Julian Schultz
· 24.04.2025
Wenn ein Hersteller sein Gravelbike als „Arbeitstier“ oder „bombensichere Alu-Version“ beschreibt, sagt das schon vieles über den Charakter des Modells aus. Ridley wählt diese Worte für das Kanzo Adventure A, das die belgische Marke im Vorjahr am Rande der Gravel-Weltmeisterschaften in Flandern präsentierte und in seinen Eigenschafen an die fast namensgleiche Version aus Carbon anlehnt. Beide Plattformen teilen sich die Vorliebe für schwieriges Gelände und das Angebot, reichlich Gepäck mitnehmen zu können. Kurzum: Die Neuheit versteht sich als abenteuertaugliches Bikepacking-Rad.
Damit man auf Holperpisten die Kontrolle behält, konzipiert Ridley die Basis extrem laufruhig. Der verlängerte Radstand, viel Gabelnachlauf und ein extrem flacher Lenkwinkel münden in stoischem Geradeauslauf, wie ihn nur wenige andere Gravelbikes aufweisen. Die logische Konsequenz daraus: Schnelle Richtungswechsel werden vergleichsweise träge umgesetzt. Flotte Schotterjagden sind aber ohnehin nicht das Ding des Alu-Bikes, das die Schweißnähte der Rahmenrohre offen zur Schau stellt. Mit knapp über elf Kilogramm ist es, wie viele seiner Mitbewerber, kein Sprintwunder. Unüblich für ein Abenteuerbike ist hingegen die leicht gestreckte Sitzposition. Selbst auf dem Kanzo Fast – einem der Race-Gravelbikes der Belgier – sitzt man etwas aufrechter. In Kombination mit einem steilen Sitzwinkel wird der Schwerpunkt des Fahrers auf diese Weise nach vorne verlagert, wodurch das Vorderrad an steilen Rampen besser Bodenkontakt halten soll.
Mit den Bikepacking-Genen fühlt sich die Neuheit auf moderatem Geläuf am wohlsten; die runde Sattelstütze aus Alu reagiert ziemlich unnachgiebig auf Erschütterungen. Da der Schaltungsumwerfer die Reifenbreite am Hinterrad auf 47 Millimeter limitiert, hält sich das Tuningpotenzial für mehr Federkomfort am Testrad in Grenzen. Für die Ausstattungen mit Einfach-Kurbel ist das Rahmen-Set für bis zu 52 Millimeter breite Schlappen freigegeben, womit das „Arbeitstier“ im Revier von Mountainbikes wildern und anspruchsvolleres Gelände bewältigen könnte.
Mit den maximal breiten Reifen dürfte der Platz für fest installierte Schutzbleche allerdings nicht mehr ausreichen – Ridley macht dazu keine Angabe –, obwohl die insgesamt 18 Montagepunkte an Rahmen und Gabel die Herzen von Bikepackern und Fans der Vollausstattung höher schlagen lassen. Im Gegensatz zur Variante mit Carbonrahmen nimmt das Kanzo Adventure A auch einen Heckgepäckträger auf. Der sogenannte „Dog Bone“ am Oberrohr, an dem sich beispielsweise ein Ersatzschlauch mittels Gurt befestigen lässt, ist dagegen der teureren Plattform vorbehalten. Ein Nabendynamo mit integrierter Kabelführung lässt sich nachrüsten.
Die 2x12-Shimano-Schaltung ist zwar in die Jahre gekommen, steht aktuellen 1x12-Varianten aber in Bandbreite und Bergtauglichkeit nicht nach. Die Kombination von 30/36 Zähnen im kleinsten Gang nimmt Anstiegen den Schrecken. Der UDH-Standard am Schaltauge soll das Schaltwerk bei Stürzen schützen und die Einstellung erleichtern. Das Testrad ist das Basismodell, die weiteren Ausstattungsvarianten unterscheiden sich durch den Antrieb. Für das Top-Modell mit elektronischer SRAM-Schaltung wird ein Aufpreis von 1000 Euro fällig. Die Carbonflotte startet bei 3099 Euro und lässt sich, anders als das Kanzo Adventure A, im umfangreichen Online-Konfigurator der Belgier individualisieren.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.