Florentin Vesenbeckh
· 16.09.2024
UPDATE: Inzwischen stehen die Preise und Verfügbarkeiten der beiden Modelle des Amflow PL Carbon fest. Wir haben den Artikel mit allen Infos aktualisiert (KLICK!). Der ursprüngliche Artikel wurde zuerst am 14. Juli veröffentlicht.
Light-E-Bikes sind der absolute Trend im Fahrradmarkt. Doch im Windschatten leichter E-Mountainbikes mit dezenter Motor-Power entwickelt sich eine andere Kategorie zum neuen Überflieger: Leichte E-MTBs, die dennoch vollen Turbo-Schub liefern. Und genau hier will das Amflow PL brillieren. Es ist das erste E-Bike mit dem brandneuen DJI Avinox Mittelmotor - und das Aggregat steht verständlicherweise auch im Zentrum des Bikes. Mit, laut Hersteller, 120 Newtonmetern und bis zu 1000 Watt in der Spitze übertrumpft das Amflow PL Carbon mit dem DJI-Antieb klassische E-Bike-Motoren à la Bosch und Shimano deutlich. Und trotzdem bleibt das Topmodell des Amflow PL mit 600-Wh-Akku klar unter 20 Kilo. Wow!
Das neue Bike ist ein klassischer Trail-Flitzer. Mit 160/150 Millimetern Federweg ist es auch für schweres Gelände und Trails gewappnet - ohne zum unhandlichen Downhill-Monster zu werden. Das Chassis ist an Hauptrahmen und Hinterbau aus Carbon. An der Front rollt ein 29er-Laufrad, während es hinten die Wahl aus 29er- oder 27,5er-Rundling gibt. Per Flipchip soll man dafür die Geometrie entsprechend anpassen können.
Das Datenblatt des neuen Motors liest sich beeindruckend: Der DJI Avinox verspricht ein maximales Drehmoment von 105 Newtonmetern und eine Spitzenleistung von 850 Watt. Dies übertrifft die Werte klassischer Mittelmotoren wie den Bosch Performance CX und den Shimano EP801 deutlich, die mit 85 Newtonmetern und 600 Watt angegeben sind. Im Boost-Modus, der per Knopfdruck für 30 Sekunden aktiviert werden kann, soll der Motor sogar 120 Newtonmeter Drehmoment und 1000 Watt Leistung bieten.
Erstaunlich: Der DJI Avinox ist obendrein sogar noch kompakter als die renommierte Konkurrenz und integriert sich schlank in den Carbonrahmen des Amflow PL. Außerdem fällt er mit 2,52 Kilogramm (Herstellerangabe) auch deutlich leichter aus.
Das ganze System wirkt im Erstkontakt sehr ausgereift, besticht mit intuitiver Bedienung und obendrein einem geschmeidigen Fahrgefühl.
Batterieseitig hat DJI zwei Akkus im Angebot: 800 oder 600 Wattstunden. Beide Optionen passen in den Rahmen des Amflow PL Carbon - und sind fest im Unterrohr eingebaut. Zum Laden oder für den Akku-Wechsel auf Tour können sie also nicht mal eben entnommen werden. Im Schadensfall ist das jedoch kein Problem, denn mit etwas Arbeit lässt sich natürlich auch der DJI-Akku aus dem Bike herausbauen. Einen Range Extender sieht DJI nicht vor. Dafür aber ein anderes Tool: Das Amflow kommt mit einem Schnelladegerät, das mit 12 Ampere Ladestrom rund dreimal so schnell lädt, wie ein durchschnittliches E-Bike-Ladegerät. Damit lässt sich unterwegs effektiv die Reichweite aufbohren.
19,2 Kilo gibt Amflow für das Topmodell PL Carbon Pro mit 600er-Akku an. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Aber nur fast. Denn wir haben das Bike in Größe M an die Waage gehängt. Mit Pedalen und Schläuchen landete der Neuling, der laut DJI schon voll auf Serienstand ist, bei 19,7 Kilo. Knapp 400 Gramm Abzug für die Raceface-Pedale, und nochmal knapp 200 Gramm für die Schläuche im Vergleich zum Tubeless-Setup sind keinesfalls übertrieben. Die Herstellerangabe von 19,2 Kilo scheint das also ebenso wenig zu sein! Und damit spielt das Bike bei den leichten Kraftpaketen ganz, ganz vorne mit. Im ähnlichen Gewässer fischen Bikes wie das Orbea Rise mit schwächerem EP801-RS-Motor und 630er-Akku, das Cannondale Moterra SL mit starkem EP801 und 600 Wattstunden, oder das BH iLynx+ SL, ebenfalls mit Shimanos EP801 und 630 Wattstunden.
Bausteine für das starke Gewicht sind der schlanke Carbonrahmen, der laut Amflow 2,27 Kilo wiegen soll. Außerdem der leichte Avinox-Antrieb, der mit 2,52 Kilo leichter ist als ein Bosch Perf. CX (2,9 kg) oder ein Shimano EP801 (2,65 kg). Auch die DJI-Batterien fallen recht leicht aus. Der 600er-Akku soll 2,87 Kilo wiegen - auch das ist ein starker Wert. Mit einer Fox 36, einem Float-X-Dämpfer mit Ausgleichsbehälter und zumindest einigermaßen robusten Reifen (Maxxis Dissector EXO+/ Assegai EXO) verbaut Amflow keine Schummelparts, um das Gewicht zu drücken. Mit dem optionalen, kleineren 27,5er-Hinterrad könnte man obendrein noch mehr Gewicht einsparen.
Keine Experimente wagt Amflow bei der Geometrie. Die Werte treffen klassische Trail-Bike-Daten. Der Reach fällt moderat lang aus, der Lenkwinkel landet mit 64,5 Grad ebenso in gewohnten Bahnen. Auch die Kettenstrebenlänge von 445 Millimetern trifft ziemlich genau das Mittelmaß aktueller Light-Trail-E-MTBs. Einzige Besonderheit: Die Größe M ist mit einem Reach von 452 mm die kleinste Größe. Fahrerinnen und Fahrer unter 170 cm werden damit im Portfolio von Amflow wohl eher nicht fündig. Vermutlich liegt das an den langen 800er-Akkus, auf die die Bikes ausgelegt sind. Hiermit dürfte es schwer sein, noch kleinere Rahmen zu realisieren.
Amflow startet mit zwei Ausstattungsvarianten des PL Carbon, die in Deutschland beide ab Oktober 2024 ausgeliefert werden sollen. Die Marke wird sowohl auf den Direktvertrieb über die eigene Internetseite, als auch auf ein Händlernetz aus Fahrradläden setzen. Auf der Webseite des Herstellers gibt es inzwischen eine Liste mit über 35 Shops in Deutschland, darunter auch große Filialisten.
Auch die Preise sind inzwischen fixiert. Los geht´s bei 6499 Euro für das Amflow PL Carbon mit 800er-Akku. Das Topmodell kostet, je nach Akku-Größe 9799 oder 9999 Euro. Modelle setzen auf ein Fox-Fahrwerk, Magura-Bremsen und Sram-Schaltung. Mit Blick auf die Ausstattung sind die Preise im Marktvergleich keinesfalls abgehoben, sondern eher fair.
Zugegeben: Wir waren zuerst skeptisch, als wir gehört haben, dass DJI ein E-MTB baut. Doch der erste Eindruck vom Amflow PL Carbon ist exzellent. Optik, Gewicht, Bedienung und Features: Hier stimmt erstmal alles. Auf dem Trail muss das Bike natürlich erst noch seine Stärke beweisen. Wir freuen uns drauf und halten Euch auf dem Laufenden. - Florentin Vesenbeckh, stellv. Chefredakteur EMTB Magazin