Julian Schultz
· 25.04.2025
Never change a running system: Was beim Versandhandelskonkurrenten Canyon lange Zeit für das langstreckentaugliche Modell Endurace galt, macht sich Rose beim Backroad zu eigen; schließlich geht die Alu-Version des Bestsellers bereits ins fünfte Jahr. Kleine Anpassungen haben die Produktmanager natürlich vorgenommen, indem sie die Komponenten geändert und neue Lackierungen mit teils launigen Bezeichnungen wie „Leberkas“ präsentiert haben. Am Grundkonzept hat sich aber nichts geändert. Warum auch: Die veröffentlichten Verkaufszahlen geben den Bocholtern recht, laut eigener Aussage sind die diversen Carbon- und Alu-Derivate des Backroad seit Jahren Verkaufsschlager im Rose-Sortiment. Im Vergleich zum Backroad FF, das sinnbildlich für die modernere und progressivere Produktpolitik des Herstellers steht, fällt die „normale“ Version inzwischen aber etwas ab. Die günstigste Version im üppigen Portfolio bildet da keine Ausnahme und sichert sich in unserem Vergleich einen Platz im dicht gestaffelten Mittelfeld.
Das Backroad AL GRX RX400 firmiert bei Rose in der Unterkategorie „Adventure“ und zieht damit eine klare Trennlinie zum betont sportlichen Backroad FF. Am deutlichsten wird die spezielle Ausrichtung aufs Reisen bei der Rahmengeometrie. Durch das lange Steuerrohr thront der Lenker hoch über dem Vorderrad, wodurch man betont aufrecht und rückenschonend im Sattel sitzt. Im Testfeld wird diese aufrechte Haltung nur noch vom Stevens Prestige (siehe Seite 66/67) getoppt. Der lange Radstand, viel Gabelnachlauf und ein flacher Lenkwinkel sind ebenfalls charakteristisch für ein Touren-Gravelbike und machen das Rose zu einem laufruhigen Begleiter.
Die Verarbeitungsqualität gehört zum Besten in dieser Klasse. Dank akkurat verschliffener Schweißnähte und teilintegrierter Leitungen rückt das Rose Backroad AL optisch an die teureren Modelle mit Carbonrahmen heran. Drei Anbauteile stechen besonders hervor: Der weit ausgestellte Gravellenker von Ritchey ist durch die zusätzliche Biegung im Unterlenker ein Handschmeichler, für den Transport und für Engstellen aber etwas hinderlich. Durch die große 180-Millimeter-Bremsscheibe am Vorderrad verzögert das Rose selbst mit viel Gepäck erstklassig. Zudem helfen die leichten Eigenmarken-Laufräder dabei, das Bike flink zu beschleunigen. Hochwertige Stollenreifen von Conti runden die fast perfekte Ausstattung ab. Einzig die 2x10-Schaltung erfordert, gemessen am aktuellen Stand der Technik mit bis zu 13 Ritzeln am Hinterrad, eine gewisse Kompromissbereitschaft. Durch die Kassette mit 11-34 Zähnen ist das Backroad vergleichsweise stramm übersetzt, erlaubt aber auch eine flottere Gangart.
Dass das Rose einer frühen Gravelbike-Ära entstammt, erkennt man auch an der maximal möglichen Reifenbreite von 45 Millimetern. Für ein Adventure-Bike ist das knapp und wird von den Serienreifen fast schon ausgereizt. Wer das Rose mit breiteren Pneus fahren will, muss auf kleinere Laufräder im Format 650B wechseln. Kostengünstiger wäre mehr Komfort – speziell an der unnachgiebigen Front – durch Tubeless-Reifen zu erzielen.
Das Basismodell des Rose Backroad ist, ungeachtet seiner langen Laufzeit, weiterhin ein Kassenschlager bei Rose, das Rad war im Testzeitraum bis auf eine Rahmengröße komplett ausverkauft. Für die weiteren Varianten, die dank der Einfach-Antriebe von Shimano oder SRAM etwas leichter sind, wird ein Aufpreis von 300 Euro fällig. Teuerstes Modell ist eine Version mit Vollausstattung. Auch die Carbonmodelle ab 2999 Euro sind in vielen Größen nur noch mit teuren Ausstattungen verfügbar. Es würde deshalb nicht überraschen, wenn die Bocholter im Hintergrund bereits an einem Modellwechsel arbeiten, um dem progressiven Renngerät Backroad FF eine abenteuertaugliche Version auf Augenhöhe an die Seite zu stellen.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.