Adrian Kaether
· 21.02.2025
Ab 19 Kilogramm? Das Versprechen beim Launch des BH iLynx+ SL klang vollmundig. Ob’s wirklich stimmt, haben wir nicht ausprobiert. Denn statt des superleichten und teuren 140-Millimeter-Topmodells haben wir für diesen Test lieber die robustere Variante mit 160 Millimetern Hub bestellt. Auf dem Trail die richtige Wahl, wie sich noch zeigen wird.
Und auch beim Blick auf die Fakten kann das iLynx+ SL überzeugen. Mit gut 21 Kilo ist es das schwerste Bike in unserem exklusiven Vergleich superleichter Power-Bikes. Das BH kommt aber schon ab Werk mit Range Extender (180 Wh, plus 1008 g).
Aber selbst wenn man die Zusatzbatterie ansteckt, liegt das Bike noch ein gutes Kilo unter dem Gewicht der meisten vergleichbaren High-End-Bikes. Und das mit soliden Federelementen (Fox 38!), Alu-Anbauteilen und ordentlichen Reifen. Dazu kommt eine Gewichtszulassung von satten 165 Kilo. Vorbildlich!
Wie bei vielen Leichtbau-E-MTBs greift auch BH beim iLynx+ auf den japanischen Shimano-Motor zurück. Der Grund: Der EP801 wiegt nur 2,65 Kilogramm, liefert aber Power und Drehmoment auf einem Niveau mit dem etablierten Bosch CX. Dank der neuen Firmware hat der Antrieb ab Herbst 2024 auch bei der Trail-Performance nochmal zugelegt. So kann man jetzt in der App nicht nur die Unterstützung, sondern auch den Motor-Nachlauf feintunen. Das hilft auf anspruchsvollen Uphill-Trails.
Die Energie für den Shimano-Motor kommt aus einem fest verbauten Akku mit 630 Wattstunden. Bei allen außer den günstigsten iLynx+ Modellen ist außerdem ein Range-Extender mit 180 Wattstunden in Trinkflaschenform inklusive. Die Reichweite mit dem Hauptakku alleine ist schon ganz ordentlich und stellt klassische Light E-MTBs deutlich in den Schatten.
Mit Range Extender ist das BH immer noch leichter als viele klassische E-All-Mountains und schafft dann auch richtig lange Touren. Das minimalistische EM600 Display zeigt dabei die wichtigsten Infos zur Fahrt und den Akkustand in 10-Prozent-Schritten an. Navigation oder umfangreiches Infotainment gibt es bei Shimano aber nach wie vor nicht.
Zwar haben wir mit dem iLynx 9.5 explizit die Enduro-Variante des Bikes im Test, die Geometrie des BH erinnert aber eher an die guten alten Tugenden klassischer Trail-Modelle. Der Sitzwinkel ist nicht übermäßig steil. Mit langem Reach und tiefem Stack sitzt man so sportlich gestreckt. Der Lenkwinkel von fast 65 Grad priorisiert ein neutrales Lenkverhalten. Kurze Kettenstreben halten den Radstand kompakt.
An unserem Testmodell ist der Range-Extender schon inklusive, der leichte Rahmen aus Vollcarbon und die vielen Optionen bei der Individualisierung des Lacks dürften eine Stange Geld kosten. Trotz gehobenem Preisniveau verbaut BH daher “nur” eine Ausstattung aus der oberen Mittelklasse. Auffällig ist die stämmige Gabel mit 38er Standrohren. XT-Parts bei Bremsen und Schaltung sind bewährt, die Laufräder sind wertige Alu-Parts von Raceface. Dass das Bike trotzdem so leicht ist, überrascht fast. Mit einer 36er Gabel und einigen Carbon-Parts können Tuner hier locker noch ein halbes Kilo einsparen.
Auf dem Trail gibt sich der leichte Spanier angenehm neutral. Wegen der tiefen Front ist die Sitzposition leicht gestreckt, zumal der Sitzwinkel nicht übermäßig steil ausfällt. Das wird vor allem in steilen Uphills deutlich. Hier muss man die Hüfte ganz bewusst auf der etwas unbequemen Sattelnase platzieren, damit die Front nicht zu schnell leicht wird.
Dann fährt sich das BH bergauf aber sehr gut, lässt sich auffällig unkompliziert durch enge Kurven dirigieren und schafft dank des per Race-Software verbesserten Shimano-Motors inklusive gutem Nachlauf manche Schlüsselstelle. Kritik: Neben der etwas zu inaktiven Sitzposition könnte auch die Traktion etwas besser sein. Ein solider Partner für manche anspruchsvolle Alpen-Runde ist das BH dennoch. Übrigens passen Range-Extender und Trinkflasche gleichzeitig in das Bike. Das ist bei E-MTBs eine absolute Seltenheit und ein großer Pluspunkt.
Seine Tourenqualitäten stellt das iLynx+ SL auch bergab unter Beweis. Ganz anders als bei den Konkurrenten von Cannondale oder auch Amflow muss man nicht gleich die Schallmauer durchbrechen, um das Potenzial des Bikes zu erschließen. Mit etwas steilerem Lenkwinkel und kurzen Kettenstreben lenkt das iLynx+ SL auch bei moderater Fahrweise angenehm ein und hält dennoch gute Reserven für mittleres Tempo bereit.
Das macht das Handling sehr zugänglich, hat aber auch Nachteile. Das BH animiert wenig zu aktiver Fahrweise und lässt sich nicht so gut aufs Hinterrad ziehen. Wird es doch mal rau und schnell, kommt das Fahrwerk spürbar ans Limit. Schade auch, dass das BH mit unnötigen Kleinigkeiten ein paar Punkte liegen lässt. Der Tele-Hebel ist wenig ergonomisch und die Stütze mit 150 Millimetern sehr kurz. Die tiefe Front und der steile Lenkwinkel sind in steilen Abfahrten nicht förderlich, Motor und Züge klappern. Gerade wegen der Downhill-Eigenschaften täuscht der Modellzusatz Enduro also – als klassisches All Mountain weiß das BH aber zu gefallen.
Kein BH-E-Bike konnte uns bislang so begeistern wie das iLynx+ SL. Ausgewogen und fahrstark kann es in vielen Lebenslagen punkten und glänzt mit niedrigem Gewicht bei hoher Gewichtszulassung und modularem Akku-Konzept. Allerdings: Keine Offenbarung in rauen Abfahrten und bei einigen Details sollte BH noch mal Hand anlegen. - Adrian Kaether, BIKE Testredakteur