls sitzt man eher so, wie man es von klassischen Sport-Tourern kennt. Der flache Sitzwinkel lässt das Rad lang wirken und soll prinzipiell im Flachen die Handgelenke entlasten. In Kombination mit der Lenker-Vorbau-Einheit ist leider das Gegenteil der Fall. Das zu tiefe und nicht anpassbare Cockpit ist an einem Bike dieser Kategorie völlig fehl am Platz. Wer es komfortabel mag, sollte auf einen klassischen Lenker umrüsten.
Immerhin: Wird’s bergauf anspruchsvoll, bringt das Carbon-Cockpit viel Druck auf die Front. Die günstigen Schwalbe-Reifen mit harter Gummimischung geizen aber auffällig mit Grip. Wer ernsthaft ins Gelände will, sollte ein Upgrade einplanen. Punkte bringen dagegen der feinfühlige und reichweitenstarke Bosch-Motor und der gute Hinterbau. Das Vorderrad steigt beim Bulls trotz moderater Kettenstreben kaum. Die Kassette mit etwas weniger Bandbreite als üblich fällt am Powerbike kaum ins Gewicht.
Bergab limitieren Reifen und Cockpit ebenfalls deutlich, ansonsten macht das Copperhead seine Sache aber gut. Der Hinterbau spricht sehr feinfühlig an und liefert trotzdem guten Gegendruck. So fährt sich das Bulls auch mit über 25 Kilogramm alles andere als schwerfällig und lässt sich leicht an kleinen Kanten in die Luft drücken. Der moderate Lenkwinkel beschert dem Bike dabei ein sehr neutrales Handling. So dürfte das Bulls gerade auf flacheren Trails und auf Hausrunden im Mittelgebirge in seinem Element sein.
Auf steilen Pfaden bringt das Bike mit der tiefen Front und der moderaten Geometrie den Fahrer aber in eine etwas unangenehme Position, außerdem lässt sich die Sattelstütze nicht ganz im Rahmen versenken. Die Gabel begeistert dafür mit viel Kontrolle und Sensibilität, die TRP-Bremse liefert eine gute Power und eine Ergonomie auf Top-Niveau. Bergab bleibt das Copperhead zudem extrem ruhig. Das ist für ein Full-Power-E-MTB richtig gelungen!
Das neue Copperhead-Fully ist im Konzept ein ausgewogener und spaßig zu fahrender Tourer. Die vielen praktischen Features begeistern Alltags-Biker. Nur schade, dass Ausstattungsdetails wie das unpassende Sport-Cockpit und die günstigen Reifen eine noch bessere Wertung verhindern. Dafür: Top-Reichweite, starker Bosch-Motor und bergauf wie bergab richtig leise.