Marc Strucken
· 23.04.2024
Vor zwei Jahren hatte das Berliner Start-Up Lemo sein ersten Bike präsentiert, das alles das konnte. Nun hat die Firma ein weiteres M bekommen, heißt Lemmo (das steht für Light Electric Micro Mobility) und präsentiert heute die neue Version des Lemmo One E+ Bikes.
Von Lemmo heißt es, dass die neue Version ein Upgrade vom ursprünglichen E-Bike-Modell sei und diese vollständig ersetzen werde. Aber: Wer schon das erste Lemmo One von 2022 fährt, kann dieses auch über ein Upgrade-Kit aufzurüsten.
Die grundsätzliche Idee hinter dem Lemmo One ist, dass es sich sowohl elektrisch als auch als unmotorisiertes Urban Bike fahren lässt. Die wichtigsten elektrischen Komponenten sind dabei vom Rahmen getrennt und im sogenannten Smartpac verbaut - also Akku und Steuerung. Dadurch soll das E-Bike leichter zu warten sein. Und wie man bei den Vorgängern sieht, verlängert sich die Lebensdauer, denn sobald es ein Technik-Upgrade gibt, muss nicht das gesamte Fahrrad umgebaut werden.
Geändert haben sich nun auch zwei Grundwerte eines jeden Fahrrads: Der Preis von damals 1990 Euro ist jetzt auf etwa 2400 Euro gestiegen. Das Gewicht von Rad und Akku wiederum ist laut Hersteller von 19,0 auf jetzt 18 Kilogramm laut Herstellerangaben gesunken. Wo Gewicht eingespart wurde, lässt sich noch nicht genau sagen, der Smartpack soll nach wie vor mit etwa drei Kilo ins Gewicht fallen.
Das Hauptverkaufsargument - neben Style - des Lemmo City Bikes ist die patentierte Dual-Modus-Naben, die das Fahrrad mit einem einfachen Drehverschluss von elektrischem auf muskelbetriebenem Modus umschaltet. Klingt einfach - hatte aber schon beim Launch 2022 den Nachteil, das man zwar den Akku-Pack zu Hause lassen kann, aber die Motornabe/der Nabenmotor bleibt im Rahmen, wiegt sein Gewicht und verlagert den Schwerpunkt des Rades nach hinten.
Als zusätzliches Accessoire soll es eine gefederte Sattelstütze geben. Eine versteckte Federung soll mehr Komfort bringen und gleichzeitig das saubere Design des Bikes nicht stören.
Das Lemmo One verkörpert nicht nur die Zukunft der Mikromobilität, sondern auch unsere fortwährende Verpflichtung zur Schaffung nachhaltiger und hochwertiger Produkte. Wir sind stolz darauf, dieses neue E+-Bike in die Welt zu bringen und freuen uns darauf, zu sehen, wie es das urbane Mobilitätskonzept neu definiert. - Toni Pavić, Creative Director & Partner bei Lemmo
Das dreieckige Smartpac enthält alle die meisten elektronischen Teile des Fahrrads und bietet zudem USB-Ladeanschlüsse. Das heißt: Das Smartpac kann laut Lemmo mit 65 Watt Output auch Laptop und andere Mobilgerät mit Strom versorgen. Das können zwar andere E-Bikes auch, jedoch kann man den Akku des Lemmo One mit ins Büro oder Café nehmen.
Noch eine Doppelfunktion erfüllt die Fahrradbeleuchtung. Die Frontlampe kann mit einem Schlüssel abgenommen werden und als Taschenlampe genutzt werden! Wow. Und noch ein praktisches Feature: Die innovative Radnabe enthält ein elektronisches Schloss, das das Hinterrad beim Parken blockiert. Das schützt das Rad zwar nicht dagegen, weggetragen zu werden, aber dann greift ja der GPS-Tracker.
Der Akku des Lemmo One Urban Bike soll, wenn er voll geladen ist, 100 Kilometer Reichweite aufbieten - bei 540 Wattstunden Ladung und einer Ladedauer von 3,5 Stunden. Die Züge und Kabel sind im Aluminiumrahmen intern verlegt, für ein sauberes und schlankes Aussehen. Das Display des E-Bikes bietet alle wichtigen Informationen wie Geschwindigkeit, Leistung, Unterstützungsstufe, Reichweite, Bluetooth-Verbindung. Die Lemmo-App hilft bei der Konfiguration, Ab- und Aufschließen, Tracking und vielen weiteren Funktionen.
Der Gesamtpreis des neuen Lemmo One liegt bei 2389 Euro mit Riemenantrieb und 2289 Euro mit Kettenschaltung. Zur Verfügung steht für Personen mit 1,60 bis 1,85 Metern Körperlänge die Größe ST mit einem abgesenkten Oberrohr - was aber durchaus sehr schick aussieht - und 27,5-Zoll-Reifen.
Die Größen L und XL dagegen haben eine klassischen Rahmen in Diamantform. In L rollt das Lemmo One E+ noch auf 27,5er-Reifen, XL kommt dann in 29 Zoll. Zur Auswahl steht darüber hinaus die Antriebsform mit 10fach-Kettenschaltung (Shimano Deore mit 11-42 Zähne und 38er-Kettenblatt) oder 1fach-Antrieb (Singlespeed) mit Gates-Riemen.
Das Lemmo One E+ sieht zunächst einmal schick und irgendwie ungewöhnlich aus. Menschen am Café oder vorm Einkaufsladen schauen sich das Rad eingehender an. In der ländlichen Umgebung, in der ich wohne, ist die elektro-mechanische Wegfahrsperre fast schon genug Sicherheit - in der Stadt braucht es noch ein Schloss, um das E-Bike vorm Wegtragen zu sichern. Der Alarm, den das Lemmo ausstößt, wenn es abgeschlossen bewegt wird, ist dabei weniger zur Abschreckung, als ein Signal für mich, dass etwas vor sich geht. Leider ist der Sound nicht so laut, dass er beispielsweise von der Straße ins Haus hörbar wäre.
Aber zu den wichtigen Eigenschaften dieses Citybikes. Das Grundprinzip ist ja, dass der 540-Wh-Akku abnehmbar ist und vor allem der Motor auf Bio-Betrieb, also entkuppelt werden kann. Es ist tatsächlich so, dass man den Motor im Antrieb nicht spürt - aber das Gewicht des Bikes. Mit Akku wiegt es auf unserer Waage 19,6 Kilo - ohne 16,4 kg, was gut ist. In meinem leicht hügeligen Alltag, würde ich den Akku aber eigentlich nur zum Laden ins Haus bringen, denn ein E-Bike kaufe ich mir, weil es eben diese Hügel ausgleicht.
Das tut der kleine Hinterradnabenmotor aus eigenem Haus auch bis zu einem gewissen Grad ganz gut. Klar, mit 250 W und 40 Nm ist das kein Kraftwerk, dafür stimmt die Angabe von etwa 100 Kilometern Reichweite in etwa. Bei vornehmlicher Nutzung der beiden ersten Unterstützungsstufen und bei kurzen, aber starken Steigungen der dritten bin ich mehrfach auf über 90 km gekommen und hatte noch eine kleine Reserve im “Tank”.
Ich bin also immer mit Akku-Pack (Smartpack) gefahren, in der Ebene ohne Motor-Power, was die Gewichtsverteilung im Rad verändert. Man sitzt verhältnismäßig aufrecht - ungewohnt als XC- und Gravelbiker - was angenehm entspannt ist. Nur an starken Steigungen hatte ich das Gefühl hinter dem Bike zu sitzen, das Vorderrad geht zudem schnell hoch und die Kurvenkontrolle auf Schotter muss man sich auch im Flachen durch bewusstes Vorlehnen ein wenig erzwingen. Dafür fährt das Lemmo E-Bike mit 72° Lenkwinkel und 73° Sitzwinkel (Herstellerangaben, Größe L) schön neutral bis agil.
Die Ausstattung mit Licht, Gepäckträger und Schutzblechen ist so praktisch, wie sie sein soll. Nichts klappert, vor allem der Nabenmotor ist nur bei starkem Vortrieb leise surrend vernehmbar. Auf Schotter rappelt auch da nichts, was Mittelmotoren oft sehr deutlich hörbar tun. Die Motorleistung ist für Endkunden und Fahrerinnen nicht programmierbar. Die Leistung wird nach Herstellerangaben durch einen Drehmomentsensor gesteuert. In der Praxis zeigt sich, dass eine Mischung aus Pedalpower und -umdrehungen die Motorleistung unterschiedlich beeinflussen.
Konkret: Trete ich an gleicher Steigung in einem schweren Gang (viel Drehmoment) kommt nicht die ganze Leistung zum Einsatz, als wenn ich dort zwei Gänge leichter trete (höhere Kadenz, weniger Drehmoment). Schalte ich in einen sehr leichten Gang (hohe Kadenz, noch weniger Nm) liefere ich offenbar zu wenig Power und ich mache die Arbeit allein. Der Boost (länger den rechten Knopf drücken) ist in U-Stufe 1 und 2 deutlich spürbar - in Stufe 3 scheint bereits das Maximum erreicht und der Boost nicht wahrnehmbar.
Aber man gewöhnt sich an die eigene Logik. Die fast unsichtbaren Druckknöpfe in der Schelle für die Bremshebel reagieren zuverlässig, wenn auch etwas verzögert und machen keinen sehr wertigen Eindruck. Links wird geklingelt, rechts die U-Stufe geschaltet, und beide gemeinsam verriegeln das Bike.
Die (erforderliche) Anmeldung bei der Lemmo-App hat problemlos funktioniert. Ohne die App ist die Fahrt mit dem neuen Lemmo nicht möglich, da mit ihr das Smartpack und das Bike selbst gesteuert werden - also zum Beispiel verriegelt werden und das Licht angeschaltet wird. Apropos Licht: Das ist beim Aufschließen immer gleich an - Tagfahrlicht quasi. Das gefiel mir zwar wegen der Sicherheit auf vielbefahrenen (Land-) Straßen, kostet aber eventuell ein oder zwei Prozent Akku.
Das Smartphone findet fast immer gleich das Bike, manchmal muss man allerdings zwei mal entriegeln, bevor es reagiert. Auch die Darstellung der Tachofunktionen (Fahrtstrecke, Reichweite etc.) und diverse Einstellungen sind selbsterklärend. Praktisch ist dazu der integrierte Handyhalter im Vorbau (! siehe oben), der das Gerät sehr stabil hält. Dadurch kann man entweder die Lemmo-App oder Outdooractive, Komoot und andere Apps nutzen.
Der Ausfall des Bewegungsalarms konnte mit einem über die App initiierten Systemneustarts behoben werden.
Das Serienbike mit Kettenschaltung macht einen sehr robusten Eindruck. Der Alu-Rahmen (aus recyceltem Metall) ist so wertig geschweißt, dass es keine hässlichen Schweißschuppen gibt. Alles wirkt tatsächlich wie aus einem Guss und Design. Der recht günstige Preis des Lemmo One E+ schlägt sich aber offenbar in den verbauten Komponenten nieder. Die Shimano Deore Schaltung ist das einzige erkennbare Teil mit Markennamen. Felgen, Bremsen, Reifen, Sattel - sie alle sind nicht direkt einem Hersteller zuzuordnen. Die Felgen sind stabil, aber auch etwas schwer, die Reifen bestehen aus wenig griffigem Gummi - hier bietet Lemmo eine Explorer-Version mit Continental Terra Trail-Reifen an, was die deutlich bessere Wahl ist, oder einfach Schwalbes G-One Allroad.
Am wenigsten überzeugen die Bremsen: Sie kratzen metallisch und haben wenig Biss, was bei 20 kg Rad plus Zuladung bergab nicht unerheblich ist. Inwiefern da zumindest mit neuen Belägen geholfen ist, habe ich nicht ausprobiert. Die Bremshebel sind wenig ergonomisch, unmodern für zwei Finger ausgelegt. Am meisten gestört hat mich aber, dass sie sich nicht am Lenker ausrichten ließen - wohl wegen der darin integrierten Elektronik.
Dass der Sattel für mich sehr unbequem war, ist da eher ein individuelles Problem. Aber er ist recht weich und schmal. Nur das von Lemmo als herausnehmbare Taschenlampe versprochene Frontlicht, sollte da bleiben, wo es ist. Mit einem Plastikschlüssel wird es entriegelt und hängt an einem Kabel, das man wieder in den Lenkkopf wurschteln muss. Lieber lassen! Am Bike leistet es aber gute Arbeit.
Nach einigen Fahrten ins Dorf, 30 km ins Büro und retour sowie Wochenendfahrten mit leichtem Reisegepäck hat sich das Lemmo One E+ als robuster und schicker Begleiter bewährt. Der Akku ist groß genug, um sorglos eine Woche kleine Touren zu machen, etwa zum Einkaufen oder zum Eiscafé. Der Motor schiebt sehr unaufdringlich und - typisch für Hinterradnabenmotoren - ohne das natürliche Treten zu beeinflussen. Man merkt, dass der kleine Antrieb bei starkem Anstieg oder mit viel Gepäck ordentlich arbeiten muss, aber er bleibt leise.
Für den Preis von 2400 Euro bleibt vielleicht noch etwas Budget in der Kasse um nach einer Saison auf bessere Reifen und einen passenderen Sattel nachzurüsten. Die Bremsen bringen das Bike sicher zum Stehen - keine Frage - ob andere Beläge die erforderliche Handkraft reduzieren, ist noch offen. Abschließend: Das Lemmo ist für den Alltag wunderbar “ready-to-use” und hat in meinem Fall zu einem guten Teil das Auto ersetzt (Einkaufen mit 2 großen Satteltaschen). Der Name LEMMO steht genau dafür - light electric micro mobility. Auch für längere Touren ist es dank guter Reichweite immer bereit und es fährt sich auch entsprechend entspannt damit in den Sonnenuntergang am See.