FahrradkaufWann ist der richtige Zeitpunkt, ein Fahrrad zu kaufen?

Georg Bleicher

 · 22.09.2023

Fahrradkauf: Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Fahrrad zu kaufen?Foto: Adobe Stock/Bearbeitung: MYBIKE Redaktion
Wann ist der beste Zeitpunkt für einen E-Bike- oder Fahrradkauf? Laut Branchen-Insidern: jetzt!
Der richtige Zeitpunkt, ein Fahrrad zu kaufen, definiert sich nicht nur durch die Wahl des Wunschrads, sondern auch durch den Wunschpreis und die Verfügbarkeit. Wir zeigen, wann und warum diese Faktoren zusammenkommen?

Gestiegene Energie- und Rohstoffpreise, explodierende ­internationale Transport­kosten und eine gesteigerte technologische Innovationsfreude, die manchem Respekt einflößte: Dass das Fahrrad, aber vor allem auch das E-Bike in den letzten Jahren teurer wurde – die ­Corona-Begleiterscheinungen nahmen zusätzlich Einfluss –, ist nachvollziehbar. Der Spruch mancher Fahrrad-Kritiker „Dafür kann ich mir ja gleich ein Auto kaufen!“ war oder ist ­tatsächlich nicht mehr von der Hand zu weisen. Aber dann hat mal halt nur ein Auto. Doch Ende 2022 kam eine Nachricht, die für den Laien und auch für manchen Insider unerwartet war: Rose Bikes, einer der großen Direktverkäufer in der Branche, kündigte Preissenkungen an. Zu einer Zeit, in der Fahrräder mit und ohne Motor in ganz neue preisliche Sphären gestiegen waren. Und der Versender war nur ein ­Vorreiter. Im Laufe des Jahres gaben viele ­Hersteller und viele große wie kleine Händler Preissenkungen bekannt. Was war denn da passiert?

Fahrradhandel: Gestiegene Nachfrage bei gesunkenem Angebot

Schauen wir uns einige aktuelle Zahlen an: Bis Mai 2023 wurden über eine Million E-Bikes in Deutschland produziert – ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem ­gleichen Zeitraum des Vorjahres. Und das war nur die Fortsetzung einer ­Dynamik, die schon im Jahr davor Fahrt aufgenommen hatte. Auch der Import nach Deutschland, erklärt der Zweirad-Industrie-­Verband ZIV, ist deutlich gestiegen. ­Gleichzeitig wurden bis März 2023, vor ­allem wegen des schlechten Wetters, ­deutlich weniger Räder und E-Bikes ­gekauft. Es hat sich also ein enormes ­Überangebot entwickelt, das Hersteller wie Rose damals kommen sahen. Klar, dass die Hersteller, aber immer mehr auch die Händler versuchen, den Verkauf mit günstigeren Preisen anzukurbeln. Wenn man mit letzteren spricht (siehe Interview), stellt sich tatsächlich ­heraus, dass es derzeit vor allem im E-Bike-Bereich ein Überangebot gibt, das den Händlern zu schaffen macht.

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Die Fahrradindustrie, die ganze Branche ist im Umbruch

Für den Käufer ist das gut – einerseits: Die Preise der aktuellen Modelle sind fast bei jedem Händler in den letzten Wochen und Monaten nach unten gegangen; im Schnitt lassen die Händler um 20 Prozent nach, teilweise aber auch viel mehr. Andererseits ist, gerade im E-Bike-Bereich, der Händler vor Ort ein wichtiger Partner in Sachen Service. Der kurze Weg zur Werkstatt, der vertrauensvolle Umgang, das ist uns oft sehr viel wert. Gerade diese oft kleineren Händler trifft es aber besonders, wenn sie auf ihren Bestellungen für 2023 sitzen ­bleiben. Wenn man nun auf die Hintergründe schaut, erkennt man, dass die Branche allgemein in Umbruch ist: Nicht nur aus Gründen wie den oben beschrie­benen nimmt nämlich die Produktion in ­Europa zu. Bislang kam, seit der konsequenten Umstellung des Rahmenmaterials auf Aluminium in den 80er-Jahren, der bei weitem größte Teil der Rahmen aus Asien. Auch bei den Rädern selbst war zuletzt Kambodscha Hauptlieferant. Doch seit ­Jahren setzte ein Umdenken und damit ein Trend ein, der sich mit der Pandemie ­nochmals verstärkte: das Reshoring, also die Produktion ins ­eigene Land oder – ­unter dem Begriff “Nearshoring” – in Nachbarländer zurückzuholen.

Fast drei Millionen Fahrräder wurden 2022 nach Deutschland importiert. 44 Prozent davon kamen aus EU-Ländern (stark wachsend).

So lässt der Mühltaler Hersteller Riese und Müller ­bereits einen großen Teil seiner Rahmen in Portugal bauen. Auch wenn mancher Hersteller sich aufgrund der Kompetenzen und jahrzehntelanger Erfahrung dort so schnell nicht ganz aus Asien als Haupt-Rahmenschmiede zurückziehen will: ­Europa ist auf dem Vormarsch. Gründe ­dafür: kürzere und unkompliziertere ­Lieferketten, oft geringere Reaktionszeiten für Entscheidungen, weniger Abhängigkeit von politischen Einflüssen. Nicht zu vergessen: Kürzere Wege und oft höhere Umwelt-Standards sorgen für mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Logistik. Und das ist ein Argument, das sich manche Bike-Bauer schon lange auf die Fahnen ­geschrieben haben. Mehr noch: Dem kann man sich in Zukunft gar nicht mehr ­entziehen. E-Bike und Fahrrad als ­besonders umweltschonende Fahrzeuge können auch hier eine Vorreiterrolle ­einnehmen.

Was hat Reshoring mit günstigen Preisen zu tun?

Wäre der Anteil der europäischen Produktion schon vor der Pandemie sehr hoch gewesen, wäre es wohl seit letztem Jahr kaum zu einem solchen Angebotsüberhang gekommen. Doch dazwischen, das lässt sich sicher sagen, wären die Preise andererseits auch nicht so stark gestiegen, da die Verfügbarkeit der Räder und für die Hersteller auch der Komponenten höher ­gewesen wäre. In dieser Hinsicht ist die Entwicklung zur kundennahen Produktion auf jeden Fall komplex.

Hätte, hätte, Fahrradkette: Fakt ist, dass die Preise derzeit dazu einladen, sich Gedanken über ein neues E-Bike oder Fahrrad zu machen. Die Auswahl ist ­immer noch groß, zum Winterausgang dürfte das erheblich anders aussehen. Andererseits sollte man nicht unbedingt darauf ­spekulieren, dass die Preise Richtung nächstes Frühjahr noch mehr sinken. Und: Was hilft dann das Wunschmodell zum Extra-Sonderpreis, wenn es meine ­Rahmengröße nicht mehr gibt?

Nachteil der aktuellen Schnäppchenjagd: Man erhält möglicherweise nicht das ­neueste Modell. “Möglicherweise” deshalb, weil nicht wenige Hersteller die Modell­politik “pro Jahr ein neues Modell” spätestens in der Pandemie fallen gelassen ­haben oder fallen lassen mussten. Tatsächlich hat sich allerdings gerade aktuell sehr viel im Motoren- und Schaltungs-Bereich der E-Bikes getan. Wer hier auf neueste Technik spekuliert, wird sie nicht in den derzeit heruntergesetzten Modellen finden – ­allerdings kann er auch nicht bei Modellen, die im Frühjahr beim Händler stehen, fest damit rechnen.

Der Gewährleistungsservice des neuen Fahrrads im Schadensfall ist übrigens nicht betroffen, wenn ich ein 23er-Modell erstehe: Der Zeitraum gilt grundsätzlich ab Kauf, nicht ab Herstellungsdatum des Rads.

Interview mit Lothar Könekamp, Geschäftsführer eines Fahrradfachgeschäfts

Lothar Könekamp, Geschäftsführer des Radlager in Köln-Nippes, einem Fachgeschäft für Touren-, Alltags- und Lastenräder.Foto: PrivatLothar Könekamp, Geschäftsführer des Radlager in Köln-Nippes, einem Fachgeschäft für Touren-, Alltags- und Lastenräder.

MYBIKE: Herr Könekamp, wenn ich Geld sparen will, lohnt es sich, bis zum Winter zu warten, oder soll ich mein Fahrrad jetzt kaufen?

Lothar Könekamp: Ganz eindeutig jetzt! Die Läden sind voll und die Preise sind schon gepurzelt. Die Händler müssen darauf achten, dass sie die bestellte neue Ware unterbekommen, daher müssen sie die Lager jetzt leer bekommen.

Wie viel Auswahl bezüglich Modelle und Größen haben Sie momentan in ­Ihrem Fachgeschäft?

Auswahl ist absolut vorhanden, zumindest für die allermeisten Marken. Die Händler haben etwa 80 Prozent mehr Räder als sonst zu diesem Zeitpunkt im Jahr. Vieles fußt dabei auf die starken Bestellungen der Händler aus der Corona-Zeit, die dann leider erst sehr spät geliefert werden konnten. Das bedeutet natürlich für manch kleinen Händler vor Ort auch hohen Druck – die großen und die Händler-Ketten können das meistens sehr gut kompensieren. Wer also will, dass sein Fachgeschäft um die Ecke ­erhalten bleibt, sodass er ­weiterhin Service vor Ort ­genießen kann, sollte sich das überlegen und unbedingt auch das Angebot dort sichten.

Bezieht sich das große ­Angebot auf alle Fahrradsegmente?

Für unserere Bereiche sieht das so aus, als träfe das lediglich im Gravel-Segment nicht grundsätzlich zu. Meines Erachtens resultiert die verringerte Lieferfähigkeit hier aber vor allem aus dem Mangel an Komponenten. Der Gravel-Trend ­wurde anfangs deutlich ­unterschätzt, so dass allgemein zu wenig Teile prodziert ­wurden – so konnten Räder nicht komplettiert werden.

Und wenn Kunden ein ­gerade erscheinendes 24er Modell wollen?

Dann müssen sie abwarten oder deutlich mehr bezahlen als für die aktuellen Modelle – sofern sich der Hersteller am Jahresturnus orientiert.

5 Punkte für einen E-Bike- oder Fahrradkauf

Die Checkliste zum Fahrradkauf hilft bei der EntscheidungFoto: AdobeStockDie Checkliste zum Fahrradkauf hilft bei der Entscheidung
  1. Wer beim stationären Händler kauft, sollte die Möglichkeit zum ausgiebigen Probefahren ausreizen!
  2. Lieber auf die Wunschfarbe verzichten zugunsten einer wichtigen Funktion (etwa Gepäcktransport).
  3. Halten Sie nicht an in der Praxis unwichtigen Punkten fest, z. B. kein “Damenrad”!
  4. Aktualität vernachlässigen: Der aller neueste Motor muss nicht immer auch die beste Option sein.
  5. Nicht verhandelbar: Die richtige Größe und die passende Sitzhaltung.

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