Moderne Lastenräder sind praktisch. Morgens die Kleine in die Kita fahren, vormittags den Großeinkauf erledigen, mittags in einem Aufwasch gleich Kind und Einkauf nach Hause chauffieren; nachmittags radelt dann der Partner mit der großen Tasche zum Sport, und am Wochenende geht’s zum Baumarkt … Lastenräder sind voll auf der Höhe des modernen Alltags – bis auf eine „Kleinigkeit“: Ihre Ausmaße! Parken, rangieren, das Handling, alles ist doch etwas komplizierter als beim Normalrad. Das dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass Mini-Cargobikes oder Kompakträder mit Transportfunktion nach dem großen Lastenradboom der „Großen“ nun besonders im Trend liegen. Wir haben uns bei den Kandidaten auf eine Länge von 1,80 Metern beschränkt – also knapp der Länge eines ausgewachsenen Tourenrads. Damit ist man – wenn das Handling stimmt – in der Stadt mindestens so wendig wie mit einem Citybike und – wichtig! – benötigt nur eine Abstellplatz von der Länge einer Pkw-Breite. Durch die Beschränkung der Länge fielen andere interessante Räder wie das auch noch eher kleine Muli Lastenrad (siehe Reportage auf S. 38) durch den Filter. Wichtige Fragen sollten sein:
1. Sind diese Räder vor allem Kompromisse?
Die meisten Räder erreichen ihre geringen Ausmaße durch ein oder zwei kleine Laufräder. Grundsätzlich haben kleine Laufräder Vor- und Nachteile. Sie verschleißen durch den kleineren Umfang etwas schneller, fädeln bei geringer Breite schneller in Laufrillen oder Straßenbahnschienen ein, rollen, einmal angeschoben, weniger ausdauernd und lassen sich von Unebenheiten oder Schlaglöchern leichter aus der Fassung bringen. Doch dafür sind sie leichter zu beschleunigen und bieten – in der City wünschenswert – höhere Wendigkeit.
Tendenziell sind kleinere Laufräder auch stabiler als große. Bis hinunter zu 20 Zoll halten sich die negativen Eigenschaften in Sachen Handling bei kleinen Laufrädern in Grenzen. Überragenden Geradeauslauf für Reiseeinsatz braucht man allerdings nicht zu erwarten – wobei hier unser Tern schon nahe dran ist. Beim Yoonit mit seinen 16- beziehungsweise 18-Zöllern scheiden sich dann doch die Geister: Die Wendigkeit des Rads ist überragend, das Handling dazu aber recht nervös – der serienmäßige Lenkungsdämpfer kann es nur wenig besänftigen. Allerdings wird die Herausforderung für den Fahrer deutlich geringer, sobald man 20 oder mehr Kilo an Gewicht geladen hat. Großflächige Güter kann man aber auf diesem Rad dank flexiblem Carrier mit 60 Zentimetern Länge am besten transportieren.
2. Wie werden die Micro-Cargos zu spezialisierten Profis im individuellen Transport?
Dazu haben die Räder unterschiedliche Voraussetzungen: Das Tern als kurzes Longtail also Gepäck und Gewicht vor allem über dem Hinterrad, das Yoonit als kurzes Longjohn-ähnliches Rad mit Lastenaufnahme über dem Vorderrad. (Wobei sich das Longjohn eigentlich mit Gepäck hinter der Vorderachse definiert.) Qio und Moca kann man als unterschiedliche Interpretationen des Bäckerrades sehen. Die Frage stellte sich für uns, ob das große Hinterrad dem Moca Vorteile verschafft. Doch das Zubehör spielt für den breiten Einsatz unserer Räder die wesentliche Rolle: Alle Hersteller ermöglichen mit speziellem Zubehör für ihr Rad Individualisierung und Anpassung an den Nutzen. Für alle Testräder gibt es so viel davon, dass die einzelnen Optionen nicht alle in den Testkästen Platz fanden. Die Basisentscheidung: Kinder- oder Lastentransport – oder doch beides? Bei keinem Anbieter ist es ausgeschlossen, das zu kombinieren – teils im gleichen Zubehör; so bietet Terns Storm Box Mini mit dem Clubhouse-Sitz etwa die Möglichkeit zum Kinder- wie Einkaufstransport. Beim Qio heißt Kindertransport dagegen klar: Kindersitz, auch wenn es auch hier unzählige Möglichkeiten gibt, weiter aufzurüsten und zu spezialisieren.
Wir haben grundsätzlich E-Lastenräder getestet, denn kleine Laufräder alleine machen noch keine Leichtgewichte aus einem Lastenrad, und die Fracht bringt sich auch nicht selbst in Schwung. Mit Transportfracht oder Kindern unterstützungslos Fahrrad zu fahren sollte nicht nur etwas für Kraftbolzen sein. So sind unsere Räder mit Shimanos Mountainbike- beziehungsweise Cargo-Antrieb EP6 am Yoonit und Moca, aber auch mit Bosch-Active- oder Performance-Line-Motoren wie am Qio und am Tern mit dem Active Line ausgestattet. Richtig ist: Je schwerer die Fracht – und bei Yoonit oder Qio sind immerhin 180 Kilogramm Gesamtgewicht drin –, desto mehr hat der Motor zu tun. Das Qio mit dem „kleinen“ Bosch-Motor ist daher in flachen oder nur leicht hügeligen Gefilden angenehm unterwegs, während das Tern mit Bosch Performance oder das Yoonit mit den kräftigeren Shimano-Antrieben knackige Anstiege noch etwas besser bewältigt. Grundsätzlich sollte hier das heimische Terrain schon ein Wörtchen mitreden, auch wenn die Motorkraft nicht alles ist. Begeistern kann auch der harmonische Lauf des Active Line Plus. Alle Räder sind ungefedert, was auch bedeutet, dass die Ladung Erschütterungen wegstecken muss. Der Fahrer bekommt davon oft weniger ab – man gleicht zum Teil beim aktiven Fahren intuitiv Bodenwellen oder Schlaglöcher aus, etwa mit Entlastung des Pos. Hier sind Bikes wie das Qio oder das Tern, aber auch das Moca mit seinen breiten Reifen im Vorteil. Sie dämpfen die stärksten Schläge ab, und die Räder haben damit noch weniger Probleme mit Kopfsteinpflaster als viele Bikes mit Federelementen. Allerdings ist klar: Das Rad reagiert, je kleiner der Reifenumfang, tendenziell umso stärker auf Unebenheiten. Das merkt man beim Yoonit und beim Moca, auch wenn hier der etwas breitere Reifen noch mehr wegstecken kann. Auch wenn man sich beim Moca erfolgreich Gedanken darüber gemacht hat, Transport-Module so zu befestigen, dass die Ladung grundsätzlich sehr exakt gesichert ist. Ein wichtiger Aspekt, dem die Moca-Macher auch mit speziellen, sehr einfach anklipp- und einstellbaren Spannriemen Rechnung tragen. Integrierte Adapter und Führung für Zubehör am Gepäckträger bringen Vorteile – vor allem, wenn sie trotz dieses Aufbaus flexibel nutzbar sind.
Verstellbarkeit ist Trumpf: Kleine Lasten- oder Kompakträder werden häufig von der ganzen Familie – oder WG – gefahren. Da zählt Passform für alle. Jedes unserer Räder passt für ein breites Spektrum, wobei kleinere Menschen auf dem Qio vergleichsweise sportlich sitzen, während die anderen Räder zu gelassenen bis ausgeglichenen Sitzpositionen einladen. Die Lenkerverstellung mit einem Schnellspanner ist bei allen mit einer Variante des Speedlifters oder einem vergleichbar funktionierendem Produkt gegeben, sie ist einfach zu bedienen und schnell zu handhaben. Auch alle Sattelstützen sind mit einem Schnellspann-Verschluss versehen, teils sogar mit einer Skala auf der Sattelstütze, sodass jede(r) seine Sattelhöhe ohne wiederholtes Ausprobieren einstellen kann. Sehr sinnvoll!
Auf Nummer sicher geht dabei das Moca: Seine Sattelstütze ist zwar genauso flexibel handhabbar, kann aber nicht ganz aus dem Sattelrohr gezogen werden und ist damit diebstahlsicher. Hat das Rad dann auch noch den drehbaren Höhenregulierer (z.B. Speedlifter Twist), kann man es damit zum Schmalhans machen, gerade einmal so schmal wie von Pedalrand zu Pedalrand. Aber auch dann kann man noch weitergehen: Faltpedale wie am Moca oder Qio verringern die Parkbreite nochmals um etwa 15 Zentimeter. Beim Moca allerdings mit einem Nachteil im Fahrbetrieb: Hier wird Zwei unterschiedliche Konzepte: Beim Tern ist man breiter aufgestellt, das Moca bietet auch sehr spezifische individuelle Nutzung (siehe die Toolbox). das Pedal nicht auf Höhe der Pedalachse, sondern per separatem Faltgelenk im eigentlichen Pedal geklappt. Effekt: Der Q-Faktor vergrößert sich. Mit diesen Faltpedalen hat man beim Pedalieren die Füße weiter auseinander, was zunächst ungewohnt wirkt. Wer sensibel ist oder Gelenkprobleme hat, sollte für längere Strecken erst antesten, ob das passt, und andernfalls auf andere Pedale umrüsten.
Bis auf das Tern Quick Haul wechseln alle unsere Testräder die Übersetzung mit Nabenschaltungen – in Sachen einfache Nutzung und Verschleißarmut sehr sinnvoll. Die fünf Gänge in der Moca-Nabe können in Sache Bandbreite zwar nicht voll überzeugen, ein starker Motor mit individualisierbaren Unterstützungsstufen (bis zu acht) hilft. Für ein Cargobike sehr gut gelöst! Mehr Schaltkomfort – und Verschleißarmut (Riemenantrieb) bietet die Fünfgangnabe im Yoonit, auch hier kann per App die Motorunterstützung individualisiert werden, geschaltet wird elektronisch per Tastendruck oder auch halbautomatisch, etwa durch Einlegen des kleinsten Ganges beim Stopp. Acht Gänge in der Dose machen das Qio passend für City wie Touren und dank Riemenantrieb sind sie sehr verschleißarm nutzbar. Beim Tern ist die 9-fach-Kettenschaltung, die in der City mit viel Stop and Go Nachteile in der Handhabung und auch dem Verschleiß einbringt, wohl eher einem günstigen Basis-Preis geschuldet. Für mehr Schaltkomfort hat Tern Räder mit sehr ähnlichem Einsatzbereich im Programm – dann für etwas größere Budgets.
Das Tern macht auch noch das Abstellen zum Event: Durch das horizontale Parken auf dem Heckträger (auch mit montierter Box) gewinnt man nochmals richtig Raum. Oder, andersrum: kann man sein Mini-Lastenrad auch dort abstellen, wo eigentlich kein Platz für ein Rad mehr ist. Das kann sonst keines. Keines hat auch diese recht variable Box, die sowohl für den Kindertransport (dann mit Sitz- und Rückenkissen, wie im Test montiert) als auch für den Einkauf gut nutzbar ist. Das und viele Details zeichnen das Tern Quick Haul als ein klassisches, besonders flexibles Konzept aus: Man kauft das Basismodell und individualisiert oder spezialisiert nach eigenem Ermessen mit dem Zubehör, das für die jeweiligen Zwecke sinnvoll ist. So erklärt sich auch, dass dieses Basisrad als einziges nicht mit Doppelständer ausgeliefert wird: Für manche Zwecke ist er nicht nötig, und ohne ist das Rad günstiger. Für den Kindertransport ist er ein Must, und wer diese Option im Kopf hat, bekommt bei Tern einen sehr stabilen und höhenverstellbaren Zweibeinständer für 125 Euro. Ähnlich, wenn auch weniger breit angelegt, ist das Yoonit-Konzept. Mit dem bei uns verbauten Smart Carrier plus einer speziellen Tasche lässt sich vieles, auch längere Frachten, gut verstauen. Der Family Carrier macht eine Kinder-Kutsche mit zwei Sitzplätzen darin aus dem Rad, mit zusätzlichem Platz für etwas Einkauf. Der Optionen sind viele. Das gilt auch für das Moca – als Beispiel sei die Auer Toolbox genannt – vom Angler bis zum Handwerker dürfte hier vieles gut sortiert unterkommen.
Wie kompakt hätten Sie es denn gern? Der Übergang zum echten Lastenrad ist fließend: Unsere kompakten E-Cargos sind Familien- oder WG-Räder für eine Gesellschaft, in der eigentlich fast jeder ständig etwas transportiert – und sei es nur die Aktentasche. Je relevanter die Transportfunktion und je größer und schwerer die Güter, desto näher sollte das Rad Richtung Cargobike gehen. Das Qio und das Yoonit mit seiner langen Ladefläche stellen die beiden Pole der Kompakten dar, dazwischen liegt ein breiter, aber sehr vernünftig nutzbarer Kompromiss zwischen Alltags- und Lastenrad. Beschäftigen Sie sich unbedingt mit dem jeweiligen Zubehör – der wichtigste Punkt, um ein Rad an Ihre eigenen Bedürfnisse anzupassen! Unsere Bewertungen zu den einzelnen Rädern können mehr als sonst nur Anhaltspunkte sein, denn zu sehr hängt der jeweilige Einsatznutzen für Sie von Ihrem eigenen Bedarf ab; außerdem liegen sie sehr nah beieinander. Entscheiden Sie zu einem großen Teil auch nach Konzept und individuellem Einsatzbereich, und sicher sollte die Antriebsausstattung auch eine Rolle spielen.