Wer mit dem Mountainbike im Gelände unterwegs ist, braucht für eine optimale Kontrolle Fahrstabilität und Lenkpräzision. Der Schlüssel für ein hohes Maß an Präzision liegt in der Steifigkeit der einzelnen Bauteile wie der Reifen, der Laufräder, der Gabel, dem Cockpit und nicht zuletzt des Rahmens. Jetzt könnte man meinen, je steifer, desto besser. Wäre da nicht die Sache mit der Ermüdung, dem Fahrgefühl und dem Wunsch nach einem fehlerverzeihenden Fahrverhalten, je rauer das Gelände wird.
Um die Frage zu klären, wie steif ein Mountainbike an welcher Stelle sein muss, ging es mit neun Fahrern zwischen 65 und 105 Kilogramm und einer ebenso großen Testflotte aus präparierten Bikes für ganze drei Tage in den Bikepark Geißkopf. Im Rahmen eines Blindtests musste jeder Fahrer jedes Bike im direkten Vergleich auf unterschiedlichen Strecken fahren und seine Fahreindrücke protokollieren.
Um die Bikes perfekt miteinander vergleichen zu können, kamen vier augenscheinlich identische Canyon Spectral (dreimal Carbon, einmal Alu) und ebenso drei Liteville 301CL zum Einsatz. Zusätzlich fuhren wir zwei Mondraker Foxy Laufradsätze mit rund 50 Prozent Steifigkeitsunterschied. Um auch bei den serienmäßigen Carbon-Spectral einen Unterschied in der Rahmensteifigkeit zu realisieren, manipulierten wir zwei der Rahmen. Durch einen Schnitt im Unterrohr wurde bei einem Bike der Hauptrahmen um rund 20 Prozent „erweicht“, während beim zweiten der Hinterbau um 25 Prozent mehr Flex bekam.
Für eine weitere spätere Blindtestrunde konnten wir beim bislang unveränderten Carbon-Spectral den Hauptrahmen durch Auflaminieren um nochmals 15 Prozent versteifen. Die drei Liteville 301CL unterschieden sich um bis zu 25 Prozent in der Steifigkeit des Hauptrahmens aufgrund unterschiedlicher Carbon-Layups.
Die Ergebnisse der umfangreichen Blindtests flossen eins zu eins in unseren neuen Steifigkeitsprüfstand ein, bei dem wir ab sofort eine separate Steifigkeit für den Hauptrahmen und den Hinterbau messen können (siehe Grafik ganz unten).
Die Syncros-Silverton-SL- (r.) und die PiRope-Laufräder stellen, was die Seitensteifigkeit angeht, Extreme dar. Die PiRope-Laufräder mit ihren Vectran-Speichen sind nur halb so steif. Im Fahrtest waren die Unterschiede deutlich spürbar. Nahezu alle Testfahrer würden die weicheren Laufräder dank des besseren Grips und höheren Komforts den steiferen vorziehen.
Bislang konnten wir auf unserem alten Steifigkeitsprüfstand nur eine Gesamtsteifigkeit für den kompletten Rahmen vom Hinterbau bis zum Steuerrohr messen. Das Dilemma: Trotz identischer Messwerte fuhren sich manche Bikes sehr unterschiedlich. Unser neuer Prüfstand hingegen liefert jetzt zwei Steifigkeitswerte: einmal für das vordere Rahmendreieck zusammen mit der Gabel und zum anderen den Hinterbau. So können wir die Zusammensetzung der Rahmensteifigkeit entschlüsseln.
Kein BIKE-Test ohne Praxistest: Bei unseren Testfahrten deckten wir mit Fahrern von 65 bis 105 Kilo ein breites Spektrum ab. Auf Basis der gewonnenen Daten können wir nun eine klare Einstufung der künftigen Testbikes geben. Je nach eigenem Körpergewicht und Vorliebe hilft die Einordnung auf der Suche nach dem perfekten Bike.
Eine Verkettung von Bauteilen verbindet uns beim Biken mit dem Boden. Der neue BIKE-Test zur Rahmen- und Gabelsteifigkeit berücksichtigt dies und erlaubt eine Einordnung, welchem Bauteil welche Bedeutung zukommt.
Was ist der schwächste Teil des Bikes, wenn es um die Seitenführung im Gelände geht? Der Reifen? Könnte man meinen. Schließlich fahren Mountainbiker mit wenig Druck und das Federvermögen der Reifen ist fürs Fahrverhalten unbestritten wichtig. Bei seitlicher Anregung erweisen sich Reifen im BIKE-Labortest aber als überraschend führungsstark. In der Kette Reifen-Laufrad-Gabel-Rahmen, welche die Ereignisse vom Boden zum Fahrer durchreicht, ist der Rahmen das schwächste Glied und damit normalerweise prägend für das Fahrerlebnis. Denn physikalisch haben wir es mit einer Reihenschaltung von Federn zu tun. Bei dieser Anordnung dominiert das schwächste Glied der Kette den Gesamteindruck. Das ist leicht nachvollziehbar: Wenn der Reifen schlaff ist, geht jede Kontrolle dahin, egal wie steif Rahmen und Gabel sind.
Aber wie steif sind Rahmen und Gabeln real? Wir haben eine größere Anzahl Rahmen und Federgabeln isoliert und kombiniert gemessen und dabei festgestellt, dass die Gabeln in der Regel seitensteifer sind als die Rahmen. Anschließend folgen die Reifen und dann die Laufräder, die in Boost-Bauweise und mit weiten Felgen die mit Abstand steifsten Bauteile der Kette sind.
Der hintere Teil des Rahmens (Hinterbau) ist in der Regel rund dreimal steifer als der vordere – bezogen auf die Einspannung am Tretlager. Wie vorne ist der Rahmen auch hier das schwächste Glied der Kette, aber deutlich dichter an den Werten des Reifens als vorne. Am Fahreindruck bezüglich der Seitenführung drehen wir, indem wir die schwächsten Bauteile der Kette verändern. Ist ausreichend Luft im Reifen, nimmt daher vor allem die Wahl des Rahmens Einfluss darauf, was wir spüren.
Wie beeinflussen verschieden steife Laufräder die Gesamtsteifigkeit, die der Fahrer erfährt? Die Kurvenschar repräsentiert die verschiedenen Laufradsteifigkeiten. Hin zu höheren Rahmen- und Gabelsteifigkeiten (x-Achse) wird die Varianz durch weiche oder steife Laufräder größer. Salopp gesagt: Ist der Rahmen weich, sind die Unterschiede zwischen Laufrädern kaum zu erspüren.
Reifen, Laufrad, Rahmen und Gabel bilden zusammen eine Reihenschaltung von Federn, die uns mit dem Boden verbindet. Die Laufräder sind die steifsten Bauteile (100 %), gefolgt von Reifen (40 %), Gabel (20 %) und Rahmen (15 %). Theoretisch sind am ehesten Varianzen im weichsten Bauteil der Kette zu spüren – also im Rahmen.
In Schräglage, bei schnellen Richtungswechseln oder dem schrägen Überfahren von Hindernissen treten Kräfte quer zur Fahrtrichtung auf, die auf alle Bauteile zwischen Boden und Fahrer wirken. Der Flex schmälert die Rückmeldung vom Boden. Welches Maß an Nachgiebigkeit das richtige ist, hängt von vielen Parametern ab – auch vom Fahrergewicht.
Auch in Zukunft messen wir bei jedem getesteten Mountainbike die Rahmensteifigkeit. In Vergleichstests zeigen wir die Steifigkeiten in dieser Übersicht. In den grün gekennzeichneten Bereichen liegt die Rahmensteifigkeit sowohl für den Hauptrahmen inklusive Gabel als auch den Hinterbau auf einem guten Niveau. Die roten Bereiche (sehr weich bzw. sehr hart) machen sich in der Praxis bemerkbar. Schwerere oder auch aggressive Fahrer sollten bei der Wahl des Bikes auf besonders weiche Rahmen verzichten. Bei sehr weichen Hinterbauten kann der Reifen unter Belastung bereits im Hinterbau schleifen. Zu weiche Hauptrahmen beschneiden die Lenkpräzision.