32 Zoll - Hype oder Mehrwert?Fakten und Stimmen zur neuen Laufradgröße

Peter Nilges

 · 25.12.2025

32 Zoll - Hype oder Mehrwert?: Fakten und Stimmen zur neuen LaufradgrößeFoto: Max Fuchs
Wird 32 Zoll den 29ern den Rang ablaufen?
Die Laufradgröße ​32 Zoll steht in den Startlöchern und will 29 Zoll vom Thron stürzen. Wir haben alle Fakten in einem ausführlichen Test zusammengetragen und Branchen-Insider nach ihrer Meinung zum Thema 32 Zoll befragt.

Kaum ein Thema wird so emotional diskutiert wie eine neue Laufradgröße. 32 Zoll macht hier keine Ausnahme - im Gegenteil. Aber was sagt eigentlich die Faktenlage? Und was die Experten, die das neue Maß schon ausführlich getestet haben? Wir haben einen 32-Zöller durchs Labor geschleust und mit Bike-Entwicklern gesprochen. Nüchtern und objektiv. Hier gibt’s die Erkenntnisse.

32 Zoll erhöht die Traktion und verbessert so die Uphill-Qualitäten.Foto: Max Fuchs32 Zoll erhöht die Traktion und verbessert so die Uphill-Qualitäten.


Grip

Auch wenn manche den größeren Laufrädern automatisch eine größere Reifenaufstandsfläche andichten werden, ist dem nicht so. Bei gleichem Reifenluftdruck und identischem Karkassenaufbau bleibt die Reifenaufstandsfläche gleich groß. Lediglich die Form der Aufstandsfläche ändert sich. Durch den größeren Durchmesser fällt die Fläche beim 32-Zöller länglicher als beim 29er aus. Somit greifen mehr Stollen in den Boden, was den Grip steigert. Das Plus an Traktion ist deutlich spürbar und verbessert sowohl Kletter- als auch Bremseigenschaften.

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Bei der Beschleunigung hat 32 Zoll das Nachsehen. Die Trägheit der Laufräder liegt um 27 Prozent höher als bei 29 Zoll.Foto: Max FuchsBei der Beschleunigung hat 32 Zoll das Nachsehen. Die Trägheit der Laufräder liegt um 27 Prozent höher als bei 29 Zoll.

Trägheit

​Sobald der Durchmesser der Laufräder wächst, erhöht sich zwangsläufig nicht nur das Gewicht, sondern auch die Massenträgheit. Der Löwenanteil des Mehrgewichts entfällt auf Reifen, Felgen und längere Speichen, der Rahmen wird durch die längeren Kettenstreben und die angepasste Geometrie nur unwesentlich schwerer. Laut unserer Labormessungen liegt die Massenträgheit beim 32-Zöller im Vergleich zum 29er um 27 Prozent höher. Die Werte basieren auf einem Mavic-Crossmax-Laufradsatz in 29 Zoll sowie einem 32-Zoll-Prototyp von Bikeahead – jeweils im Tubeless-Setup mit Maxxis-Aspen-Reifen in 2,4er Breite.

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74 Millimeter mehr misst der 32 Zöller im Vergleich zum 29er.Foto: Max Fuchs74 Millimeter mehr misst der 32 Zöller im Vergleich zum 29er.

Durchmesser

​Ganze 74 Millimeter legt der 32-Zöller im Vergleich zum 29er beim Durchmesser zu – wohlgemerkt bei identischer Maulweite und gleichem Reifenmodell. Damit liegt der Größensprung auf dem Niveau von 26 Zoll zu 29 Zoll. Um die großen Laufräder im Rahmen zu integrieren, muss auch der Radstand wachsen. Eine Kettenstrebenlänge unter 450 Millimetern wird kaum möglich sein, wodurch die Gesamtlänge auf über zwei Meter ansteigt.

Bei unseren Vergleichsmessungen brauchte der 32 Zöller 7 Prozent weniger Leistung.Foto: Max FuchsBei unseren Vergleichsmessungen brauchte der 32 Zöller 7 Prozent weniger Leistung.

Rollwiderstand

​Der schlechtere Antritt bei einer Tempoverschärfung lässt sich nicht wegdiskutieren und ist klar spürbar. Bei gleichförmiger Geschwindigkeit helfen jedoch die höhere Trägheit und die besseren Überrolleigenschaften. Der 32-Zöller konserviert den vorhandenen Speed besser und bleibt deutlich weniger an Unebenheiten hängen. Unsere Leistungsmessung bestätigt im Uphill eine um sieben Prozent höhere Effizienz beim 32-Zöller – und das sogar bei einem Gewichtsnachteil von aktuell noch zwei Kilo.

Gewicht

​In unserem Vergleich bringt der 32-Zoll-Reifen durchschnittlich 75 Gramm mehr als der 29er auf die Waage. Der Maxxis Aspen im Test ist ein spärlich profilierter Race-Reifen. Gröbere Profile mit mehr Gummi auf der Lauffläche dürften einen größeren Unterschied bewirken. Die Gewichtsdifferenz zwischen den von uns gewogenen Laufradsätzen betrug 234 Gramm.

Die Laufradevolution am Mountainbike: Zwischen 26 und 32 Zoll liegen fast 14 Zentimeter.Foto: BIKE-MagazinDie Laufradevolution am Mountainbike: Zwischen 26 und 32 Zoll liegen fast 14 Zentimeter.

​Laufradevolution: Das nächste große Dinge?

​Über Jahrzehnte hinweg dominierte die 26-Zoll-Größe den MTB-Markt und war das Standardmaß für Fahrer aller Größen und Disziplinen. Eine ähnlich lange Epoche, die von der Gründung des MTBs bis etwa 2015 reichte, kann bislang kein anderes Laufradmaß vorweisen.

Die US-Marke Niner erkannte früh das Potenzial der größeren Laufräder und setzte bereits 2005 auf 29 Zoll. BIKE testete 2008 das erste 29er Hardtail: ein Gary Fisher Fisher Superfly 29.

​Es dauerte jedoch bis 2010, bis die ersten Rennsiege mit diesen großen Rädern errungen wurden. Ihre Etablierung verlief nur schleppend und mit viel Gegenwind.

Die Zwischengröße 27,5 Zoll betrat deutlich nach 29 Zoll die MTB-Bühne. Nino Schurter pilotierte 2012 in Pietermaritzburg erstmals ein 27,5-Zoll-Bike zum Worldcup-Sieg. Aktuell findet sich die “Zwischengröße” nur noch bei kleinen Rahmengrößen und kommt für mehr Bewegungsfreiheit bei großen Federwegen am Hinterrad zum Einsatz.

​Maxxis präsentiert 2025 auf der Eurobike einen Aspen-Reifen in 32 Zoll. Einzelne Firmen wie BMC, KTM, Stoll oder Bike Ahead zeigen ebenfalls die ersten Prototypen auf Basis der Riesenräder.

Meinungen zum Thema 32 Zoll

Thomas Stoll,  Inhaber von Stoll BikesFoto: Max FuchsThomas Stoll, Inhaber von Stoll Bikes

​Thomas Stoll, Inhaber von Stoll Bikes

„Wir sind davon überzeugt, dass 32 Zoll im Cross-Country- und Marathon-Segment 29 Zoll ablösen wird. Bereits die ersten Vergleichsfahrten mit unserem Prototyp waren sehr vielversprechend und haben gezeigt, dass 32 Zoll nicht nur schneller ist, sondern viel mehr Reserven bietet. Und das, obwohl der Prototyp-Rahmen noch deutlich schwerer ausfällt als der geplante Serien-Carbonrahmen.“
​Rene Krattinger,  Produktmanager bei ScottFoto: Rene Krattinger​Rene Krattinger, Produktmanager bei Scott

​Rene Krattinger, Produktmanager bei Scott

„Wir sind schon seit längerem am 32-Zoll-Thema dran und testen intensiv. Bislang hat sich wirklich jeder, der 32 Zoll gefahren ist, überaus positiv geäußert. Ich kann mir sogar vorstellen, dass die großen Laufräder auch an Bikes mit mehr Federweg, über Cross-Country hinaus, echte Vorteile bringen. Da der Kunde bei uns nicht das Versuchskaninchen sein soll, bringen wir jedoch erst etwas auf den Markt, wenn es zu 100 Prozent funktioniert.“
BIKE-Redakteur Max Fuchs. Foto: | Thomas WeschtaBIKE-Redakteur Max Fuchs. Foto: | Thomas Weschta

​Max Fuchs, Redakteur BIKE

„Das Überrollverhalten und der Grip sind einfach krass. Man hat das Gefühl, als könnte man damit den Downhill-Men in Finale Ligure hochfahren. Auch mit 1,73 Meter ist mir das Bike nicht zu groß vorgekommen. Lediglich in zwei scharfen S-Kurven war die zusätzliche Länge negativ spürbar. Dafür nimmt dir das Bike enorm viel Arbeit ab und verlangt ein wesentlich geringeres Fahrkönnen vom Piloten.“
​Luca Schwarzbauer,  Worldcup-ProfiFoto: Canyon​Luca Schwarzbauer, Worldcup-Profi

​Luca Schwarzbauer, Worldcup-Profi Crosscountry

„Das Potenzial von 32 Zoll ist so enorm, dass aktuell alle großen Rennteams intensiv am Testen sind. Für sehr kleine Fahrer und Fahrerinnen stellt sich die Frage, ob die großen Laufräder eine sinnvolle Rahmen- und Cockpit-Geometrie zulassen. Aber auch dafür wird es sicherlich Lösungen geben. Neben dem besseren Rollverhalten und dem Kurven- Handling hat mich das enorme Sicherheitsgefühl in steilen, technischen Passagen überzeugt. Du hast viel mehr Fahrrad um dich herum, und ein Überschlagsgefühl gibt es nicht mehr.“
Peter Denk, KonstrukteurFoto: Laurin LehnerPeter Denk, Konstrukteur

​Peter Denk, Bike-Konstrukteur

„Ich finde 32-Zöller auszuprobieren super. Die damalige Ablehnung gegenüber 29 Zoll hat uns sicherlich etwas blind gemacht, was die Akzeptanz der Laufradgröße angeht. Bei den aktuellen Cross-Country-Strecken könnten 32-Zöller jedoch den rennentscheidenden Vorteil bringen. Selbst für den Enduro- und Downhill-Einsatz könnte 32 Zoll am Vorderrad sehr spannend sein. In Bezug auf die Lenkgeometrie, gerade was Winkel und Gabel-Offset anbelangt, gibt es sicherlich noch Potenzial, um das Beste aus den großen Laufrädern rauszuholen.“

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