Online-Shopping vs. Vor-Ort-KaufDas sollten Sie beim Fahrradkauf beachten

Georg Bleicher

 · 05.12.2023

Die Beratung beim Händler ist beim Radkauf ein gutes Argument für den Besuch einer Filiale.
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Der Gedanke ist verlockend: Zu Hause beim Online-Shopping das neue Fahrrad aussuchen, es direkt bestellen – und dann einfach die Vorfreude genießen. Gibt es eigentlich noch Gründe, zum Händler vor Ort zu gehen? Oh ja, nicht nur beim neuen Bike, sondern auch beim Kauf gibt es ein paar Dinge zu beachten.

Der Unterschied ist oft sehr deutlich: Produkte vom Versender können schon mal 20 Prozent günstiger sein als das Gleiche beim Händler nebenan. Also einfach bestellen? Zumindest wer damit keine Erfahrung hat, sollte zunächst abwägen. Auch wenn der Hauptvorteil von Online-Shopping zunächst manchen Nachteil überdeckt: Ein Fahrrad ist ein wesentlich komplexeres Produkt als ein Paket Druckerpapier. Und dieser Unterschied liefert einige Argumente für und gegen den Online-Kauf.

Online-Shopping ist gleich nicht Online-Shopping

Der Online-Handel ist zu Beginn der Corona-Pandemie stark gewachsen. Doch muss man unterscheiden zwischen klassischen Online-Händlern wie zum Beispiel Bike Discount oder Brüggelmann einerseits und stationären Händlern andererseits, die sich – oft schnell – entschlossen haben, während der Pandemie ihre Waren auch online anzubieten. Man bestellt per Klick ein Fahrrad oder Komponenten und holt diese dann beim Händler vor Ort ab. Hier hat man meist auch den Service des Händlers in Bezug auf Rad-Einstellung und ähnliches. Überhaupt kann der Online-Händler, wie wir noch sehen werden, sehr unterschiedlich auftreten.

Manche bieten zusätzlich zum Online-Verkauf auch eine echte Zentrale, in der vor Ort eingekauft werden kann. Die klassischen Online-Verkäufer bieten oft keine Möglichkeit, das Rad oder Produkt in echt anzusehen oder auszuprobieren. Wer hier bestellt, bekommt die Ware meist per Logistikunternehmen geliefert. Das bedeutet bei einem Fahrrad auch, dass man es selbst fertig aufbauen muss. Mittlerweile sind die Online-Anbieter jedoch sehr gut auf Endkunden ausgerichtet.

Die Endmontage ist meist genau und übersichtlich dokumentiert und oft einfach durchzuführen; das benötigte Werkzeug liegt sogar häufig bei. Besonders erfolgreich sind seit einigen Jahren die Direktversender wie Canyon oder Rose. Immer mehr Direktversender haben einen oder mehrere Flagship-Stores - Edel-Filialen könnte man sie nennen: Geschäfte unterschiedlicher Größe, die alle oder einen Teil der Modelle im hochwertigen Ambiente präsentieren und oft Testräder vorrätig haben. Und natürlich gibt es hier auch Beratungstermine. Anbieter Rose hat derzeit solche Stores in vier deutschen Großstädten.

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Online-Shopping ist oftmals günstiger. Aber wieso eigentlich?Foto: imago-imagesOnline-Shopping ist oftmals günstiger. Aber wieso eigentlich?

Warum ist Online-Shopping oft billiger

Der Internethandel spart einige kostspielige Posten ein, die der Fahrradhändler unbedingt braucht: Online kann man auf Ausstellungsräume verzichten, in denen die Räder schön und übersichtlich präsentiert werden. Auch Personalkosten kann der Onliner kräftig sparen: Klassische Verkäufer gibt es hier nicht mehr, online wird, wenn überhaupt, dann anders beraten. Oft gibt es zur allgemeinen Einführung eine Beratung per KI-Chat oder Chat, manchmal dann noch speziell auf den Kunden zugeschnittene telefonische Beratung.

Online-Händler und Direktversender haben oft ein sehr breites Angebot und können daher – etwa bei Komponenten – ihrerseits dem Hersteller oder Großhändler große Mengen abnehmen. Dann erhalten sie selbst auch besonders günstige Preise, die sie teilweise weitergeben und auch so wieder günstiger werden. Direktversender, also Hersteller, die ohne Händler-Zwischenstopp direkt an den Kunden verkaufen wie etwa Canyon, sparen sich noch einmal Logistikausgaben und die Händlermarge. Sie sind quasi ihr eigener Händler.


Online-Shopping in Zahlen

  • Googeln und gleich bestellen, dieses Verfahren ist seit etwa der Jahrtausendwende laut dem Statistik-Spezialisten Statista wachsend, auch wenn es 2022 nach dem vorangegangenen Corona-Online-Boom einen Einbruch gab: Über 40 Prozent der Internetnutzer kaufen mindestens einmal im Monat etwas online.
  • Aber die Dynamik bezieht sich nicht auf alle Handelssparten: Im Fahrrad- und E-Bike-Bereich ist laut Zweirad-Industrie-Verband ZIV der Anteil des stationären Fachhandels 2022 gleich geblieben: Etwa 76 Prozent kauften bei ihm (inklusive drei Prozent Online-Angebote des Fachhändlers). Der reine Internethandel in Sachen E-Bike und Fahrrad hat mit 21 Prozent einen Prozentpunkt zugelegt.
  • Erfreulich für Qualität und Sicherheit: Beim Discounter und im Baumarkt werden immer weniger Räder verkauft (etwa zwei Prozent).
Kein Showroom und keine Verkäufer bedeuten für den Versender deutlich geringere Kosten. Aber auch oft weniger oder nur komplizierte Möglichkeiten für Service und Wartung.Foto: Adobe StockKein Showroom und keine Verkäufer bedeuten für den Versender deutlich geringere Kosten. Aber auch oft weniger oder nur komplizierte Möglichkeiten für Service und Wartung.

Glücklich mit Preislimit

Absolut zufrieden ist auch Carolin Beuster. Sie hat im Frühjahr beim Direktversender Rose ein Rennrad gekauft. "Ich hatte mir ein Limit von 3000 Euro gesetzt", sagt die 44-Jährige. Und aus diesem Geld wollte sie das Beste machen. Die Qualität sollte ebenfalls überzeugen. Aber: "Ich wollte vorher schon mal darauf sitzen", erklärt sie. Sie ließ sich daher - noch unter Corona-Einschränkungen - im Rose-Hauptgeschäft in Bocholt einen Termin geben und bekam eine viertelstündige Beratung inklusive einer kurzen Probefahrt über den Hof.

Mit dem Rad ist sie glücklich. Zur ersten Inspektion brachte sie es zu einem freien Händler. "Blöd war nur: Als vor einiger Zeit ein spezielles Ersatzteil fehlte, musste sie mehrere Monate darauf warten." Allerdings war das zum Ende der Pandemie, als die ganze Branche auf Komponenten und Ersatzteile wartete – es war also wohl kein versenderspezifisches Problem."

Direktversender: Vorteile durch eigene Marke

Neben dem Preisvorteil beim Online-Shopping sieht Julian Öncü, Marketing-Manager beim Direktversender Canyon, auch den Vorteil, dass das Produkt vom Hersteller selbst kommt: “Wir sind der beste Ansprechpartner bei Fragen des Kunden. Außerdem können wir, wenn wir als Hersteller günstiger produzieren als andere, einen Teil der Einsparungen in die Entwicklung investieren – wir haben eine enorm große Entwicklungsabteilung.”

Doch auch Öncü sieht den After Sales, also alles, was für die Beziehung des Herstellers beziehungsweise Händlers zum Kunden nach dem Verkauf kommt, als Herausforderung für Direktverkäufer. “Unser Produkt entwickelt sich immer mehr vom Analogen zum Elektronischen und Digitalen. Die Zukunft ist Digitalisierung mit Datenaustausch.” Dafür sorgen schon die smarten Motoren, aber auch Systeme wie Leistungsmesser an Sporträdern. Und die Digitalität macht es zusätzlich komplex.

Canyon arbeitet daran, näher am Kunden zu sein. Unter anderem über die neue Canyon-Service-App. Ein registrierter Kunde bekommt dort alle Infos zu seinem Bike – inklusive der Anleitungen zu kleinen Reparaturen über Videos oder Bestimmung von Ersatzteilen, die er auch direkt von der App aus bestellen kann. Das ersetzt nicht unbedingt den persönlichen Kontakt. Daher baut Canyon zweitens sein Netzwerk mit dem ASP-System (Affiliate Service Partner) weiter aus: Derzeit gibt es 70 dieser zertifizierten Werkstätten in Deutschland, an die sich ein Kunde für den Service, Reparaturen und ähnliches wenden kann.

“Wir arbeiten daran, die Beziehungen zwischen Kunden, Hersteller und Partnern in diesem Netzwerk zu vertiefen”, so Öncü. Das heißt auch, der Partner soll irgendwann genauso gut wie der Hersteller selbst über das Fahrrad des Kunden Bescheid wissen. Am Beispiel Canyon sieht man, dass auch der Direktversender Möglichkeiten hat, die persönliche Ebene zum Kunden auszubauen. Live-Beratung für den Neukauf und Probefahrten bekommt der potenzielle Kunde allerdings nur beim offiziellen Canyon-Standort in Koblenz.

Vorteil der Vor-Ort-Beratung beim Händler

Die Düsseldorferin Babette Beck hat sich im Frühjahr bei einem Neusser Händler ein E-Kompaktrad gekauft. Die 58-Jährige lässt sich gern etwas Zeit bei größeren Entscheidungen und informiert sich gut vor. Nach einer Basis-Recherche im Internet und einigen Tipps von Freunden hat sie vier Händler in ihrer Region besucht. “Schließlich muss für mich auch der Draht da sein, um Vertrauen zu haben. Bei einem fühlte ich mich nicht so gut aufgehoben, was später die Bewertungen im Internet untermalt haben.” Fündig wurde sie schließlich bei einem mittelgroßen Händler in Neuss-Gnadental, der ihre Bike-Bedürfnisse gut verstand und sie auch sehr intensiv beraten konnte.

Der klassische Fahrradhandel: große Auswahl, am liebsten in mehreren Bereichen, viele verschiedene Größen verfügbar und gute Vor-Ort-Beratung.Foto: XXL FeldDer klassische Fahrradhandel: große Auswahl, am liebsten in mehreren Bereichen, viele verschiedene Größen verfügbar und gute Vor-Ort-Beratung.

Sie hat einige Räder Probe gefahren, bevor sie sich für ihren Zwanzigzöller mit Bosch-Antrieb entschied. “Wenn der Händler, den ich gut finde, mein Wunschmodell nicht gehabt hätte, hätte ich vielleicht sogar auf ein ähnlich passendes umgeschwenkt, um bei ihm kaufen zu können”, erklärt sie. Für den persönlichen Kontakt und gute Betreuung zahlt sie auch gern etwas mehr. “Nicht gleich 2000 Euro”, sagt sie, “aber vielleicht um die 1000? Es rechnet sich doch!” Mit ihrem Rad ist sie jedenfalls zufrieden und mit der bereits erhaltenen kostenlosen ersten Inspektion auch.

Stationärer Handel: “Velosophen” mit einer Mission

Derzeit haben es alle Anbieter ungeachtet ihrer Ausrichtung nicht leicht. Der mittelgroße Händler scheint den Rückgang der Verkäufe nach dem Boom in der Pandemie aber besonders zu spüren – unter anderem am Personalmangel. Insbesondere im Service, also genau dem wachsenden Bereich, in dem er sich vom klassischen Online-Anbieter absetzen kann, fehlen Menschen, wie uns Händler einhellig berichten. Dabei geht es nicht nur um Reparaturen und Wartung: Services wie günstige oder Umsonst-Leihräder, wenn das eigene Rad gewartet wird oder in Reparatur ist, ergonomische Vermessung, die hilft, das perfekt passende Rad zu finden, und vieles mehr wird hier angesprochen.

Manche Händler von Spezialräder leihen ihre Produkte sogar bis zu einer Woche aus, sodass die Kunden die Mobilität im heimischen Umfeld erleben können. Grundsätzlich waren die stationären Fahrradfachgeschäfte sehr zurückhaltend damit, direkt zum Thema Online-Shopping Stellung zu nehmen. Zu wenig Zeit und zu viele aktuelle Herausforderungen im Kopf, war der Tenor.

“Zuhören können” benennt Fachhändler Peder Dedenbach aus Köln eine der Fähigkeiten, die den alteingesessenen stationären Händler vom Bestellsystem abheben. Zuhören, den ganz individuellen Kunden verstehen und die eigene Erfahrung als Velohändler dann bei der Beratung einsetzen, das kann kein Online-Anbieter – auch nicht einer, der ein umfangreiches Online-Beratungsprogramm anbietet. “Offen sein, das hilft den Menschen bei der Beratung enorm weiter”, so der Händler, der selbst ein alter Branchen-Hase ist.


Online-Shopping vs. Vor-Ort-Kauf: Die wichtigsten Vor- und Nachteile in der Übersicht

Online-Shopping

  • Sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Bequemer Kauf von zu Hause aus, 24 Stunden geöffnet
  • Anlieferung
  • Langes Rückgaberecht (rechtlich 14 Tage, viele bieten mehr)
  • Sonderkonditionen für die Zahlung (z.B. Ratenzahlung, Kredit, Kauf auf Rechnung etc.)

Vor-Ort-Kauf

  • Beratung vor Ort und am Produkt
  • Unkomplizierte, ausführliche Testfahrt
  • Einfache Auswahl aus stationärem Bestand
  • Emotionales Einkaufserlebnis
  • Einfache Logistik
  • Direkter, persönlicher Ansprechpartner bei Sonderwünschen
  • Ansprechpartner im Schadensfall oder bei Fragen
Die Beratung beim Händler ist beim Radkauf ein gutes Argument für den Besuch einer Filiale.Foto: imago-imagesDie Beratung beim Händler ist beim Radkauf ein gutes Argument für den Besuch einer Filiale.

Fazit: Online oder Händler?

Beide Systeme haben ihre Berechtigung. Dabei ist der stationäre Händler nicht nur für potenzielle Radkäufer interessant, die wenig Ahnung von der Materie haben oder sich später nicht selbst mit Wartung und Reparatur beschäftigen wollen – Stichwort: Ansprechpartner bei technischen Problemen und ein Ohr für die Fahrradbedürfnisse. Andererseits kann man beim Online-Shopping nicht nur gute Deals machen, sondern gegebenenfalls – je nach Anbieter – auch etwas Betreuung bekommen. Wichtig ist, bei beiden zu prüfen: Passen die versprochenen Leistungen zu meinen Vorstellungen? Wer jedoch will, dass der Partner vor Ort erhalten bleibt, weil er oder sie ihm vertraut und oder auf ihn angewiesen ist, unterstützt ihn am besten, wenn er einfach dort einkauft.

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