Gravelbike-DuellMerida Silex 10K vs. Merida Scultura Endurance GR 8000

Julian Schultz

 · 15.02.2024

Merida Scultura Endurance GR 8000 in Aktion
Foto: Merida
Eine Neuheit und eine Weiterentwicklung fürs Gelände: Das Merida Scultura Endurance GR hat die Eigenschaften eines Allroad-Bikes, das Merida Silex 10K ist für Abenteuer auf schwierigem Terrain gemacht– und WM-Gold hat es auch schon.

Für Matej Mohorič war das wohl eine riesen Überraschung. Straßenprofis beherrschten auch bei der zweiten Auflage der Gravel-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr das Geschehen. Doch dass der Slowene, der für das World-Tour-Team Bahrain-Victorious fährt, gleich bei seinem ersten Geländerennen den ersten Platz belegte, kam auch für ihn überraschend. Und für Merida.

Mohorič fuhr das Merida Silex – ein Gravelbike, das der taiwanische Hersteller erst wenige Tage nach dem WM-Sieg offiziell als "verlässlichen Begleiter für Bikepacking und Fahrradabenteuer" vorstellte. Zudem vermarktet Merida normalerweise das Scultura Endurance GR als Geländerad mit Rennambitionen, das auf der Eurobike 2023 debütierte. Warum entschied sich also der Bahrain-Profi für das überarbeitete Silex? Sind sich die beiden Gravelbikes möglicherweise ähnlicher, als ihre Positionierung auf dem Markt vermuten lässt?

Merida Silex und Scultura im Vergleich

Bis auf das Rahmen-Set hat das von Mohorič gefahrene Merida Silex nicht viele Gemeinsamkeiten mit dem Scultura. Vielmehr ähnelt der Aufbau mit straßentauglichen Komponenten, Laufrädern und Cockpit dem Scultura Team, das der 29-Jährige im Straßenpeloton pilotiert. Dennoch waren Rennen auf dem Silex bis zur Gravel-WM in Norditalien kaum vorstellbar; das seit fünf Jahren angebotene Modell war klar auf Komfort ausgelegt und der Lenker so hoch, dass man sich kaum rennmäßig übers Cockpit beugen konnte.

Fahrer oder Fahrerin bringt das Update des Merida Silex nun in eine gestrecktere Position, die mit der auf aktuellen Marathonrädern vergleichbar ist. Überraschend sitzt man auf dem Scultura Endurance GR 8000 etwas aufrechter, da der Rahmen inklusive der Lenker-Vorbau-Kombi kürzer ausfällt. Der geländegängige Ableger des gleichnamigen Endurance-Modells rollt dafür wendiger über Schotterpisten. Die Erklärung zeigt sich am Geometrieprüfstand unseres Schwestermagazins TOUR: Während das Scultura typische Werte eines langstreckentauglichen Rennrads erreicht, weist das Merida Silex selbst für spurtreue Bikepacking-Modelle extreme Kennzahlen beim Gabelnachlauf (79 Millimeter), Lenkwinkel (69,5 Grad) und Radstand (1080 Millimeter) auf.

Überraschend: Auf dem Scultura Endurance GR 8000 sitzt man etwas aufrechter, da der Rahmen inklusive der Lenker-Vorbau-Kombi kürzer ausfällt.Foto: Matthias BorchersÜberraschend: Auf dem Scultura Endurance GR 8000 sitzt man etwas aufrechter, da der Rahmen inklusive der Lenker-Vorbau-Kombi kürzer ausfällt.

Komfort der Merida-Räder

Das agilere Fahrverhalten des Merida Scultura basiert auch auf den schmalen Reifen. Die 38 Millimeter breiten Noppenreifen von Continental rollen schneller als die voluminösen Maxxis am Markenbruder. Trotzdem absorbiert das Silex Unebenheiten im Gelände souveräner und bewältigt durchweichtes Geläuf besser. Die zehn Millimeter breiteren Reifen sind außerdem tubeless montiert, was einen geringeren Reifendruck erlaubt und das Bike spürbar besser federn lässt. Beide Räder, die die zulässige Reifenfreiheit ausreizen, bieten insgesamt ein gutes Federungsniveau.

Die Komfortmesswerte der Rahmen-Sets liegen fast gleichauf, wobei sich das Silex am Heck sogar minimal härter präsentiert. Der Grund dafür ist, dass Merida in das Top-Modell eine funkgesteuerte Vario-Stütze von Sram eingebaut hat, die in technischem Gelände zwar die Fahrsicherheit erhöht, aber etwas weniger Flex bietet als die Carbonstütze mit 15 Millimetern Versatz im Scultura.

Gleiches Gewicht

Beim Gewicht kommt es zu einem Patt. Das abenteuertaugliche Merida Silex zählt zu den leichteren Bikepacking-Experten. Nicht selten wiegen die robusten Räder mit vielen Anschraubpunkten für Gepäck und Schutzbleche deutlich über neun Kilogramm. Das Scultura hingegen ist im Vergleich zu ähnlichen Race-Modellen recht schwer. In der noch jungen Spezialkategorie der Renn-Gravelbikes stellt die Konkurrenz bereits Räder unter acht Kilogramm her.

Neben dem widerstandsfähigen Carbonrahmen macht sich auf der Waage auch das Gewicht der simplen Lenker-Vorbau-Kombination aus Aluminium bemerkbar. Auch der Laufradsatz von Merida mit seinen flachen Carbonfelgen ist im Vergleich relativ schwer. Obwohl sich im Offroad-Bereich Antriebe mit einem Kettenblatt etabliert haben, setzt Merida beim Scultura auf die Force AXS von Sram, eine elektronische Zweifach-Straßengruppe. Im Vergleich zu Gravelbikes sind die Übersetzungen größer, was zu schnelleren Fahrten auf Schotterstraßen einlädt.

Im Gegensatz dazu verfügt das Silex über einen Sram-Komponentenmix, der eine Rennradkurbel mit einem Mountainbike-Schaltwerk und einer MTB-Kassette kombiniert, was eine große Bandbreite ermöglicht (Mullet-Aufbau genannt). Dies erlaubt es, auch steile Anstiege mit Gepäck zu bewältigen. Die Pedalkraft lässt sich dank eines im Kurbelstern integrierten Leistungsmessers kontrollieren. Die Gangsprünge sind recht groß, und im höchsten Gang ist eine höhere Trittfrequenz erforderlich, um mit dem Scultura Schritt zu halten.

Merida Silex: das Abenteuertalent

Das Merida Silex ist jedoch nicht primär auf maximale Geschwindigkeit ausgerichtet, sondern vielmehr als Bikepacking-Spezialist konzipiert. Seine Abenteuertalente werden durch sechs Montagepunkte für Taschen, Werkzeugboxen, Schutzbleche und Trinkflaschen betont. Diese befinden sich unter anderem am Unterrohr, ausgestattet mit einer magnetischen Fidlock-Halterung. Die überarbeiteten Modelle mit Aluminiumrahmen ermöglichen zusätzlich die Befestigung eines Gepäckträgers. Das Carbon-Rahmen-Set ist für eine maximale Belastung von 120 Kilogramm ausgelegt.

Magnethalterung: Die Aussparung am Unterrohr ist für eine magnetische Trinkflaschenhalterung von Fidlock vorgesehen. Der Silex-Rahmen weist sechs Montagepunkte für Gepäck & Co. auf.Foto: Matthias BorchersMagnethalterung: Die Aussparung am Unterrohr ist für eine magnetische Trinkflaschenhalterung von Fidlock vorgesehen. Der Silex-Rahmen weist sechs Montagepunkte für Gepäck & Co. auf.

Um sicherzustellen, dass das Merida Silex 10K auch unter voller Beladung schnell zum Stillstand kommt, sind Bremsscheiben mit einem Durchmesser von 180 Millimetern montiert – MTB-(Aus-)Maße und ein einzigartiges Merkmal in dieser Rad-Kategorie. Kühlrippen sollen vor Überhitzung schützen, was auch beim Scultura zu finden ist. Eine weitere Gemeinsamkeit ist ein Mini-Tool unter dem Sattel, das jedoch nach einer schlammigen Fahrt oft in seiner Halterung festsitzt und unbrauchbar wird. Abgesehen davon zeigt sich das Scultura GR 8000 spartanisch, lediglich Schutzbleche lassen sich nachrüsten.

Cool bleiben! Überdimensionale Kühlrippen sollen am Scultura Endurance GR die Scheibenbremse vor Überhitzen schützen.Foto: Matthias BorchersCool bleiben! Überdimensionale Kühlrippen sollen am Scultura Endurance GR die Scheibenbremse vor Überhitzen schützen.

Zwölffach-GRX bald elektronisch?

Nach den Testfahrten bleiben nicht nur viel Matsch an den Rädern haften, sondern auch die Erkenntnis, dass beide Räder aufregende Geländefahrten ermöglichen und mit ihren unterschiedlichen Ausrichtungen ein breites Spektrum abdecken: Das Silex bewältigt anspruchsvolles Terrain souverän und ist ein zuverlässiger Reisebegleiter. Das Merida Scultura ermöglicht trotz seines etwas höheren Gewichts ein schnelleres Vorankommen auf verschiedenen Oberflächen. Mit einem Preis von 5499 Euro ist das Allroad-Bike, das jetzt nur noch in silberner Lackierung erhältlich ist, vergleichsweise fair kalkuliert.

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Für das Merida Silex 10K werden 4100 Euro mehr verlangt. Der deutliche Preisaufschlag hat jedoch viele potenzielle Käufer nicht abgeschreckt: Laut Merida wurde die limitierte Edition bereits ausverkauft. Die nächste Ausstattungsvariante, das Silex 7000, ist mit 3249 Euro sowohl technisch als auch preislich deutlich niedriger angesiedelt. Eine interessante Information liefert die Pressemappe: Darin wird ein Silex 8000 (Preis: 5499 Euro) aufgeführt, das laut Hersteller noch nicht vorgestellt werden kann, da "die Teile noch unter Embargo" stehen. Nach der mechanischen Zwölffach-GRX deutet dies darauf hin, dass die elektronische Version von Shimanos neuer Gravel-Gruppe kurz vor der Markteinführung steht.

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Beide Räder erlauben kurzweilige Geländefahrten. Das Silex ist klar vielseitiger als das Scultura. - Julian Schultz, TOUR-Testredakteur.

Die beiden Gravelbikes in der Übersicht

Merida Silex 10K

Merida Silex 10KFoto: Matthias BorchersMerida Silex 10K
  • Preis: 9599 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 8,9 Kilo
  • Rahmengrößen: XS, S, M, L, XL

Geometrie*

  • Sitz- / Ober- / Steuerrohr: 499 / 580 / 171 Millimeter
  • Stack / Reach / STR: 617 / 402 Millimeter / 1,53
  • Stack+ / Reach+ / STR+: 669 / 580 Millimeter / 1,15
  • Radstand/Nachlauf: 1080/79 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung (1,5): Sram Red/X01 Eagle AXS (1x12; 42, 10-52 Z.)
  • Bremsen (1,0): Sram Red (180/180 mm)
  • Reifen (1,0): Maxxis Rambler 45 mm (eff.: 48 mm)
  • Laufräder: Reynolds Blacklabel G700 Pro
  • Laufradgewichte: 1563/1959 Gramm (vorne/hinten)

Messwerte

  • Fahrstabilität (2,0): 7,64 N/mm
  • Komfort Heck (2,0): 129 N/mm
  • Komfort Front (2,7): 92 N/mm
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit (1,0): 60 N/mm
Stärken, Schwächen und weitere Infos zum Merida Silex 10KFoto: TOURStärken, Schwächen und weitere Infos zum Merida Silex 10K

Gesamtnote: 2,2

Merida Scultura Endurance GR 8000

Merida Scultura Endurance GR 8000Foto: Matthias BorchersMerida Scultura Endurance GR 8000
  • Preis: 5499 Euro
  • Gewicht Komplettrad: 8,9 Kilo
  • Rahmengrößen: XS, S, M, L, XL

Geometrie*

  • Sitz- / Ober- / Steuerrohr: 512 / 555 / 177 Millimeter
  • Stack / Reach / STR: 594 / 376 Millimeter / 1,58
  • Stack+ / Reach+ / STR+: 660 / 565 Millimeter / 1,17
  • Radstand / Nachlauf: 1005 / 57 Millimeter

Ausstattung

  • Antrieb/Schaltung (1,0): Sram Force AXS (2x12; 46/33, 10-36 Z.)
  • Bremsen (1,5): Sram Force (160/160 mm)
  • Reifen (1,0): Continental Terra Speed 35 mm (eff.: 38 mm)
  • Laufräder: Merida Team GR 30
  • Laufradgewichte: 1373/1966 Gramm (vorne/hinten)

Messwerte

  • Fahrstabilität (1,0): 9,56 N/mm
  • Komfort Heck (2,0): 121 N/mm
  • Komfort Front (2,7): 92 N/mm
  • Antritt/Tretlagersteifigkeit (1,0): 61 N/mm
Stärken, Schwächen und weitere Infos zum Merida Scultura Endurance GR 8000Foto: TOURStärken, Schwächen und weitere Infos zum Merida Scultura Endurance GR 8000

Gesamtnote: 2,1

* TOUR ist das Schwestermagazin von BIKE und hat die beiden Merida-Bikes in einem eigenen Testsystem getestet.

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