„Hoffentlich machen die Trails in Eberbach wenigstens was her.“ Der Unmut in Peters Stimme ist kaum zu überhören, als wir nach fünf Minuten Autofahrt schon durch den ersten Stau zuckeln. Noch vier Stunden reine Fahrzeit prognostiziert das Navi.
Den Zielort Eberbach haben wir natürlich nicht willkürlich gewählt. Die kleine Gemeinde in Baden-Württemberg soll angeblich über eines der besten legalen Trail-Netzwerke in Deutschland verfügen. Ob das stimmt und sich der Ritt lohnt, wird sich erst zeigen. Vor diesem Hintergrund kann ich die Stimmungslage meines Kollegen verstehen, zumal sich beim Blick in den Laderaum des BIKE-Transporters die Vorfreude ebenfalls in Grenzen hält. Eingepfercht zwischen Reisetaschen, Werkzeug und Foto-Equipment drängen sich dort „nur“ drei All Mountains zum Spartarif zwischen 2299 Euro 2529 Euro.
Warum so billig, wird sich der ein oder andere jetzt fragen. Durchforstet man unsere BIKE-Tests, scheint die Frage aber durchaus berechtigt. Die Zahl der erschwinglichen MTB-Modelle mit guter Funktion nimmt seit langem ab. Preise auf Neuwagenniveau, jenseits der 10.000-Euro-Grenze, sind dagegen längst keine Ausnahme mehr. Selbst bei unseren günstigen Vergleichstests starten wir im Fully-Segment meist erst bei 3000 Euro. Darunter konnten bislang nur die wenigsten Hersteller ein wirklich geländetaugliches Gesamtpaket schnüren. Ob das immer noch so ist? Wir wagen den Versuch. Werden wir in zwei Tagen auf den hochgelobten Eberbach-Trails auch mit derart günstigen Bikes auf unsere Kosten kommen?
Testkandidat eins ist das YT Jeffsy Core 1. Das Bestseller-All-Mountain bekam erst im vergangenen Herbst ein Update. Was ist neu? Bis auf die geradlinigere und reduzierte Formensprache erkennt man auf den ersten Blick keine gravierenden Unterschiede zum Vorgänger. Die Veränderungen stecken im Detail: Eine modernere Geometrie sowie eine optimierte Kinematik sollen das Bike bergauf wie bergab noch fähiger machen. Besonders interessant für diesen Test ist aber die Preisgestaltung des neuen Jeffsy. Für nur 2499 Euro besitzt der Alu-Rahmen dieselben Features wie die Highend-Modelle aus Carbon. Dazu zählen ein Flipchip, größenspezifische Kettenstreben und ein Innensechskant in der Hinterrad-Achse. Dass die Forchheimer diese Technologien auch zum kleinen Preis anbieten können, liegt unter anderem an ihrem onlinebasierten Geschäftsmodell. Im Gegensatz zu den beiden Fachhandelsmarken im Test vertreibt YT seine Bikes ausschließlich über das Internet. Man sucht sich sein Wunschbike auf der Website aus, bezahlt, und bekommt es im Anschluss an die Haustüre geliefert. Die Kosten für den Händler entfallen. So bleibt in unserem Fall mehr Budget, um in ein sehr hochwertiges Chassis zu investieren. Und das, ohne zu große Kompromisse bei den Komponenten eingehen zu müssen.
Genau das ist bei unserem zweiten Testkandidaten der Fall: Der Alu-Rahmen des Merida One Forty 400 teilt sich ebenfalls die Funktionsmerkmale mit den bis zu 10.000 Euro teureren Carbon-Modellen. So kommt das Bike schon für 2299 Euro mit flexenden Sitz- und Kettenstreben anstelle zusätzlicher Lagerpunkte am Hinterbau. Alle Kabel verlaufen sauber integriert durch den Steuersatz ins Rahmen-innere und das Agilometer-Konzept erlaubt es dem Kunden, seine Größe anhand der bevorzugten Länge zu wählen. Dank des Flipchips lässt sich das Bike auch im Mullet-Setup mit kleinem Hinterrad fahren. Volle Hütte also. Um das zu finanzieren, fährt Merida in puncto Ausstattung einen radikalen Sparkurs. So radikal, dass die Fachhandelsmarke sogar als einziger Hersteller auf einen 1x12-Antrieb verzichtet und Shimanos Hybrid-Gruppe Cues mit nur elf Gängen spezifiziert.
Der dritte Kandidat, das Marin Rift Zone 2 für 2529 Euro, verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Die Kalifornier haben mit dieser Modellreihe nur ein Ziel im Blick: großen Fahrspaß zum kleinen Preis. Bei der Premiere Ende 2022 umfasste die Modellpalette deshalb nur drei Varianten zwischen 1999 und 3499 Euro. Carbon? Zu teuer. Stattdessen vertraut die Kultmarke bei allen drei Rift-Zone-Versionen auf ein simples Rahmendesign aus Alu-Rundrohren mit einem einfachen Viergelenker-Hinterbau. Technische Gimmicks wie einen Flipchip, ausgefallene Formen oder Systemintegration sucht man vergebens. Dafür besitzt das Marin das mit Abstand beste Fahrwerk im Test, einen funktionalen Deore-Antrieb von Shimano und solide Reifen. Auch bei der Geometrie bleiben keine Wünsche offen. Ob Marin mit dieser Herangehensweise Preis und Leistung am besten in Einklang bringen kann, wird sich noch zeigen.
Diese 3 All Mountain Bikes hatten wir im Test:
Nach fünf Stunden Fahrt, Frühstücksstopp und Pinkelpausen eingerechnet, ziehe ich am Fuße des Hebert den Schlüssel aus dem Zündschloss. Mit 519 Metern ist er der höchste Berg im Bikeländ-Eberbach, wie die Badener ihren Trail-Park nennen. Schnell schlüpfen wir in unsere Bike-Klamotten, füllen die Kohlenhydratspeicher mit Gebäck auf und stimmen die Testbikes auf uns ab. Abfahrt. Glaubt man der Trailkarte, umgibt uns aktuell ein Geflecht aus zwölf speziell für Biker angelegten Singletrails. Heute und morgen wollen wir mit den drei Budget-Bikes das Streckennetz einmal komplett durchkämmen. Mit einem maximalen Höhenunterschied von 270 Metern auf steilen und technisch anspruchsvollen Abfahrten sollte sich das Revier perfekt als Testparcours für unseren Vergleich eignen.
Mit der Trailkarte im Gepäck rollen wir los. Teils ziemlich steile Schotterrampen, unterbrochen von zwei kürzeren Abfahrten, führen uns zum höchsten Punkt des Reviers. Hier wird schnell klar: Geringes Gewicht alleine reicht nicht aus, um im Anstieg abzuliefern. Auf dem Merida zeigt sich, dass vor allem die Effizienz des Fahrwerks und die Reifen darüber entscheiden, wie viel Zeit man bergauf einplanen muss. Obwohl das Bike des Branchenriesen mit Pedalen fast die 18-Kilo-Marke knackt, würden alle Tester das Merida One Forty mit seinen leicht rollenden Reifen und dem antriebsneutralen Heck der leichteren Konkurrenz im Uphill vorziehen – und das bei zwei Kilo Mehrgewicht im Vergleich zum Marin Rift Zone 2, wohlgemerkt.
Und wie steht es um die Abfahrtsperformance? Hier fällt unsere Wahl eindeutig zugunsten des Marin aus. Alle Kandidaten verfügen zwar über erstklassige Geometrien, bei Merida und YT Jeffsy Core 1 stellten sich letztendlich aber das Fahrwerk und insbesondere die Federgabeln als limitierende Faktoren heraus. Das Marin Rift Zone sammelte dagegen mit einem gesunden Mix aus Spieltrieb und Souveränität, gepaart mit seiner überlegenen Fahrwerksqualität die meisten Punkte.
Nach zwei Tagen im Bikeländ Eberbach steht nicht nur fest, dass Peters anfänglicher Missmut völlig unbegründet war. Die Trails konnten uns auf ganzer Linie überzeugen. Und auch unser Vergleichstest liefert klare Antworten. Dass Fullys um 2500 Euro Spaß machen, steht am Ende außer Frage. Der Testsieger von Marin ist der beste Beweis dafür. Ob das Bikeländ Eberbach nun wirklich Deutschlands bester Trailpark ist, müssen wir noch diskutieren. Doch dafür haben wir ja jetzt ganze fünf Stunden lang Zeit.
Benotung: Das BIKE-Urteil setzt sich aus den subjektiven Eindrücken der Testfahrer und unseren Labormesswerten zusammen. Das Urteil ist preisunabhängig. Notenspektrum: sehr gut (0,5–1,5), gut (1,6–2,5), befriedigend (2,6–3,5), ausreichend (3,6–4,5), mangelhaft (4,6–5,5). Rahmensteifigkeit: Seitensteifigkeit in N/mm getrennt für den Hinterbau und das vordere Rahmendreieck inklusive der verbauten Federgabel. Laufradträgheit: Je niedriger der Messwert, desto besser lassen sich die Laufräder beschleunigen. Gewicht: BIKE-Messwerte, Gesamtgewicht mit Pedalen, Laufradgewicht mit Reifen, Kassette und Bremsscheiben.
Marin, Merida und YT bedienen nicht als einzige Hersteller die 2500-Euro-Preisklasse. Wir zeigen fünf spannende Alternativen.
Federweg 150 / 140 mm // Laufräder 29" // All Mountain
Spätestens seit der Einführung der neuen Feel-Modelle ist die Eigenmarke von Decathlon ihr Discounter-Image los. Das All Mountain ist nicht mehr nur erschwinglich, sondern auch top ausgestattet. Auch die Geometrie verspricht großen Fahrspaß.
Federweg 140 / 130 mm // Laufräder 29" // Trailbike
Newschool-Shredder kennen das Habit aus den Videos der Trickser-Crew 5010. Darin demonstrieren Superstars wie Josh Bryceland, was mit dem Allrounder alles möglich ist. Aber auch in vergangenen BIKE-Tests konnte das Habit schon punkten.
Federweg 150 / 135 mm // Laufräder 29" // All Mountain
Die Marke Polygon wird vermutlich nicht jedem ein Begriff sein. Wer allerdings in der 2500-Euro-Klasse ein geländetaugliches All Mountain sucht, sollte das ändern. Denn das Siskiu bietet viel Federweg, eine stimmige Geometrie und top Komponenten.
Federweg 150 / 150 mm // Laufräder 29" // All Mountain
Geht es um All Mountains mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, führt kein Weg am Spectral des deutschen Versenders Canyon vorbei. Das Bike konnte in unseren Tests schon in sämtlichen Varianten und Ausbaustufen Bestnoten einfahren.
Federweg 150 / 140 mm // Laufräder 29"// All Mountain
Auch bei Radon lautet die Devise schon immer: viel Bike für wenig Geld. So schnürt der Versandhändler auch im All-Mountain-Sektor bereits für 2199 Euro ein äußerst vielversprechendes Gesamtpaket. Absolutes Highlight: der Hauptrahmen aus Carbon.
Ein Trailpark mit 12 Strecken im Land der Zwei-Meter-Regel: Das muss man über Eberbach wissen.
Von Heilbronn nach Heidelberg verläuft der Neckar in einem Tal. Am nördlichsten Knick, dort, wo die Itter in den Neckar mündet, befindet sich in einem kleinen Kessel die Gemeinde Eberbach. Einwohnerzahl: 15.000. Mit der Zeit haben sich die Flüsse hier tief durch den Sandstein des Odenwalds gegraben und das perfekte Terrain für Mountainbiker modelliert. Der höchste Berg des Odenwalds, der Katzenbuckel, steht nur einen Sandsteinwurf weit von Eberbach entfernt. Mit 626 Metern Höhe liegt zwischen ihm und dem Zentrum von Eberbach ein Höhenunterschied von 500 Metern. Stattlich für ein Mittelgebirge.
Die Trails des sogenannten Eberbacher Bikeländ schlängeln sich links und rechts an den Hängen des Neckars. Die Altstadt hat man fast immer in Sicht. Insgesamt zwölf speziell angelegte Trails, allesamt von der anspruchsvolleren Sorte, lassen sich zu einer 44 Kilometer langen Tour mit 1800 Höhenmetern verbinden. Den Trail-Spaß erkurbelt man sich recht unkompliziert auf befestigten Forststraßen. Hat man einmal den Startpunkt gefunden, findet man sich dank der vorbildlichen Beschilderung auch ohne Navigationsgerät zurecht. Wer länger im Odenwald bleiben möchte, kann sich neben den zwölf Bikeländ-Trails auch im Bikepark Beerfelden mit neun Strecken und einem Schlepplift vergnügen. Auch die drei Flowtrails in Mosbach sind einen Besuch wert.