Marc Strucken
· 09.10.2024
Auch wenn das Vello-Klapprad für sich genommen ganz wunderbar ist - wir hatten verschiedene Modelle bereits im Test (Links gibt es hier drunter) - soll es hier in erster Linie um die 3X3 Nabenschaltung gehen, die in dem getesteten Modell Vello 3X3 Nine Edition verbaut ist. Denn seit diesem Sommer bieten auch die Österreicher von Vello die Getriebenabe aus Schwaben in ihren Bikes an.
Wir waren auf der Suche nach einer Nabe, die nicht nur zuverlässig und robust ist, sondern auch die Effizienz und Benutzerfreundlichkeit unserer E-Bikes erhöht. Die professionelle Zusammenarbeit mit 3X3 und der lösungsorientierte Ansatz hat es uns ermöglicht, die Nabe in Rekordzeit in unser Produktportfolio zu integrieren. - Vello-Geschäftsführerin Valerie Wolff
Ein Klapprad mit einer Nabenschaltung in Kombination mit einem Riemenantrieb ist für mich die beste Variante für ein Rad, das am meisten in der Stadt unterwegs ist und entsprechend oft in der Bahn oder auch im Auto transportiert wird. Warum? Der Antrieb ist kompakt im Hinterrad, es gibt kein Schaltwerk, mit dem man hängenbleiben kann. Auch keine Kette, die mit ihren Schmierstoffen die Klamotten versaut. Und entsprechend auch keine Defekte, die im zusammengeklappten Zustand durch Zusammenstöße der Schaltung mit anderen Rädern oder Rolltreppen passieren können.
Der Riemen ist nahezu schmutzlos, eine Schaltnabe ist fast unzerstörbar. Das sind die Vorteile. Auf der anderen Seite wiegt eine Nabenschaltung grundsätzlich mehr als eine Kettenschaltung. aber die 3X3-Nabe wiegt laut Hersteller etwa 2 Kilo - Schaltwerk, Kassette, Freilauf und Kette wiegen in der Regel etwas mehr als die Hälfte, je nach Hersteller und Güte.
Dafür überzeugt das Nabenschaltungskonzept mit Wartungsfreiheit. Das verspricht zumindest 3X3 für seine Getriebe. Und auch im Fall eines Defekts ist die Reparatur im Vergleich zu Shimano einfacher, weil das Getriebe durch eine verschraubte Seite der Nabe erreicht werden kann, ähnlich wie bei einer Rohloff-Nabe. Die Entscheidung ist also die zwischen geringem Gewicht und einfacher Handhabung.
Natürlich schaltet eine Nabenschaltung etwas anders als eine Kettenschaltung. Besser? Schlechter? Bei der 3X3 Nabe hat man - wie der Name andeutet 9 Gänge mit Gangsprüngen von ca. 24 %. Das Übersetzungsverhältnis von 554 % (hoch!) und ein maximales Eingangsdrehmoment von 250 Nm machen die Getriebenabe ideal auch für E-Bikes.
Klar, ist die Abstufung zwischen den Gängen größer als bei einer 11-fach-Schaltung. Aber bei der genannten Bandbreite ist der kleinste Gang wirklich sehr bergtauglich, 10 % Steigung lassen sich auf dem Vello 3X3 leicht treten. Der 9. Gang bringt das Klapprad tatsächlich ziemlich in Schwung, sodass Mitmenschen auf dem Radweg staunend schauen.
Der größere Unterschied zur Kettenschaltung ist aber, dass die 3X3-Schaltung auch im Stehen die Gänge wechselt, also zum Beispiel an der Ampel einfach heruntergeschaltet werden kann. Auch lassen sich die Gänge unter Last schalten, was derzeit wirklich gut nur die Sram Transmission hinbekommt.
Und ein kleiner Umweltaspekt ist auch dabei: Ohne Ritzelpaket und Schaltarm läuft die Kette immer ohne Schräglauf parallel zum Rahmen. Dadurch entsteht weniger Verschleiß und ein Kettenantrieb hält deutlich länger. Auch bei leistungsstarken E-Motoren.
Noch besser ist ein Riemenantrieb, weil dieser noch verschleißärmer ist und eigentlich keine Schmierstoffe benötigt. Das spart Kosten und schont die Umwelt. Die Produktion der 3X3 Nabenschaltung im schwäbischen Adelmannsfelden hat zudem den Vorteil, dass kurze Wege den CO2-Fußabdruck reduzieren.
Die 3X3-Nabenschaltung arbeitet mit einem Drehgriff statt mit Schalthebeln. Die Schaltlogik - nach vorne drehen, und es wird schwerer/schneller - hat man schnell verstanden. Der Griff selbst braucht etwas Kraft und einen verhältnismäßig langen Weg von Gang zu Gang, dafür rasten die Gänge im Griff spürbar ein. In der Schaltnabe hingegen läuft alles sahnemäßig geschmeidig. Zusammen stellt sich ein sehr präzises Schaltgefühl ein.
Im Stehen einmal von Gang 8 zu Gang 3 wechseln? Kein Problem! Umgekehrt auf der Kuppe von Gang 2 zu Gang 6? Tack-tack-tack-tack - und weiter geht’s. Selbst das Schalten unter Volllast ist möglich. Dazu musste ich mich aus der Gewohnheit “normaler” Kettenschaltungen heraus aber regelrecht zwingen, weil ich mir eine leichte Entlastung der Pedale vor dem Schalten in den seltensten Fällen verkneifen kann.
Ohne Näheres über das Schaltgetriebe zu wissen - aber die Tatsache, dass die Nabe 3X3 heißt, scheint mit 3 Bereichen im Inneren zu tun zu haben. Die Gänge 3, 6 und 9 surren auffällig lauter als 1, 4 und 7, also die jeweils unteren der 3er-Pakete. Das Getriebegeräusch ist deutlich vernehmbar, vor allem im ersten Gang am Berg mit wenig Geschwindigkeit.
Fehlen bei langsamer Fahrt sogar die Windgeräusche im Ohr, hört es sich ein wenig so an, als hätte das Vello-Klapprad Motorunterstützung. Das ist nicht störend, aber auffällig. Wie schon beschrieben sind die 9 Übersetzungen breit gestuft, aber für die City absolut und jede Straße passend.
Das Gewicht der 3X3-Nabenschaltung im Hinterrad würde etwa bei einem MTB das Bike sehr hecklastig werden lassen. Da aber ein Klapprad wie das Vello viel kürzer ist und der Schwerpunkt viel tiefer liegt, spielt das keine Rolle, oder sorgt vielleicht sogar für bessere Lage auf der Straße. Einen direkten Vergleich zu einem Vello ohne 3X3 Nabe konnten wir leider nicht ziehen. Das Faltrad fühlt sich mit von uns gemessenen 15,4 Kilo (deutlich über dem Herstellergewicht von 12,9 kg ohne Pedale) zwar nicht spritzig an, aber man kommt durchaus schnell an der Ampel in den Tritt und zieht von Dannen. Einmal in Fahrt kann man gut Geschwindigkeit aufnehmen.
Dann kommt es aber auf die persönlichen Vorlieben an: Mit einem 73° Lenkwinkel ist das Rad nominell schon auf der unruhigen Seite. Mit den kleinen 20-Zoll-Reifen und der bauartbedingt ellenlangen Verbindung von Vorbau und Lenkkopf fährt sich das Rad - positiv gesprochen - agil, was in der Stadt praktisch ist, wenn man zwischen Absperrungen, Mülltonnen oder Menschen durchzirkeln muss. Wer nicht ganz so sicher auf dem Rad unterwegs ist oder bei hoher Geschwindigkeit den Lenker herumreißen will, sollte das beachten.
Jeds Klapprad hat einen eigenen Faltmechanismus und eine eigene Logik dahinter. Beim Vello - ob mit oder ohne 3X3 Nabenschaltung - ist der Mechanismus recht einfach und man beherrscht ihn nach zwei bis drei Durchgängen. Einzig, dass man vor dem Zusammenlegen die Pedalstellung beachten muss, ist ein kleiner Haken, wenn es am Bahnsteig schnell gehen muss.
Tragen lässt dich das Klapprad am Oberrohr von beiden Seiten. Die gut 15 Kilo merkt man aber, wenn im Bahnhof mal wieder die Rolltreppen streiken. Dafür lässt sich das Vello auch mit etwas Übung und starker Hand am Sattel haltend schieben. Rennen kann man damit nicht, aber zumindest lange Bahnsteige bewältigen.
Das Vorderrad hängt sich mit einem Extra-Haken in den Rahmen. Hier mussten wir bei unserem Testrad aufpassen: Der Sicherheits-Schnellspanner berührte beim Zusammenklappen die Züge und den Rahmen immer wieder unsanft, sodass an beiden Spuren blieben, die sich wohl bei längerer Nutzung verschlimmern würden.
Dank der 3x3-Getriebenabe ist das Vello 3X3 Nine Edition ist ein ziemlich geniales Klapprad. Robust, aber auch wartungsarm durch die Nabenschaltung mit Riemenantrieb, steckt es die täglichen Fahrten ins Büro locker weg und macht dabei noch richtig viel Spaß. Für sportliche und lange Ausfahrten bevorzuge ich aber andere Bikes. Es ist ein top Pendler- und City-Bike! - Marc Strucken, Redakteur Radsport
Wir wollten eine Nabe entwickeln, die in ihrer Handhabung so einfach ist, dass sie den Fokus auf das Wesentliche beim Radfahren legt: Die Freiheit und Autonomie, sich jederzeit dorthin zu bewegen, wohin man möchte - Hilmar Wanner, Geschäftsführer von 3X3
3X3 ist eine Marke der H+B Hightech GmbH, einem spezialisierten Fertigungsunternehmen mit Fokus auf Engineering, Automation und Zerspanung. Durch die Erfahrungen in der automatisierten Fertigung kann 3X3 technische Standards und zuverlässige Lieferungen verbinden. Der Hersteller ist somit unabhängig von der Produktion im Ausland und kann die Stückzahlen kurzfristig justieren. Bike-Marken wie Vello, Yoonit und Nicolai als erstem Kunden verbauen bereits die Getriebenabe.
Mutterkonzern der H+B Hightech GmbH ist die Heine + Beisswenger Gruppe, ein familiengeführtes Stahl- und Metallgroßhandelsunternehmen seit 1901, mit 600 Mitarbeitenden und 4 Tochtergesellschaften.