Jan Timmermann
· 16.09.2025
Das Marin Headlands ist so etwas, wie der Nonkonformist unter den Gravelbikes. Prüde und konventionell können andere. Das einzige Carbon-Bike der Kalifornier präsentiert sich aufregend, progressiv und in den Augen so manches Roadie-Konservativen womöglich ganz schön wild. Dabei vereint das Topmodell Headlands 3 ein anständiges Gewicht unter zehn Kilo mit vielen Features, die Gravelbikern gut gefallen dürften. Zu dem Bike, das nach einer Küstenlandschaft bei San Francisco benannt wurde, konnten wir bereits ausgiebige Testeindrücke sammeln.
Pivot bietet das Vault in drei Ausstattungsvarianten und sechs verschiedenen Rahmengrößen (49/ 52 / 54 / 56 / 58 / 60) an. Außerdem ist das Set aus Carbon-Rahmen und -Gabel auch für den Selbstaufbau zu erstehen. Unser Testbike trägt die Modellbezeichnung Marin Headlands 3, kostet 4499 Euro und zeichnet sich durch folgende Ausstattung aus:
Bei BIKE betreiben wir einen beispiellosen Aufwand, um Fahrräder zu testen. Als einziges Fachmagazin weltweit betreiben wir ein eigenes Testlabor. Die ermittelten Daten stützen die Eindrücke aus dem Praxistest. Auch bei den Geometriedaten verlassen wir uns nicht ausschließlich auf die Herstellerangaben, sondern setzen selbst das Lasermessgerät an.
Der Kultfaktor von Marin Bikes ist bereits am metallenen Bären-Emblem auf dem Steuerrohr zu erkennen: Das Wappentier von Marin County darf auch am Headlands Gravelbike nicht fehlen. Mit dem Debüt 1986 war die US-Marke eine der allerersten, welche Mountainbikes in Serie verkaufte. Heute konzentriert sich das Label in erster Linie auf preiswerte Geländeräder mit Alu-Rahmen. Das Gravelbike der Marin-Familie kommt als einziges noch mit Fahrgestell aus Kohlefaser. Wir durften die 2026er Neuauflage des Headlands als eines der ersten Medien in Europa testen. Eine Premiere ist das bullige Rahmenstaufach im Unterrohr. Die ovale Öffnung unter der Kunststoffklappe wirkt im Verhältnis dazu schmal. Maximal 14 Kilo Gepäck dürfen an allerlei Aufnahmen verschraubt werden. Allerdings bietet der Rahmen nur zwei Montagepunkte für Flaschenhalter.
Am Topmodell Marin Headlands 3 drehen sich Carbon-Laufräder und die neue Sram Rival AXS XPLR Funkschaltung sortiert die Gänge. Für eine Fachhandelsmarke kann sich die Preis-Leistung sehen lassen und selbst das Gewicht mit Dropper-Post muss sich nicht verstecken. Typisch Marin geben sich Optik und Geometrie eigenständig. Die Lackierung ist reizend, der Werbe-Claim lässig: „Made for fun“. Festgefahrene Maßstäbe für konservative, vom Straßen-Renner inspirierte Gravelbikes will man gar nicht erst an sich ranlassen.
Einmal aufgesattelt wirkt der Ami-Schlitten auffällig lang. Der Reach-Wert ist nach dem Santa-Cruz der größte im aktuellen Gravelbike-Testfeld und geht mit einem opulenten Vorbau zusätzlich in die Verlängerung. Hinzu kommt eine in Unterlenkerposition breite Steuerzentrale, welche das Fahrergewicht weit übers Bike verteilt. Bei großen Händen piekst der Remote der Variostütze unangenehm am Daumen. Mit viel Druck auf der Front zieht das Headlands zügig voran. Die Laufräder beschleunigen forsch und der Freilauf-Sound gefällt. Bei Pendel-Fahrten mit viel Druck auf dem Pedal kann die sportlich-gestreckte Sitzposition überzeugen. Für entspannte Cruises zur Eisdiele gibt es aber eindeutig komfortablere Bikes. An steilen Rampen ist Feingefühl gefragt, um die volle Power auf den Boden zu bringen. Die Semi-Slicks von Vee-Tire neigen unter Last zum Durchrutschen und das unausgeglichene Verhältnis von Hauptrahmen- zu Hinterbaulänge macht es schwer den richtigen Sweetspot für die Gewichtsverlagerung zu finden.
Auch über Trailabschnitte gibt sich das Marin Headlands zickig. Rahmen, Gabel und das dünne Lenkerband am Alu-Cockpit bieten nur wenig Dämpfung. Erschütterungen werden ungefiltert an den Fahrer weitergereicht. Selbst die voluminösen Reifen können das nur bedingt ausgleichen. Mit müden Unterarmen schaltet man in Rumpel-Passagen lieber einen Gang zurück. Schade, ließen doch die lange Geo und der extrabreite Lenker auch eine stabile Fahrlage bei hohen Geschwindigkeiten zu. Auf glatten Schotter-Pisten ist die maue Dämpfung weniger ein Problem. Dort schlägt die Sternstunde des Marin. Im Vollgas-Modus ist es ein echter Gute-Laune-Garant. Mit abgesenkter Teleskopstütze und potentem Radstand fliegt das Headlands sicher, schnell und spaßig durch die Abfahrt. Auf klassischem Gravel-Untergrund fällt die Beherrschung bei jedem Tempo leicht und das US-Gravelbike nimmt viel Speed mit durch die Talsohle in den nächsten Anstieg.
Mithilfe einer Aussparung im Sitzrohr schafft es Marin am Headlands Gravelbike extra kurze Kettenstreben zu realisieren. Dank kompaktem Heck geht das lange Bike ohne viel Kraftaufwand um die Kurve und lässt sich noch kompetent durch S-Kurven schwänzeln. Der Lenkwinkel scheint perfekt gewählt und vereint Laufruhe mit Reaktionsfreude. Indes steht die frontlastige Fahrposition einem direkten Lenkverhalten vor allem bei niedrigem Tempo im Wege. Unser Tipp: kürzeren Vorbau montieren.
Mit dem neuen Headlands hat es Marin geschafft eine charakterstarke Spaß-Maschine auf die Schotterpiste zu stellen. Die progressive Kombination aus langer Front und kurzem Heck übernimmt das Carbon-Gravelbike von seinen MTB-Geschwistern und treibt damit den Fun-Faktor auf ein hohes Niveau. Im Gelände bremsen die niedrigen Reserven bei Reifengrip und Komfort. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur