Meinung zum GravelbikenSinn und Unsinn einer Mode-Sportart

Dimitri Lehner

 · 27.10.2025

Der spanische Bike-Akrobat David Cachon schwingt sein Graveller im Scandi Flick durch den Turn. Gravelbiken, wo die meisten nicht mal Mountainbiken können, ist gerade hipp.
Foto: Copyright David Cachon
Warum wollen denn jetzt alle mit ihren Gravelbikes auf Mountainbike-Trails fahren? Was ist nur los mit den Gravelbikern? Mir scheint, der junge Sport steckt jetzt schon in einer Krise. Ich sag euch auch, warum.

Max, was machst du da?

Das Gravelbike Giant Revolt meines Kollegen Max hat eine seltsame Metamorphose durchgemacht. Zuerst hypertrophierten die 40er-Reifen zu 50-Zoll-Schlappen. Mit fetten Stollen obendrein. Als ich das Giant das nächste mal sah, war plötzlich der Bügellenker verschwunden. Max hat sich einen Mountainbike-Lenker montiert. Was kommt als nächstes? Vollfederung?
Ja erleidet der Modesport Gravelbiken gerade eine Identitätskrise. Oder gar eine Midlife-Crisis?
Nein, dafür ist es noch ein bisschen früh.

Freiheit für alle!


Eins sei vorausgeschickt: Jeder kann und soll machen, was er will. Wer sein Gravelbike Mountainbike-Trails oder felsdurchsetzte Enduro-Tracks runter oder hochscheuchen will – bitte schön!
Doch in meinen Augen ist das Quatsch. Es erinnert mich an die vielen Verirrungen im Sport. Beim ersten wirklichen Funsport zum Beispiel, dem Windsurfen, schrumpften die Boards Ende der 1980er von Baumstamm-Format auf Parkbank-Größe herunter. Weil’s cool war, weil uns das die Helden aus Hawaii so vor machten. Das Ergebnis: alle saßen am Strand, alle warteten statt zu surfen. Sie warteten und hofften auf den Jahrhundertsturm, weil erst dann die Mini-Bretter den nötigen Auftrieb entwickeln konnten. Oder im Snowboarden. Obwohl wir fast alle auf der Piste fuhren, schwappte die Freestyle-Welle über uns Boarder und die Planken wurden so unförmig und weich, dass plötzlich alle wie betrunken über die Piste schlitterten und es kaum einer schaffte, die Kante in den Schnee zu drücken.

Was jetzt – so oder so?


Jetzt also Race-Gravelbikes mit fetten Reifen, Gravelbikes mit Vario-Stütze und Federgabel oder geradem Lenker wie ein Mountainbikes. Und Graveller, die damit steile Wurzelpfade hinunter stolpern oder versuchen die Alpen auf Holper-Trails zu überqueren.

Jetzt aber rein treten ins Pedal und gute festhalten! So ein Quatsch – das ist doch kein Trail fürs Gravelbike!Foto: Laurin LehnerJetzt aber rein treten ins Pedal und gute festhalten! So ein Quatsch – das ist doch kein Trail fürs Gravelbike!


Ich sage: Alles Quatsch!

Quatsch sag ich da nur. Zweckentfremdet wie all die Landrovers auf der A96.
Für mich ist das Gravelbike ein Ticket in die Freiheit. Denn mit einem Gravelbike kann ich nach Lust und Laune von der Straße in den Wald abbiegen und alles hinter mir lassen. Waldboden und Gravel statt Asphalt. Bäume statt Autos. Ruhe statt Lärm. Mit einem Gravelbike fliege ich über den Forstweg und genieße die Beschleunigung, weil leicht. Weil schnell. Weil aufs Wesentliche reduziert – ohne Federgabel, Variostütze, fetten Schlappen.
Daher mein Appell: Keep the Gravel in Gravelbiking!

Strappst nur Taschen ans Bike, wenn’s auf große Fahrt geht: Gravel-Fan Dimitri Lehner. Sonst lautet seine Devise: so leicht und reduziert wie möglich und die Trails sanft und ab vom Schuss.Foto: Georg GrieshaberStrappst nur Taschen ans Bike, wenn’s auf große Fahrt geht: Gravel-Fan Dimitri Lehner. Sonst lautet seine Devise: so leicht und reduziert wie möglich und die Trails sanft und ab vom Schuss.

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