Julian Schultz
· 25.04.2025
Gemessen an der Konkurrenz kam das Regard zwar relativ spät auf den Markt, Radon stellte das Erstlingswerk erst 2022 in den Online-Shop; dafür wusste das vielseitige Gravelbike auf Anhieb zu überzeugen. Damals wie heute zeichnet sich das Regard AL 10.0 vor allem durch sein relativ geringes Gewicht aus – Alleinstellungsmerkmal in einem Testfeld, in dem das Gros der Räder mit zum Teil deutlich mehr als zehn Kilogramm am Haken der TOUR-Waage hängt.
Dem Versandhändler aus Bonn gelingt es als einzigem Hersteller, ein Rad aus Aluminium unter zehn Kilogramm auf die Reifen zu stellen. Die Basis dafür ist eines der leichtesten Chassis aus dem langlebigen Werkstoff: Der Rahmen wiegt rund 1800 Gramm, die Gabel aus Carbon knapp 460 Gramm. Zum aktuell leichtesten Alu-Gravelbike im TOUR-Test, dem Specialized Crux DSW, lässt das Radon zwar eine Lücke; das Geländerad der US-Amerikaner spart am Rahmen dank eines patentierten Fertigungsverfahrens weitere 400 Gramm. Doch dafür ist das Radon Regard deutlich steifer und – nebenbei bemerkt – auch um 700 Euro günstiger.
„Das sportlichste Modell“ der Plattform, wie der Hersteller das Rad selbst charakterisiert, spielt seine Stärken auf der flachen Schotterautobahn aus. Im Vergleich zu den teils deutlich schwereren Konkurrenten beschleunigt das Rad ordentlich. Die ausgeprägte Laufruhe teilt sich das Radon Regard mit vielen Rädern dieser Kategorie. Nicht ganz ins sportliche Konzept passt die Rahmengeometrie, die eine betont aufrechte Sitzposition vorgibt. Andererseits ist das Regard dadurch für Gravelbike-Neulinge interessant, die erstmals mit einem gebogenen Lenker in Berührung kommen und die kommode Sitzposition durchaus begrüßen dürften.
Und: Auch Radreisende, Bikepacker oder Pendlerinnen sitzen erfahrungsgemäß lieber etwas aufrechter. Durch Aufnahmen für Taschen, Schutzbleche und Gepäckträger ist das Rad für viele dieser Einsatzzwecke gewappnet. Zwei Varianten wie das Regard AL 9.0 FE sind bereits ab Werk mit Vollausstattung erhältlich. Für Abenteurer und Fahrten abseits planierter Feldwege ist der Federkomfort des Rades allerdings etwas knapp bemessen, wobei man die montierten Conti-Reifen auch tubeless nutzen kann, um etwas mehr Federweg aus dem Set-up herauszuholen. Das Rahmen-Set ist für bis zu 45 Millimeter breite Gummis freigegeben, unter Schutzbleche passen die Serienreifen.
Die geländetaugliche 1x12-Schaltgruppe von Shimano ist fast sortenrein montiert. Einzig bei den Bremsscheiben verwendet Radon eine einfachere Version, die nicht ganz an die Performance der Top-Bremsen herankommt. Das machen viele andere Hersteller aber auch. Das Getriebe mit extremer Untersetzung im leichtesten Gang ist vor allem für bergiges Gelände gedacht. Einen Zweifach-Antrieb mit feinerer Abstufung bieten die Bonner nur für die mit Lichtanlage, Schutzblechen, Gepäckträger und Seitenständer ausgestatteten Commuter an. Die etwas triste Optik und grobe Schweißnähte stören das ansonsten runde Bild des Rades. Gleichwohl erleichtern der klassische Ahead-Vorbau und die externe Leitungsführung Wartungs- und Montagearbeiten.
Das Basismodell mit der modularen Cues-Gruppe von Shimano gibt es für 1299 Euro. Zusammen mit zwei neuen Titanversionen (ab 4999 Euro) umfasst die Plattform sechs Modelle. Die Einführung des Kürzels AL in der Modellbezeichnung deutet außerdem daraufhin, dass Radon demnächst wohl auch Varianten mit Carbonrahmen präsentiert.
Gewicht (25 Prozent der Gesamtnote): Für die Bewertung zählt das gewogene Komplettradgewicht in der einheitlichen Testradgröße 56–57 Zentimeter. Wir weisen zur Orientierung auch die Laufradgewichte aus. Die Notenskala ist so gelegt, dass die Note 1,0 technisch erreichbar ist: Für Gewichte unter 7,5 Kilogramm vergeben wir die Bestnote.
Komfort Heck (20 Prozent): Ein Maß für die Nachgiebigkeit bei Fahrbahnstößen, gemessen im TOUR-Labor. Es wird ein Federweg bei Belastung der Sattelstütze gemessen. Der Messwert korreliert sehr gut mit den Fahreindrücken und dem Komfortempfinden. Gute Noten bedeuten auch eine ordentliche Fahrdynamik, die sich auf schlechten Straßen und im Gelände positiv auf die Geschwindigkeit auswirkt.
Komfort Front (10 Prozent): Analog zum Heck wird die Verformung des Lenkers unter Last ermittelt. Eine gute Note bedeutet viel Federkomfort, was die Hände auf langen Touren entlastet. Starke Sprinter, die viel Steifigkeit wünschen, sollten aber eher auf einen steifen Lenker achten.
Frontsteifigkeit (10 Prozent): Wichtige Größe für die Lenkpräzision und das Vertrauen ins Rad bei hohem Tempo, ermittelt im TOUR-Labor. Es wird eine Gesamtsteifigkeit am fahrfertig montierten Rahmen-Set ermittelt, also inklusive Gabel. Die Steifigkeitswerte werden gedeckelt. Ziel sind nicht unendlich steife, sondern ausreichend fahrstabile Rahmen.
Tretlagersteifigkeit (10 Prozent): Verrät, wie stark der Rahmen bei harten Tritten, zum Beispiel im Sprint, nachgibt. Diese Messung findet ebenfalls im TOUR-Labor statt, mit einer realitätsnahen Aufspannung, bei der sich der Rahmen wie im Fahrbetrieb verformen kann.
Schaltung (5 Prozent): Die Schalteigenschaften werden im Fahrtest ermittelt. Bewertet wird nicht der Preis oder die Qualitätsanmutung einzelner Komponenten, sondern ausschließlich die Funktion des gesamten Getriebes. Dabei spielen das Gangspektrum, aber beispielsweise auch die Zugverlegung, die Qualität der Züge und die montierte Kette eine Rolle.
Bremsen (5 Prozent): Ähnlich wie beim Schalten zählt auch hier der Test auf der Straße, es fließen zusätzlich die Erfahrungen aus unseren unzähligen Tests von Bremsen mit in die Bewertung ein. Dabei wird nicht das Bauteil selbst, sondern die Funktion als Zusammenspiel von Bremskörper, Belägen und Scheiben bewertet: Wie gut lassen sich die Bremsen modulieren? Wie standhaft sind die Bremsen, wie reagieren sie bei Hitze oder Nässe, wie lang sind die Bremswege?
Reifen (5 Prozent): Bewertet werden Rollwiderstand und Grip – soweit bekannt aus einem unserer unabhängigen Reifentests oder anhand des Fahreindrucks. Die Reifenbreite hat auf die Bewertung keinen Einfluss, denn das ist eher eine Frage persönlicher Präferenzen.
Lack (5 Prozent): Der TOUR-Lacktest simuliert Steinschlag und erlaubt eine Aussage über die Haltbarkeit der schützenden Deckschicht. Ein Meißel simuliert Steinschlag oder Kettenschlagen. Beginnend bei zehn Zentimetern Höhe, wird um je zehn Zentimeter gesteigert, bis der Lack nachgibt oder die maximale Fallhöhe von 50 Zentimetern erreicht ist.
Wartung/Einstellung (5 Prozent): Bewertet wird, wie einfach sich ein Rad warten und einstellen lässt. Notenabzüge gibt es beispielsweise für benötigte Spezialwerkzeuge, besonders aufwendige Detaillösungen, herstellergebundene Komponenten oder Wartungsarbeiten, die sich nur in Fachwerkstätten durchführen lassen.
Die Gesamtnote wird arithmetisch aus den prozentual unterschiedlich gewichteten (Prozentangaben in Klammern) Einzelnoten gebildet. Sie bringt vor allem die sportlichen Qualitäten des Rades zum Ausdruck.