Rennradfahrer werden mit dem Namen Alutech nur wenig anfangen können. Vermutlich wird sich aber auch der ein oder andere Mountainbiker beim Anblick des Gravelbike Punk 2.0 verwundert die Augen reiben. Das Label aus Norddeutschland ist seit Jahrzehnten eine feste Größe in der deutschen Bike-Szene. Markenzeichen: Lokal geschweißte Alu-Fullys mit viel Federweg und martialischer Schweiß-Optik.
Hier und da experimentierte Firmenchef Jürgen Schlender zwar schon mal mit Carbon, das Punk ist aktuell jedoch das einzige Rad mit Kohlefaser-Rahmen im Alutech-Produktportfolio. Wer jetzt denkt, dass Schlender die Hardcore-Attitüde seiner Gravity-Bikes aufs Gravelbike übertragen hat, der mag am Ende dieses Testberichts womöglich überrascht sein.
Dass Ex-Downhiller Jürgen Schlender schon früh auf den Gravel-Zug aufsprang ist natürlich kein Zufall. Der Firmengründer von Alutech ist selbst begeisterter Gravelbiker und hat auf seinen Kreationen mit Rennlenker schon ganz Europa durchquert. Schlender ist Abenteurer durch und durch: Den Rahmenbau brachte sich der gelernte Haute-Couture-Schneider selbst bei.
Die Alu-Rahmen von Alutech werden inzwischen wieder in Deutschland geschweißt. Das Carbon-Chassis des Punk 2.0 fertigt man nach genauen Vorgaben in Übersee. Auf der Website haben Kunden die Möglichkeit, aus verschiedenen Lackierungen und Decals zu wählen. Wer es ganz wild mag, setzt sich mit dem kleinen Team in Verbindung und realisiert seinen individuellen Traumaufbau.
Praktisch: Alutech integriert ein Rahmenstaufach ins Unterrohr des Punk. Im “Kofferraum” befindet sich eine Werkzeugtasche, welche Schlenders Frau aus Gründen der Nachhaltigkeit von Hand aus alten Alutech-Pavillons und -Werbebannern näht. An Gabel und Oberrohr finden sich Montagepunkte für Taschen.
Auch im Rahmendreieck hat man nicht mit Aufnahmen für Flaschenhalter und Gepäck gespart. Zusätzlich nimmt das Chassis auf Wunsch auch Schutzbleche auf. Kenner freuen sich über die Tatsache, dass alle Schrauben am Rahmen aus Titan bestehen. Der Vorteil: weniger Gewicht und eine hohe Qualität. Bei der Zugverlegung gibt’s am Punk nur eine Option durch den Steuersatz. Das Tretlager wird via großem, servicefreundlichen T47-Gewinde in den Rahmen geschraubt.
Alutech bietet das Punk 2.0 in verschiedenen Ausstattungsvarianten und fünf verschiedenen Rahmengrößen (S / M / L / XL / XXL) an. Zwischen 3499 und 6999 Euro müssen für das Carbon-Gravelbike investiert werden. Unser 6499 Euro teures Testbike zeichnet sich durch folgende Ausstattung aus:
Bei BIKE betreiben wir einen beispiellosen Aufwand, um Fahrräder zu testen. Als einziges Fachmagazin weltweit betreiben wir ein eigenes Testlabor. Die ermittelten Daten stützen die Eindrücke aus dem Praxistest. Auch bei den Geometriedaten verlassen wir uns nicht ausschließlich auf die Herstellerangaben, sondern setzen selbst das Lasermessgerät an.
Optisch und haptisch macht das Alutech Punk 2.0 von Anfang an Spaß. Dass der hellgrüne Flitzer mit knapp 6500 Euro das teuerste Bike unseres aktuellsten Gravelbike-Testfeldes ist, macht sich definitiv bezahlt. Vom Staufach mit Fidlock-Verschlusssystem und großer Zugangsöffnung bis zu den Ausstattungsdetails, wie dem Sattel von SQlab, wirken Qualität und Verarbeitung absolut überzeugend.
Einziges Manko: Da das Unterrohr sehr voluminös ausfällt, neigt Zubehör im Staufach zum Klappern sobald die entsprechende Tasche nicht voll ausgefüllt ist. Liegt beispielsweise nur ein Multitool im Unterrohr, scheppert es laut durch den Resonanzkörper.
Die neue Sram Force XPLR AXS Gruppe lässt hingegen nichts anbrennen und sortiert 13 schön abgestufte Gänge. Mit 460 Prozent Übersetzungsbandbreite ist von schnellen Abfahrten bis knackigen Anstiegen alles drin. Die Funkschaltung mit der neuen Full-Mount-Technologie funktioniert auch unter Last und in hektischen Situationen zuverlässig.
Die Sitzposition auf dem Punk gehört zu den größten Überraschungen des Tests. Mountainbikes von Alutech sind bekannt für radikale Geometrien mit flachen Lenkwinkeln und langen Radständen. Das Gravelbike des Hauses geht da einen ganz anderen Weg. Aufgrund des kurzen Steuerrohres unterbietet das Punk als einziges Bike des Testgruppe einen Stack-Wert von 600 Millimetern. Dazu fällt der Reach mit 401 Millimetern eher dezent aus.
Die Folge: Der Pilot sitzt kurz und tief. Mittels Vorbauspacern unterm positiv gewinkelten Vorbau lässt sich das Cockpit zwar hochbocken gleichzeitig wird jedoch die Sitzlänge weiter verkürzt. Für die Agilität ist das Konzept super. Gemeinsam mit dem Titan-Bike von Radon teilt sich das Alutech den steilsten Lenkwinkel des Vergleichs. Auf Lenkimpulse reagiert das Punk zackig. Im Wald um die Wurzeln wuseln und bergauf über die Stufe lupfen? Easy!
Hinzu kommt eine sehr gute, leichte Laufrad-Reifenkombination. Kein anderes Rad geht so flink um die Kurve, wie das Gravelbike von Alutech. Auf verwinkelten Kursen macht die Drehfreude mächtig Laune. Doch Obacht: Wer nicht aufpasst, stößt beim beherzten Einlenken mit den Fußzehen ans Vorderrad. Der steile Lenkwinkel und der kurze Radstand verleihen dem Bike nur geringe Laufruhe, wenn das Terrain rumpelig und die Fahrt schnell wird.
Mittels eines Flip-Chips im Ausfallende der Gabel ließe sich der Radstand gar noch um fünf Millimeter verkürzen. Eine Empfehlung dafür können wir nicht aussprechen. Die tiefe, steile Front hat außerdem eine weitere Kehrseite. In hochprozentigem Gefälle stellen sich früh Überschlagsgefühle ein. Wenn der Punk-Pilot in den Trail abbiegt, sollte er definitiv wissen was er tut.
High-Speed Fahrten in der Ebene kann das Punk auch. Kopf tief in den Wind und Vollgas lautet dann die Devise. Mit dem leichtesten Gesamt- und Laufradgewicht ist das Gravelbike ratzfatz auf Tempo gebracht, kurze Gegenanstiege im Wiegetritt sind ein Klacks - super für Feierabendrunden mit viel Elan!
Auf der Langstrecke ist die gestauchte Sitzposition leider eher Fluch als Segen. Im Vergleich zu den teils deutlich längeren und flacheren Bikes von Santa Cruz, Propain und Pivot wird der Fahrer etwas auf dem Alutech zusammengefaltet, sodass sich bei langen Sitz-Zeiten Beschwerden im unteren Rücken und einschlafende Finger ergeben können.
Für die schnelle Feierabendrunde wäre das leichte, schöne Alutech meine erste Wahl. Agilität und Drehfreude des Punks sind erste Sahne. Für Ganztagesritte und Bikepacking ist die kurz-steile Geometrie nicht optimal. Auch im anspruchsvollen Gelände bringt das Gravelbike der MTB-Brand überraschend wenig Sicherheitsreserven mit. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur