Adrian Kaether
· 27.09.2025
Manchmal sind Revolutionen laut, krachend, spektakulär. Doch das Rockrider E-ACTV 900 LF spart sich jedes Drama. Einfach einschalten, draufsetzen, losfahren. Flüssig pedaliert man dahin. Der Motor säuselt leise und schiebt kräftig. Nur ein leichtes Vibrieren ist zwischenzeitlich zu spüren, bis das Rad an der 25-km/h-Grenze schließlich die Unterstützung drosselt. Es ist, als sei es nie anders gewesen.
Der unspektakuläre Auftritt täuscht völlig darüber hinweg, dass das Rockrider eines der technisch bemerkenswertesten E-Bikes ist, das die Fahrradwelt bislang gesehen hat. Seit Jahrzehnten sind Fahrräder für eine variable Übersetzung auf Verschleißanfällige komplizierte Gangschaltungen angewiesen. Mit dem von E2-Drives entwickelten Owuru-Motor setzt Decathlon nun auf eine vollintegrierte Motor-Getriebe-Einheit mit einem stufenlosen Automatik-Getriebe. Das impliziert ein vollmundiges Versprechen: Wartungsarm wie Pinions spektakuläre MGU und benutzerfreundlich wie Enviolos Automatiq-System. Und typisch Decathlon kostet’s nicht einmal die Welt.
Kein Bosch-Motor? Kein Problem. Im Rockrider steckt der von E2-Drives enwickelte Owuru-Mittelmotor, der sogar über ein integriertes, stufenloses Automatik-Getriebe verfügt. Das ist echte Premium-Technik, die man am Markt sonst vergeblich sucht, erst recht in einem Bike für unter 3000 Euro. Der Owuru-Motor hat ein zentrales Display vor dem Vorbau, ist mit Decathlons Ride-App kompatibel und schafft mit einer Akkuladung in normalem Tourenbetrieb rund 70 Kilometer bei mittlerer Unterstützung.
>> Wie sich der Motor fährt und alle Details findet ihr hier im ausführlichen Testbericht zum Owuru
Vor dem Hintergrund seines spektakulären Motors gerät das Rockrider selbst fast etwas in den Hintergrund. Doch auch hier leistet sich Decathlon gemessen am extrem niedrigen Preis für den Technologieträger wenig Schwächen. Mit seiner aufrechten Sitzposition, der einfachen Federgabel und dem Winkelvorbau setzt der Tiefeinsteiger natürlich Akzente beim Komfort.
Die Fahreigenschaften gefallen. Trotz der sehr aufrechten Haltung auf dem tendenziell mächtigen Rad kann man das Rockrider noch gut um enge Ecken steuern. Die Stabilität mit Beladung fällt dank des steifen Gepäckträgers sogar überdurchschnittlich aus. Das Gesamtgewicht bleibt mit unter 28 Kilogramm für einen Tiefeinsteiger voll im Rahmen.
An einigen Stellen merkt man den Preisdruck dann aber doch. Die einfachen Flügelgriffe in Kork-Optik sind nicht die besten, das teilintegrierte Licht taugt vor allem zum Gesehenwerden und auch die Bremsen könnten etwas bissiger sein. Leider verzog sich auch die vordere Bremsscheibe bei einer Vollbremsung. Eine größere und stabilere Scheibe würde hier wohl Abhilfe schaffen.
Dass Rockrider das E-ACTV als SUV bezeichnet, finden wir etwas hoch gegriffen. Der Einsatzbereich liegt eher wie bei einem klassischen Trekkingrad. Stadt, Alltag, Touren und Reisen, hier fühlt sich das Rockrider wohl. Für Gelände ist es mit relativ schmalen und wenig profilierten Reifen in unseren Augen nicht die beste Wahl. Hier würde auch die Übersetzungsbandbreite des Automatik-Getriebes Grenzen setzen.
Als klassisches E-Trekkingrad mit tiefem Einstieg macht das Rockrider aber eine gute Figur. Als einer von wenigen Komplettrad-Herstellern spezifiziert Rockrider ab Werk schon Reifen mit besonders hohem Pannenschutz. Das würden wir uns an ausgewachsenen E-Bikes viel häufiger wünschen.
Das Rockrider E-ACTV 900* und vor allem sein Motor haben uns enorm beeindruckt. Die Kombination aus tollem Automatik-Getriebe und E-Motor in einem Gehäuse dürfte auch deutlich teurere Konkurrenten mächtig ins Schwitzen bringen. Noch dazu gibt`s die Top-Technik bei Decathlon in einem gelungenen Paket zum absoluten Kampfpreis. Ein etwas hochwertiger ausgestattetes Modell mit besseren Komponenten wäre aber noch wünschenswert. - Adrian Kaether, Testleiter MYBIKE