Als das Alutech Pelmo auf der Eurobike 2024 erstmals präsentiert wurde, bekamen die Fans formschöner Aluminium-Rahmen feuchte Handflächen. Lange musste die Bike-Community auf ein gänzlich neues Fully aus dem Hause Alutech warten. Dass das Pelmo einige ganz besondere Eigenschaften besitzt, versteht sich fast schon von selbst. Aus der grauen Masse immer gleicher Mountainbikes sticht das Alu-Fully deutlich hervor. Nicht nur optisch macht das Alutech Pelmo große Lust auf einen Test. Qualität und Umwelt zu liebe wird es lokal in Europa produziert. Durch den Kleinserien-Ansatz und dem Jahrzehntelangen Know-How des Alutech-Teams finden sich einige spannende Details am brandneuen Pelmo. Wir konnten den Individualisten unter den All Mountains bereits auf unsere Prüfstände spannen und ins Gelände ausführen.
Jede gute Geschichte hat einen zugkräftigen Helden. Im Falle von Alutech heißt der Jürgen Schlender. Angestachelt vom wilden Mountainbike-Boom der 90er schweißte der gebürtige Berliner ein Alu-Fully zusammen und fuhr damit zum ersten BIKE Festival am Gardasee. Ein Mix aus der martialischen Optik des Bikes und der charismatischen One-Man-Show Schlenders nahm die Herzen der jungen deutschen Downhill-Community im Sturm. Bis Schlender sich entschließen konnte aus dem Privatvergnügen ein Business zu machen, vergingen allerdings nochmals zehn Jahre. Seine Erfahrungen als Haute-Couture-Schneider und im Gebrauchtwagen-Handel qualifizierten ihn in den eigenen Augen nicht zum Geschäftsführer einer Bike-Marke.
2001 übernahm er dann doch das kleine Bielefelder CNC-Label Alutech und schweißte das erste Modell „Wildsau“. Inzwischen hat Schlender 24 Jahre als Entwickler und Rahmenbauer auf dem Buckel. Seine Kreationen sind nach wie vor unverkennbar. Auch das Pelmo, neuster Wurf des Wahl-Norddeutschen und benannt nach einem Bergmassiv der Dolomiten, trägt mit seinen geschwungenen Rohren das Erbe dieser Geschichte. Dahinter steckt aber nur teilweise das Firmen-Image. Während der Corona-Pandemie hatte Alutech als Abnehmer kleiner Stückzahlen große Verfügbarkeits-Probleme mit der zwischenzeitlich nach Asien verlagerten Produktion. Schlender entschloss die Fertigung zurück nach Deutschland zu holen.
Aus überschüssigen Rohren des Enduro-Modells „Fanes“ entstand das erste Pelmo. Auch in Serie wird bereits zugeschnittenes Material ressourcenschonend wiederverwendet. Was das Fanes bisher nicht hatte: Frästeile. Schlender ist gut vernetzt und fand in einem CNC-Spezialisten aus den Niederlanden einen passenden Partner. Bei Recycling und lokaler Herstellung hört die Nachhaltigkeit des Pelmo aber noch nicht auf. Im Unterrohr verbirgt sich hinter einem aufklappbaren Cover ein Staufach. Die passende Werkzeugtasche näht Jürgen Schlenders Frau von Hand aus alten Werbebannern und Alutech-Pavillons. Wer das Pelmo mit besonderer Handschrift möchte, investiert 1200 Euro Aufpreis und klickt im Konfigurator auf „Sanded Welding“. Dann schleift Schlender selbst jeden Rahmen volle 1,5 Tage lang ab. Aufgrund des immensen Aufwands soll das exklusive Finish aber auf die homöopathische Stückzahl von zehn Bikes begrenzt bleiben. In Standard-Optik startet der Rahmen bei 2999,95 Euro, Komplettbikes bei 4599,95 Euro.
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Um unserem harschen Testgelände in Finale-Ligure gerecht zu werden, orderten wir das Pelmo mit zehn Millimetern mehr Gabelhub und Mullet-Setup. Über austauschbare Ausfallenden ließe sich das All Mountain auf ein 29 Zoll großes Hinterrad umbauen. Wer bei der Kultschmiede den vollen Luxus ordert, kann für knapp 8000 Euro das Gewicht um rund zwei Kilo drücken. Auch, wenn die schicke Optik mit tadelloser Verarbeitung vertraut scheint, hat das Pelmo doch etwas, das es bei Alutech lange nicht gab: eine Flaschenhalteraufnahme. Im Erstkontakt hob unser Test-Team positiv überrascht die Augenbrauen. Auch, wenn 15,4 Kilo bestenfalls All-Mountain-Mittelfeld sind, fühlt sich das Pelmo alles andere als schwer an. Die Agilität geht dank moderatem Laufradgewicht in Ordnung. Dieses erschummelt man sich allerdings mit leichter EXO-Reifen-Karkasse. Am Hinterrad herrscht Plattengefahr!
Im Sattel fällt die Körperposition extrem vorderradorientiert aus. Mit massig Druck auf der flachen Steuerzentrale und kleinem 30-Zähne-Kettenblatt nimmt das Bike jede noch so hochprozentige Rampe. Im Flachland ist der 77,9 Grad steile Sitzwinkel zu viel des Guten und die Handgelenke müssen aufgrund der gedrungenen Sitzposition eine Menge Last ertragen. Derweil bleibt der Hinterbau erfreulich antriebsneutral. Nur im Wiegetritt pumpt das Heck mit. Der Plattformhebel schafft Abhilfe. Vorsicht ist geboten, wenn der Anstieg technisch wird. Wegen des tiefen Tretlagers drohen die 175 Millimeter langen Kurbeln aufzusetzen. Zusätzlich muss der Fahrer bei niedrigen Geschwindigkeiten aktiv gegen das Abkippen des extraflachen Lenkwinkels arbeiten.
Dass im Downhill nicht alle Testfahrer mit dem Pelmo warm wurden, liegt vor allem an der speziellen Fahrposition. Der nach hinten gewinkelte Lenker mit wenig Rise mag keine Wohlfühl-Position erzeugen. In Engstellen ist der 800-Millimeter-Bügel zu breit und die Kettenstreben sind zu lang für wendige, verspielte Fahrmanöver. Dazu schafft es der Hinterbau nicht an die Sensibilität seiner Vorgänger anzuknüpfen und wirkt immer wieder überdämpft. Komfort gehört nicht zu den ausgewiesenen Stärken des Pelmo.
Erst als wir das Cockpit höher legen und in den Vollgas-Modus wechseln, erwacht das Handling zum Leben. Dann erzeugt die starke Rockshox Lyrik Ultimate Gabel in 62,2 Grad flacher Stellung zusammen mit dem ausladenden Heck eine gute Laufruhe. Extreme Steilstücke nimmt die Kombi mit Links. Bei hohem Tempo macht auch die Hinterbaufederung einen besseren Job, nimmt grobe Schläge zunehmend raus und bringt Ruhe ins System. Mit 200 Millimeter Hub an der Variostütze und extrem kurzem Sitzrohr steht der Sattel nie im Weg. Die top dosierbaren Formula-Bremsen sind ein weiteres Ausstattungs-Highlight.
Erläuterung zum BIKE-Bewertung Spinnendiagramm: Uphill, Spieltrieb, Downhill bezieht sich auf das Fahrverhalten: Je größer der Ausschlag, desto besser die Eignung. Ausstattung: setzt sich aus unterschiedlichen Punkten wie Qualität/Verarbeitung, Usability, Flaschenhaltervolumen, Sattelversenkbarkeit zusammen. Vortrieb: Einfluss von Gesamtgewicht und Laufradträgheit. Bewertet wurde das Alutech Pelmo in der Kategorie All Mountain.
Dank Qualität, Nachhaltigkeit und schönen Details hat das Alutech Pelmo das Zeug zum Liebhaberstück. Trotz “Made in Germany” muss sich das Alutech bei der Preis-Leistung nicht verstecken. Es ist ein Bike mit Ecken, Kanten und einer krassen Geo. Über die speziellen Fahreigenschaften können Fans vermutlich hinwegsehen. Alle anderen müssen sich auf Defizite beim Fahrwerkskomfort einstellen. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur