MTB vs. Gravel Teil 3Konzeptvergleich Ausstattung, Preis-Leistung & Alternativen

Jan Timmermann

 · 21.08.2025

Gravelbike oder Hardtail? Die BIKE-Redaktion diskutiert und nimmt jedes Detail unter die Lupe.
Foto: Georg Grieshaber
Das Gravelbikes läuft derzeit dem guten, alten MTB-Hardtail den Rang ab. Wir machen an dieser Stelle den längst überfälligen Konzeptvergleich. Im dritten und finalen Part der Serie schauen wir auf die Details und zeigen Alternativen.

Keine andere Bike-Gattung hat sich über die letzten Jahre so rasant weiterentwickelt, wie die Sparte der Gravelbikes. Die Räder mit Rennlenker und verhältnismäßig breiten Reifen gelten als echte Alleskönner. Hardtail-Fahrer können da nur schmunzeln: Ein Mountainbike ist noch immer das überlegene Konzept, oder? In diesem Teil unserer Kaufberatungs-Serie checken wir die Ausstattungsunterschiede zwischen Gravelbike und Hardtail. Außerdem werfen wir einen Blick auf Bikes mit geradem Lenker und Starrgabel. Welche Interpretation eines schnellen Fahrrads für abwechslungsreiches Gelände kann am Ende mehr überzeugen? Vorhang auf für das Finale unseres Konzeptvergleichs Gravelbike versus MTB-Hardtail.

Auch wenn viele Gravelbikes heute mit Mountainbike-Technik ausgestattet sind, so bleiben viele Unterschiede zum klassischen Hardtail bestehen.Foto: Georg GrieshaberAuch wenn viele Gravelbikes heute mit Mountainbike-Technik ausgestattet sind, so bleiben viele Unterschiede zum klassischen Hardtail bestehen.

Ausstattung

1. Cockpit

​Ein breiterer Lenker verteilt auf einem Hardtail-Mountainbike die Masse des Fahrers flächiger über dem Rad und bieten durch eine breite Abstützung mit großem Hebel in der Abfahrt mehr Souveränität. Gleichzeitig sorgen kürzere Vorbauten für ein direktes Lenkverhalten und mehr Kontrolle. Ohne (Inner-)Barends bleibt nur eine einzige echte Griffposition. Der Dropbar eines Gravelbikes besitzt nicht nur aerodynamische, sondern auch ergonomische Vorteile. Viele Griffoptionen entlasten auf langen Strecken Rumpf, Schultern und Arme. Allerdings sind nur in Unterlenker- und Hood-Position die Bremsen erreichbar. In der Abfahrt bleiben also nur zwei Optionen, die den Fahrer entweder weit nach vorne oder weit nach unten bringen. Lange Vorbauten und Griffe weit vorn schaffen ein indirektes Handling. In Abfahrten, die das Sicherheitsempfinden auf einem Hardtail noch lange nicht vor Herausforderung stellen, kommen an Bord eines Gravelbikes wegen der frontlastigen Griffposition früher Überschlagsgefühle auf.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Ein Dropbar bietet viele Griffpositionen, die jedoch alle verhältnismäßig weit vorne liegen. Nur auf den Hoods und am Unterlenker ist Bremsen und Schalten möglich.Foto: Georg GrieshaberEin Dropbar bietet viele Griffpositionen, die jedoch alle verhältnismäßig weit vorne liegen. Nur auf den Hoods und am Unterlenker ist Bremsen und Schalten möglich.

2. Antrieb

Am Hardtail haben sich zwölffach-Antriebe mit mindestens 510 Prozent Übersetzungsbandbreite etabliert. Ein klassischer Berggang von beispielsweise 32 Zähnen vorne zu 52 hinten ist auch für steile Rampen gemacht. Mit zehn Zähnen im schwersten Gang lässt sich noch bis circa 45 Kilometer pro Stunde effizient mittreten. Bei den meisten Einfach-Antrieben von Gravelbikes, welche übrigens teilweise 13 Gänge an der Kassette realisieren, fällt die Übersetzungsbandbreite geringer aus. Die Abstufung der Gänge ist dafür feiner - auf der Straße und vor allem bei Fahrten in der Gruppe ein Vorteil. Manche Gravelbikes setzen auch auf MTB-Schaltwerke und -Kassetten, erreichen dank größerem Kettenblatt höhere Geschwindigkeiten aber auch härtere Berggänge. Andere sind auch mit Zweifach-Kurbeln ausgestattet. Je nach Kassette muss die Bandbreite aber nicht höher ausfallen.

Mit großer Mountainbike-Kassette gibt es auch an steilen Rampen weniger böse Überraschungen. Auch viele Gravelbikes setzen auf die MTB-Technik.Foto: Georg GrieshaberMit großer Mountainbike-Kassette gibt es auch an steilen Rampen weniger böse Überraschungen. Auch viele Gravelbikes setzen auf die MTB-Technik.

3. Sattelstütze

​Dropper-Posts mit bis zu 150 Millimetern Verstellbereich haben sich bei vielen Hardtail-Herstellern etabliert. Im Trail ist die zusätzliche Bewegungsfreiheit ein Gamechanger. Aber selbst auf Abfahrten über Schotter und in Kurven bringt ein abgesenkter Sattel ein riesiges Sicherheits-Plus. Auch einige Gravelbikes sind mit Teleskopstützen um 75 Millimeter Hub ausgestattet. Die meisten Modelle sparen sich jedoch Mehrgewicht, Komplexität und Aufpreis. Bei flachen Wegen und sanften Hügeln eine gute, bei steilen Abfahrten und technischen Passagen eine schlechte Entscheidung. Einzelne Variostützen, wie etwa die Rockshox Reverb AXS XPLR, bieten zugunsten des Sitzkomforts eine eingebaute Nachgiebigkeit. Fast immer geht das mit Kompromissen bei der Sitzhöhe einher. Wer auf eine vom Lenker aus versenkbare Sattelstütze verzichten kann, ist mit dem Flex eines starren Carbon-Modells mit geringem Durchmesser nach unserer Test-Erfahrung besser beraten.

Die elektronische Rockshox Reverb AXS XPLR bietet 75 Millimeter Hub. In Schotter-Abfahrten bringt das einen großen Sicherheitsvorteil.Foto: Georg GrieshaberDie elektronische Rockshox Reverb AXS XPLR bietet 75 Millimeter Hub. In Schotter-Abfahrten bringt das einen großen Sicherheitsvorteil.

Preis & Gewicht

“Gutes Rad ist teuer” - an diesem abgewandelten Sprichwort ist ein Fünkchen Wahrheit dran. Hochwertige und gut funktionierende Teile gibt es leider nicht geschenkt. Grundsätzlich ist ein gutes Hardtail nicht zwingend teurer als ein gutes Gravelbike. Wer sein Fahrrad als Sportgerät nutzen möchte, profitiert von einem niedrigen Gewicht. Mountainbikes bringen mit Federgabeln und geländetauglicher Ausstattung prinzipiell mehr auf die Waage. Zwischen 600 und 1200 Gramm Mehrgewicht muss man im Vergleich zu einem Gravelbike einrechnen. Doch auch günstige Gravelbikes sind nicht leicht. Je nach Vertriebsmodell und Konzept variieren die Komplettbike-Gewichte stark. Einen echten Performance-Boost in Sachen Gewicht gibt es bei den meisten Rädern mit Dropbar erst ab 5000 Euro. Bei Hardtails ist der Sprung in die Top-Liga noch etwas teurer. Aus unseren Testgruppen können wir folgende grobe Matrix ziehen:

um 2000 Euroum 3000 Euroum 5000 Euroum 7000 Euro
MTB-Hardtailca. 11,6 kgca. 10,8 kgca. 9,9 kgca. 9,4 kg
Gravelbikeca. 10,7 kgca. 10,1 kgca. 8,7 kgca. 8,5 kg
Gravelbikes sind leichter als MTB Hardtails. Doch auch hochwertige Mountainbikes erreichen leichte Gewichte.Foto: Georg GrieshaberGravelbikes sind leichter als MTB Hardtails. Doch auch hochwertige Mountainbikes erreichen leichte Gewichte.

Die Alternative: Hardtail mit Starrgabel

Scott verkauft sein Scale Hardtail auch mit Starrgabel und Flatbar. “Der Namenszusatz Gravel ist schon frech. Da ist ja kein einziges Gravelbike-Teil dran” moniert ein Testredakteurs-Kollege mit Straßen-Vorliebe. Fakt ist, dass Mountainbike-Hardtails in der Ultracycling-Szene auf dem Vormarsch sind. Je länger die Tour und je mehr Höhenmeter und unberechenbare Streckenabschnitte zu erwarten sind, desto eher vertrauen Rennfahrer auf angepasste Hardtails. So stellte Robin Gemperle auf der legendären Tour Divide Route kürzlich einen neuen Rekord auf. Für die über 4400 Kilometer und rund 60.000 Höhenmeter brauchte der Schweizer weniger als 12 Tage und wählte das Starrgabel-Hardtail Scott Scale Gravel. Allerdings schmiss Gemperle die Starrgabel raus und ersetzte sie durch eine 110-Millimeter-Mountainbike-Federgabel. Zusätzlich montierte er einen Gravel-Dropbar. Verrücktes Zwitterwesen oder das beste aus beiden Welten?

Das Scott Scale Gravel 10 wiegt 10,9 Kilo und kostet 2799 Euro. Ein rennerprobter Carbon-Rahmen trifft auf eine Starrgabel mit Gepäckösen. Das günstige Hardtail leidet etwas unter seinem einfachen Laufradsatz, bringt aber Inner-Barends serienmäßig mit.Foto: Georg GrieshaberDas Scott Scale Gravel 10 wiegt 10,9 Kilo und kostet 2799 Euro. Ein rennerprobter Carbon-Rahmen trifft auf eine Starrgabel mit Gepäckösen. Das günstige Hardtail leidet etwas unter seinem einfachen Laufradsatz, bringt aber Inner-Barends serienmäßig mit.

Wir konnten nicht nur das Scott Scale Gravel, sondern auch andere Hardtails mit Starrgabeln bereits testen. Unser Fazit: Leichte Carbon-Modelle, wie das Scott oder das VPace C4M sind leichter und preiswerter als die meisten Gravelbikes. Gleichzeitig bieten Reifen und Cockpit deutlich mehr Kontrolle im Gelände. Die Spezialisten kommen mit großer Übersetzungsbandbreite und einem noch größeren Einsatzgebiet. Wer dann auch noch Inner-Barends montiert (beim Scott Scale Gravel serienmäßig), bekommt auch die Aerodynamik gut in den Griff. In Kombination mit leichten Laufrädern sind Starrgabel-Hardtails eine echte Waffe für Trainings- und Spaßrunden. Schade, dass es davon bislang nur sehr wenige am Markt gibt, denn sie haben das Zeug zum Gravelbike der Zukunft. Auch bereits von BIKE getestet und ein Tipp für preisbewusste Bikepacking-Abenteurer: Das Kona Unit X mit Starrgabel, breiten Reifen, geradem Lenker und vielen Anschraubpunkten am Stahlrahmen.

Mit 8,19 Kilo bei 3199 Euro lässt das VPave 4CM bei der Preis-zu Gewicht-Wertung jedes Gravelbike im Staub stehen.Foto: Georg GrieshaberMit 8,19 Kilo bei 3199 Euro lässt das VPave 4CM bei der Preis-zu Gewicht-Wertung jedes Gravelbike im Staub stehen.

Gravelbike oder MTB: Fazit von BIKE-Redakteur Jan Timmermann

​Ich bin selbst mit dem Gravelbike bereits kreuz und quer durch Europa gefahren. Mein Bike mit Dropbar hole ich jedoch nur wenige Male im Jahr aus dem Keller, um damit unter Volllast zur Arbeit zu sprinten oder gleich mehrere hundert Kilometer am Stück zu fahren. Es ist das teuerste Bike in meinem Besitz und zeichnet sich durch 50 Millimeter breite Reifen auf leichten MTB-Laufrädern, einen 69 Grad flachen Lenkwinkel, ein niedriges Gewicht dank Starrgabel, eine hoher Übersetzungsbandbreite mit Mountainbike-Kassette und einen komfortablem Titanrahmen mit flexender Carbon-Stütze aus. In diesem Aufbau hat es im Endurance- und Bikepacking-Bereich einen festen Platz in meinem Fuhrpark.

Für alles andere nehme ich das MTB. Ob beim Bikepacking durch Skandinavien oder bei der spaßigen Feierabendrunde: Ich persönlich will mich nicht auf Asphalt und festgestampften Schotter beschränken. Leichte Hardtails haben in jeder Situation das souveränere Handling und glänzen auch dank ihrer Ausstattung mit Vielseitigkeit. Selbst bei der Preis-Leistung müssen sie sich nicht verstecken. Gerade Modelle mit Starrgabel sind in meinen Augen für viele Radfahrer ein super Konzept, welches in meiner Wahrnehmung das Gravelbike übertrumpft. Ich finde es schade, dass das scheinbar der Großteil des Marktes vergessen hat.

BIKE-Redakteur Jan TimmermannFoto: Georg GrieshaberBIKE-Redakteur Jan Timmermann

Meistgelesen in der Rubrik Fahrräder