Kribbeln im Bauch, Hochgefühl, Euphorie! Eigentlich verrückt, wie wenig sich manche Dinge im Leben dann doch ändern: Der erste Moment auf einem neuen Rad ist für mich immer noch so, wie als ich mit zwölf mein erstes eigenes Mountainbike bekam. Und ich bin nicht der Einzige!
Mit Posts mit dem Schlagwort “New Bike Day” teilen tausende längst den Kinderschuhen entstiegene Biker ihre Begeisterung mit anderen und füllen damit ganze Online-Foren und Facebook-Gruppen. Nur: Wie kommt man eigentlich zu dem neuen Rad?
Gerade für Tourenrad-Fahrer ist die Entscheidung in den letzten Jahren zunehmend komplex geworden. Statt des guten alten Trekking-Rades gibt es mittlerweile welche mit und welche ohne Motor, zunehmend auch leichte, sportliche Modelle mit E-Motor oder besonders alltagstaugliche Räder mit großer Ladekapazität.
Zudem üben E-Mountainbikes und Gravelbikes dynamische Faszination aus. Sie bespielen mit hohem Haben-Wollen-Faktor besonders die emotionale Seite des Radfahrens. Offenbar ein zentrales Argument, wenn es um ein neues Fahrrad geht.
“Für nicht wenige ist der Fahrrad-Kauf ein wichtiges emotionales Erlebnis”, resümiert auch Prof. Dr. Gunnar Mau von der deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin, der kürzlich eine Fahrrad-Marktstudie für unser Schwestermagazin BIKE betreut hat.
Wie also zum Ziel kommen? Wir haben sechs spannende Einsteiger-Räder aus den wichtigsten Touren-Rad-Klassen zum Test gebeten. Angefangen vom praktischen Kompaktrad Tern Quick Haul über klassische Touren-Räder bis hin zu E-Mountainbike und Gravelbike zeigen wir damit die Stärken und Schwächen der relevantesten Rad-Kategorien direkt am Testbike. Kurz und knackig beantworten wir außerdem die wichtigsten Fragen rund um den Bike-Kauf.
Unsere sechs Testkandidaten zeigen, wie verschieden Touren-Räder mittlerweile sein können. Von komfortabel bis dynamisch von praktisch bis sportiv bietet der vielfältige Markt mittlerweile für jeden Geschmack das richtige Rad. - Adrian Kaether, Testleiter MYBIKE
Wie viel Geld man für ein neues Bike ausgeben muss, hängt stark von persönlichen Ansprüchen ab und auch etwas von der Rad-Kategorie. Räder ohne Motor fangen um 1500 Euro Listenpreis an, richtig Spaß zu machen.
Für E-Bikes sollte man eher Preise in Richtung 3500 Euro einplanen. Unterhalb dieser Schallgrenzen gibt es nur ausgesuchte, empfehlenswerte Modelle. Dann aber teils mit etwas eingeschränktem Einsatzbereich.
Außerdem gilt: Je komplexer das Rad technisch gesehen ist, desto teurer ist es auch. Reduzierte City-Bikes gibt es auch schon etwas günstiger. E-Mountainbikes ergeben erst mit guter Federgabel und einer absenkbaren Variosattelstütze Sinn. Das treibt den Preis in die Höhe. Gute vollgefederte E-Bikes sind, pauschal betrachtet, sogar unter 4500 Euro nur schwer zu bekommen.
Über Bike-Leasing wird viel geredet. Fakt ist aber: Noch 2024 gaben fast 80 Prozent von euch in unserer MYBIKE-Leserumfrage an, das nächste Rad noch klassisch kaufen zu wollen. Barkauf nennt sich schlicht alles, was direkt per Überweisung oder Bar bezahlt, oder auch in Raten finanziert wird.
Der Barkauf hat viele Vorteile. Die Auswahl ist hier nicht eingeschränkt, es gibt keine versteckten Kosten und das Rad gehört einem sofort. Aktuell gibt’s dank anhaltender Konsum-Flaute sogar das ein- oder andere Schnäppchen. Wer sich keine großen Gedanken machen will, ist hier am besten aufgehoben.
Ein Rad zu leasen, ist vor allem für Arbeitnehmer interessant. Der Knackpunkt: Hat der Arbeitgeber eine Kooperation mit einem Leasing-Anbieter, wird die Leasingrate vom zu versteuernden Einkommen abgezogen. Die reale Belastung für das Netto-Einkommen fällt überschaubar aus. Ein geldwerter Vorteil muss kaum versteuert werden. Gutverdienende, die viel Steuern zahlen, profitieren besonders. Das Leasing läuft in der Regel über 36 Monate.
An einem drei Jahre alten Rad haben Jobrad und Co. hinterher kaum Interesse. Leasingnehmer können das Rad deswegen meist für unter 20 Prozent des Neupreises übernehmen. In Summe sind so bis zu 30 Prozent Ersparnis gegenüber dem Neukauf keine Seltenheit. Nachteil vom Leasing: Die Auswahl bei den Rädern ist oft etwas eingeschränkter und Leasing funktioniert nur für Arbeitnehmer mit entsprechendem Arbeitgeber-Angebot.
Gebraucht zu kaufen ist die günstigste Option, um sich ein hochwertiges Fahrrad zuzulegen. Gerade der Kauf von privat ist aber heikel und erfordert viel Sachkenntnis und Schrauber-Wissen. Für Einsteiger daher keine gute Wahl, besonders wenn auch noch Motor und Akku im Spiel sind.
Durch die aktuell niedrigen Neupreise ist der Gebrauchtmarkt zudem etwas weniger attraktiv als üblich. Professionelle Gebraucht-Händler und insbesondere Refurbishment-Unternehmen wie Rebike, Refurb und Co. können aber eine gute Alternative zum Neukauf sein.
Ob das neue Rad zu einem passt? Das hängt vor allem auch davon ab, was man damit machen will. Ein E-MTB oder Gravelbike taugt nur bedingt als Einkaufs-Wagen, Kompakt- und Cargo-Bikes sind auf Reisen nicht zwangsläufig die besten Partner.
Das Rad soll alles können? Gelände, etwas Gepäck, Reise, Alltag? Auch das geht. Ob es wirklich ein schweres, wartungsintensives und oft teures vollgefedertes E-SUV sein muss, sollte man sich aber gut überlegen.
Die Frage nach Freizeit oder Alltag ist für den Anfang fast die wichtigste beim Fahrradkauf. Selbst wenn das Rad nur gelegentlich im Alltag genutzt wird, raten wir zu einer Ausstattung mit Schutzblechen, Seitenständer, Licht und Gepäckträger ab Werk.
Diese Teile sind speziell für das jeweilige Rad angepasst, sehen oft besser aus als Nachrüst-Lösungen und sind meist auch robuster. Nur wer das Rad ausschließlich bei schönem Wetter in der Freizeit nutzen will, kann am Gravelbike oder E-MTB darauf verzichten.
Kompakträder schlagen mit hoher Zuladung die Brücke zwischen Trekking- und Cargo-Bike und sind damit ideale Alltagspartner. Trekking-, E-Trekking oder Light-E-Bikes setzen mehr Akzente bei Freizeit und Touren.
Je kräftiger man tritt, desto sportlicher kann man sitzen. Das sagen zumindest Bikefitting-Experten zur optimalen Sitzposition. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Rad-Novizen mit wenig Training sollten nicht gleich mit einem Gravelbike mit Rennlenker anfangen. Das sieht zwar schick und sportlich aus, die ungewohnte Haltung kann den Fahrspaß aber erheblich einbremsen.
Besser passt die nur leicht sportliche Haltung auf einem klassischen Trekking-Rad oder Light-E-Bike. Klassischen E-Trekkingräder und Kompakträder bieten die aufrechteste Sitzposition. Das ergibt Sinn, schließlich muss man hier am wenigsten selbst treten.
Wer weniger das Bein schwingen muss, kann komfortabler auf- und absteigen. Bei einem plötzlichen Stopp kommt das niedrige Oberrohr auch kleinen Menschen nicht so leicht in die Quere. Allerdings: Gerade echte Tiefeinsteiger haben große Nachteile bei der Steifigkeit.
Damit sich das Rad trotzdem gut und sicher fährt, müssen die Hersteller den Rahmen mit viel Material verstärken. Das macht Tiefeinsteiger schwer und unhandlich. Gewichte um 30 Kilogramm sind keine Seltenheit. Die Räder fahren sich zwar trotzdem nicht schlecht, wer das Bike mal eine Kellertreppe hinunter oder auf einen Rad-Träger hieven muss, hat aber wenig Spaß.
Die Alternative: Trapez-Rahmen mit tief gezogenem Oberrohr. Sie bieten fast dieselben Vorteile wie echte Tiefeinsteiger, die Nachteile bei Gewicht und Steifigkeit sind aber viel weniger ausgeprägt.
Trails haben eine hohe Anziehungskraft. Realistisch gesehen machen sie aber selbst mit einem E-MTB oder Gravelbike den kleinsten Teil der Tour aus. Unser Tipp: Auch wer sich für Gelände interessiert, sollte auf gute Touren- und Straßeneigenschaften, sowie auf ausreichend Platz für breite Reifen achten.
Steht am Ende doch mehr Gelände auf dem Plan als gedacht, kann man das Rad leicht mit gröberen Reifen darauf anpassen. Übrigens: Genau wie Gravelbikes bewältigen auch klassische Trekking-Räder leichte Schotter-Touren ohne Probleme.
Wer regelmäßig Kinder zum Kindergarten bringt oder Blumenerde vom Baumarkt mit dem Rad holt, kennt sein Anforderungsprofil. Dafür sind Cargo-Bikes eindeutig die beste Wahl. Mit etwas Zubehör können Kompakträder mittlerweile eine gute und wesentlich vielseitigere Alternative sein. Sie transportieren zum Wocheneinkauf auch noch eine Getränkekiste oder einen kleinen Passagier, nur eben nicht alles gleichzeitig.
Gepäckträger klassischer Trekking-Bikes sind meist auf 25 Kilo Zuladung begrenzt, aber schon bei Packtaschen mit rund 10 Kilo pro Seite wird’s etwas wackelig. Für einen größeren Einkauf funktioniert das noch passabel, sperrige Lasten kann man hier aber nicht transportieren. Bei Gravelbikes oder E-MTBs ohne Gepäckträger bleibt ohnehin nur der Rucksack.
Das ist die Gretchenfrage beim Fahrrad-Kauf. Reine Freizeitradler, solche mit weniger Budget oder Puristen sind beim klassischen Trekking-Rad oder Gravelbike am besten aufgehoben. Alle anderen sind mit einem E-Bike breiter aufgestellt. Denn längst gibt es neben komfortorientierten E-Bikes auch solche mit kleinen und leichten Motoren und sportlichem Anspruch.
Der höhere Fahrspaß durch die Unterstützung des Motor hilft gerade vielen Neueinsteigern, den inneren Schweinehund auch mal bei schlechtem Wetter zu überwinden. Dass man im Alltag nicht nach Strecken über 15 Minuten erst unter die Dusche muss, erhöht den Nutzwert des Rades spürbar.
Ob der Motor in der Mitte oder hinten sitzt, ist weniger entscheidend. Tendenziell bringen gerade teure Mittelmotoren wie Boschs CX eine hohe Leistung und Dynamik. Die braucht man aber nur am E-MTB oder Lastenrad wirklich. Nabenmotoren sprechen nicht ganz so direkt an, sind dafür aber oft günstiger und beanspruchen Kette und Kassette weniger.
Hier geht’s ins Detail. Allerdings: Manche Hersteller bieten über die App einen grundlegenden Diebstahlschutz, mit GPS-Modulen wie dem Bosch Connect oder Trackern von Powunity oder Biketrax lässt sich das Rad sogar in Echtzeit orten. Tourenradler profitieren von Navigations- und Routing-Funktionen, die diverse Hersteller in Kombination mit größeren Displays anbieten.
Die Angst vor dem leeren Akku kennen nicht nur Fahrrad-Neulinge. Aber: Mit einem modernen E-Bike wirklich liegen zu bleiben, ist gar nicht mehr so einfach. Akkugrößen von 500 Wattstunden und mehr reichen selbst bei schweren E-Bikes mit voller Leistung locker für mittellange Touren.
Kleine und leichte E-Bikes kommen gut mit 300 bis 400 Wattstunden hin. Nur wer vorhat, regelmäßig Touren von 100 Kilometern und mehr in einer Etappe zu fahren, braucht wirklich 700 Wattstunden und mehr.
Shimanos XT-Schaltung kennt fast jeder. Entscheidender als ein gutes Schaltwerk alleine ist aber ein gelungener Gesamt-Mix. Unsere Empfehlung für Fahrrad-Neulinge: Keine Angst vor starren Gabeln. Sie sind leicht, brauchen keine Wartung und günstige Federgabeln funktionieren ohnehin oft nur schlecht.
Stattdessen für Komfort lieber auf breite Reifen und einem angepassten Luftdruck setzen. Bietet der Rahmen genügend Reifenfreiheit, lässt sich auch eine schmale Serienbereifung durch breite Pneus ersetzen. Die lassen sich gut mit rund zwei Bar fahren - ohne große Nachteile beim Rollwiderstand.
Auch hydraulische Scheibenbremsen sind ein Muss. Ein ergonomischer Sattel und gute Griffe lassen sich bei Bedarf leicht nachrüsten. Alltagsradler profitieren von wartungsarmen Naben-Schaltungen. Wer in bergigem Gelände wohnt, sollte auf einen ausreichend kleinen Klettergang achten.
Was das Rad können muss und was es kosten darf sind natürlich wichtige Kriterien für den Bike-Kauf. Wer alle Fakten zum zusammengesammelt hat, sollte unbedingt eine ausführliche Probefahrt machen. Und sich am Ende auch für ein Rad entscheiden, das ihm auch besonders gut gefällt. Fahren, fahren, fahren, das ist das Ziel. Und das klappt unserer Erfahrungen nach immer am besten mit einem Rad, das gut passt, aber auch emotional begeistert. - Barbara Merz-Weigandt & Adrian Kaether, Testredaktion MYBIKE