Amflow PL Carbon Pro im TestWie gut ist das DJI-Bike aus China?

Leicht, schlank und schick: Optisch erinnert das Amflow an ein Light E-MTB eines gewissen US-Riesen und hat doch 800 Wh im Unterrohr und eine Wahnsinns-Power an Bord.
Mit dem superleichten Amflow PL Carbon Pro betritt DJI die Mountainbike-Bühne mit einem Paukenschlag. Was der Überflieger auf dem Trail kann? Wir haben das DJI-E-Bike ausführlich getestet.

Um dem Avinox-Motor eine Plattform zu bieten, hat DJI kurzerhand eine eigene Bike-Marke aus dem Boden gestampft: Amflow! Und kaum ein Bike wird aktuell so sehr gehypt wie das PL Carbon der DJI-Marke.

Vielleicht nicht ganz zu unrecht, wie der Blick auf die Daten zeigt. Mit echten 19,75 kg auf der BIKE-Waage ist das Amflow mit dem kleineren 600er Akku leichter als viele minimalistische Light-E-MTBs. 20,63 Kilogramm (BIKE-Messung) mit dem ebenfalls verfügbaren 800er Akku sind genauso ein Traumwert. Dabei geht der Preis, gemessen an der Top-Ausstattung, absolut in Ordnung. Das an sich ist schon bemerkenswert. Dazu ist der verbaute DJI Avinox (hier im Test) der mit Abstand stärkste Motor am Markt. Nennenswerte Schwächen? Fehlanzeige.

Über drei Monate lang haben wir das teurere der zwei verfügbaren Amflow-Modelle intensiv mit fünf verschiedenen Testern und auf vielen verschiedenen Strecken sowie im Labor getestet. Von Eberbach bis Finale Ligure, von rauen Trails bis zu langen Touren musste sich das Überflieger-Bike in jedem denkbaren Szenario und mit beiden verfügbaren Akkugrößen beweisen. Ob uns das Bike schlussendlich überzeugen konnte? Hier kommt der ausführliche Test.

Im Dreikampf mit den leichten Power-Bikes von Cannondale (Moterra SL) und BH Bikes (iLynx+ SL) schnappt sich das Amflow PL Carbon Pro den Testsieg.Foto: Max FuchsIm Dreikampf mit den leichten Power-Bikes von Cannondale (Moterra SL) und BH Bikes (iLynx+ SL) schnappt sich das Amflow PL Carbon Pro den Testsieg.

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Die Fakten zum Amflow PL Carbon Pro

  • Motor: DJI Avinox M1, 120 Nm max. Drehmoment
  • Akku: 600 / 800 Wh (fest verbaut)
  • Akkugewicht: 2887 / 3784 g (BIKE-Messung)
  • Rahmenmaterial: Carbon
  • Federweg: 160/150 mm
  • Laufradgröße: 29 Zoll (optional 27,5 Zoll hinten)
  • Rahmengrößen: M, L, XL, XXL
  • Gewicht: 19,75/20,63 kg (Testbike in Größe L, BIKE-Messung)
  • Max. Systemgewicht: 145 kg
  • Garantie: 5 Jahre
  • Preis: 9799/9999 Euro >> hier erhältlich
In der Dämpfer-Anlenkung versteckt sich ein Flipchip. So kann man das Rad auch mit kleinem Hinterrad fahren, ohne die Geometrie zu verändern.Foto: Max FuchsIn der Dämpfer-Anlenkung versteckt sich ein Flipchip. So kann man das Rad auch mit kleinem Hinterrad fahren, ohne die Geometrie zu verändern.

Tausendsassa: Der DJI-Avinox-Motor

120 Newtonmeter Drehmoment, 1000 Watt Leistung bei nur 2,6 Kilogramm. Als uns vor der Eurobike 2024 die ersten Werte zum neuen DJI Avinox erreichten, trauten wir unseren Ohren kaum. Mittlerweile ist klar, der Avinox ist kein Papiertiger und drückt die enormen Werte auch in der Praxis auf die Rolle. Und noch viel beeindruckender: Der DJI-Motor ist dabei super direkt, sehr sensibel und außerdem ziemlich sehr leise.

Leicht, leise, superstark und trotzdem sensibel. Mit dem Avinox hat DJI im Motorenmarkt deutlich vorgelegt.Foto: Max FuchsLeicht, leise, superstark und trotzdem sensibel. Mit dem Avinox hat DJI im Motorenmarkt deutlich vorgelegt.

Kein ungehobelter Rabauke also, sondern ein echter Game-Changer. Dazu kommt: Tolles Display, gute App und gute Reichweite. Die Top-Werte der neuen Bosch-Akkus verpasst DJI zwar knapp, kann dafür aber mit optionalem Schnellladen punkten.

Achtung: Die Werte unten stammen aus unserem standardisierten Reichweitentest. Die Geschwindigkeit des DJI haben wir auf das Niveau klassischer 85-Nm-Motoren gedrosselt. Gibt der Avinox Vollgas, sind die Akkus etwas schneller leer.

Rund 1400 Höhenmeter mit 600er Akku, fast 1900 Höhenmeter mit 800er Akku, jeweils plus Notlauf (grauer Pfeil). Der DJI liegt bei vergleichbarer Geschwindigkeit in Sachen Reichweite leicht hinter Bosch, steht insgesamt aber sehr gut da.Foto: BIKE TestabteilungRund 1400 Höhenmeter mit 600er Akku, fast 1900 Höhenmeter mit 800er Akku, jeweils plus Notlauf (grauer Pfeil). Der DJI liegt bei vergleichbarer Geschwindigkeit in Sachen Reichweite leicht hinter Bosch, steht insgesamt aber sehr gut da.Das Schnellladegerät lädt den Akku in 90 Minuten um 75 Prozent auf. Egal ob 600er oder 800er Akku.Foto: Adrian KaetherDas Schnellladegerät lädt den Akku in 90 Minuten um 75 Prozent auf. Egal ob 600er oder 800er Akku.

Erstaunlich konservativ: Die Geometrie des Amflow

Das Chassis setzt auf 29er Laufräder, optional kann auch ein 27,5er Laufrad am Heck verbaut werden. 160/150 Millimeter Federweg sollen das Bike als abfahrtsstarken Allrounder positionieren. Auffällig ist das Sizing. Die vier Größen fallen eher kompakt aus.

Wer für mehr Laufruhe zur nächsten Größe greifen will, muss die recht langen Sitzrohre beachten. Trotz kompaktem Reach und Radstand fällt die Sitzposition sportlich gestreckt aus. Dafür sorgen die tiefe Front und der (zu) flache Sitzwinkel. Auch das sollte man bei der Größenwahl beachten.

Ein langes Sitzrohr und ein eher flacher Sitzwinkel. Hier bleibt das Amflow PL Carbon erstaunlich konservativ.Foto: BIKE TestabteilungEin langes Sitzrohr und ein eher flacher Sitzwinkel. Hier bleibt das Amflow PL Carbon erstaunlich konservativ.Das kurze Steuerrohr und ein Lenker mit wenig Rise sorgen für eine (zu) tiefe Front.Foto: Max FuchsDas kurze Steuerrohr und ein Lenker mit wenig Rise sorgen für eine (zu) tiefe Front.

Volle Hütte: Ausstattung beim Amflow PL Carbon Pro

Beim Topmodell Amflow PL Carbon Pro achtet DJI natürlich auch bei der Ausstattung aufs Gewicht, verbaut aber kaum leichte Schummelparts. Der Fox-Factory-Dämpfer kommt mit Ausgleichsbehälter, der Exo+-Reifen hinten passt gut zum Einsatzbereich. Highlights sind die XO-Transmission-Schaltung von Sram und die zahlreichen hauseigenen Carbon-Parts (Laufräder, Lenker). In der Front steckt die Fox 36 Factory mit der Enduro-Dämpfung GripX2. Mehr geht nicht. Gemessen daran fällt der Preis mit 10.000 Euro sogar noch recht fair aus.

  • Gabel / Dämpfer: Fox 36 Factory GripX2 / Float X Factory
  • Schaltung: X0 Transmission
  • Bremsen: Magura MT7
  • Laufräder: Amflow HMC-30 Carbon
  • Reifen: Maxxis Assegai Exo / Dissector Exo+
  • Besonderheiten: Schnellladegerät
Srams X0 Transmission sortiert die zwölf Gänge am Amflow Pl Carbon Pro.Foto: Max FuchsSrams X0 Transmission sortiert die zwölf Gänge am Amflow Pl Carbon Pro.

Praxistest: So fährt sich das Amflow PL Carbon Pro

Unser Praxistest zeigt: Das Amflow PL Carbon ist ein richtig guter erster Wurf und schafft einen nie dagewesenen Kompromiss aus hoher Motorleistung und leichtfüßigem Fahrgefühl. Doch bei allem Lob: Es gibt auch Verbesserungspotenzial. Die Sitzposition fällt mit dem tiefen Lenker sportlich aus, der Sitzwinkel des Bikes ist recht flach. So sitzt man auf dem Amflow leicht gestreckt. Angenehm, um auf längeren Flachstücken Tempo zu machen.

Auf Tour gefallen die eher konservativ-sportliche Sitzposition und die geringe Geräuschkulisse des Avinox-Motors.Foto: Max FuchsAuf Tour gefallen die eher konservativ-sportliche Sitzposition und die geringe Geräuschkulisse des Avinox-Motors.Mit seiner enormen Leistung lupft der Avinox-Motor Bike und Fahrer spielerisch auch über schwerste Hindernisse.Foto: Max FuchsMit seiner enormen Leistung lupft der Avinox-Motor Bike und Fahrer spielerisch auch über schwerste Hindernisse.

Bergauf: Eigene Liga dank überlegener Motorpower

In anspruchsvollen Uphills ist die hecklastige Sitzposition aber nicht ideal. Im Anstieg steht die Hinterbaufederung hoch im Hub. Das begünstigt die Kontrolle bergauf, kostet aber etwas Traktion und Komfort. Gut also, dass der enorm kraftvolle und doch sehr gut dosierbare Motor diese Schwäche in der B-Note locker ausgleicht. Denn klar ist: Allein schon wegen des Motors fährt das Amflow bergauf in einer ganz eigenen Liga.

Der sportliche Charakter des Amflow setzt sich auch in den Bergab-Eigenschaften fort. So fährt sich das Bike auf flacheren Trails sehr spritzig und präzise und begeistert mit leichtfüßiger Fahrweise. Hier kommt fast schon Light-E-MTB Feeling auf. Ultimativ handlich wirkt das Bike zwar nicht. Doch klassische E-All-Mountains lässt das PL Carbon Pro wegen seines spritzigen Handlings deutlich hinter sich. Das geringe Gewicht von Bike und Laufrädern ist deutlich spürbar. Bei jeder Kante, bei jedem schnellen Kurvenwechsel, in jeder Beschleunigung.

Spritzig und leichtfüßig, wenn auch nicht ultimativ verspielt. Das Amflow PL Carbon bergab.Foto: Max FuchsSpritzig und leichtfüßig, wenn auch nicht ultimativ verspielt. Das Amflow PL Carbon bergab.

Bergab: Leicht aber wenig komfortabel

Die Kehrseite der Medaille: Wenn das Gelände ruppiger wird, neigt das Amflow zum Verspringen. Hier ist eine versierte Hand gefragt, um in Felspassagen oder auf Wurzelteppichen die Linie zu halten. Die tiefe Front vermittelt zudem wenig Sicherheit, das Sitzrohr fällt gemessen am kurzen Reach relativ lang aus. Gerade in steilen Passagen fühlt man sich so stärker nach vorne gedrückt, als eigentlich angenehm wäre. Mit tiefer Front und eher langem Heck lässt sich das Amflow auch nur widerwillig aufs Hinterrad ziehen - ein notwendiges Übel um im Uphill die Front wenigstens halbwegs im Zaum zu halten.

Bergab wären noch kürzere Kettenstreben schön, bergauf lupft das Amflow PL Carbon aber auch so schon leicht die Front. Insofern: Gelungener Kompromiss.Foto: Max FuchsBergab wären noch kürzere Kettenstreben schön, bergauf lupft das Amflow PL Carbon aber auch so schon leicht die Front. Insofern: Gelungener Kompromiss.

Erwartungsgemäß funktioniert die hochwertige Fox 36 Factory Gabel mit X2-Dämpfung exzellent und passt gut zum sportlichen Charakter. Im Vergleich zur Top-Gabel fällt die Heckfederung aber etwas ab. Speziell bei der Sensibilität vergaben die Tester nur mittelmäßige Noten.

Immerhin: Durch die straffe Fahrwerks-Abstimmung lässt sich das Bike leicht in die Luft ziehen und hält auch für hohe Geschwindigkeiten noch gute Reserven bereit, ist in rauem Gelände aber anstrengend zu fahren.

Bergab klappert der DJI-Motor nicht, dafür rasseln die Züge des Amflow deutlich im Rahmen. Schaumstoff-Hüllen würden Abhilfe schaffen. Der schwarze Klavierlack sieht in Kombination mit den goldenen Decals zwar edel aus, zeigt aber nach einigen matschig-winterlichen Ausfahrten schon deutliche Kratzspuren.

Im Winter musste sich das Amflow auch auf matschigen Trails im deutschen Mittelgebirge beweisen. Leider hinterließ das im schönen Lack schnell unschöne Scheuerstellen.Foto: Max FuchsIm Winter musste sich das Amflow auch auf matschigen Trails im deutschen Mittelgebirge beweisen. Leider hinterließ das im schönen Lack schnell unschöne Scheuerstellen.

BIKE-Bewertung des Amflow PL Carbon Pro

Stärken

  • leicht, bei massig Reichweite
  • ausgewogenes Trail-Handling
  • überlegener Motor
  • Schnellladegerät

Schwächen

  • Akku fest verbaut
  • flacher Sitzwinkel, kompakte Geo
  • Kontrolle im extremen Uphill
  • Klappergeräusche
  • Kratzempfindlich
Zwar kein Überflieger in extremem Gelände, aber die Ausgewogenheit des Amflow PL Carbon beeindruckt. So viel Spieltrieb bei gleichzeitig so viel Reichweite hatten wir noch nie.Foto: BIKE TestabteilungZwar kein Überflieger in extremem Gelände, aber die Ausgewogenheit des Amflow PL Carbon beeindruckt. So viel Spieltrieb bei gleichzeitig so viel Reichweite hatten wir noch nie.

Das BIKE Fazit

Das Amflow PL Carbon* will Light-Bike und Power-Bolide in einem sein. Und der Spagat gelingt erstaunlich gut! Es kommt zwar nicht an die Nehmerqualitäten der besten All Mountains und auch nicht an die Leichtfüßigkeit eines Light-Spezialisten heran. Doch alles dazwischen macht der Allrounder richtig stark. Herausragend ist das nie da gewesene Verhältnis aus Gewicht und Reichweite. Die Motor-Power bei gleichzeitig so sensibler Abstimmung ist phänomenal, das straffe Fahrwerk und die Geometrie sind eher nur Durschnitt. Trotzdem: Next Level! - Florentin Vesenbeckh, stv. Chefredakteur bei BIKE
Florentin Vesenbeckh ist stellv. Chefredakteur bei BIKE.Foto: Max FuchsFlorentin Vesenbeckh ist stellv. Chefredakteur bei BIKE.

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