Bei kaum einem neuen Trekking-E-Bike wurde je so wenig über den Motor geredet wie hier. Dabei steht beim neuen Giant Explore E+ gerade das neue E-System im Zentrum der Aufmerksamkeit. Präsentiert wird die Technik an einem komplett neu aufgestellten Explore E+, das mit hoher Kettenstrebe für die Kompatibilität mit Riemen, verschliffenen Schweißnähten und der Giant-typischen Gewichtszulassung von 156 Kilogramm auch in den Details durchdacht wirkt. Sogar der neue Gepäckträger hat eine besonders hohe Aufmerksamkeit bekommen und soll umfangreich im Labor getestet worden sein.
Für Giant ist das eine neue Ära. Der Fahrrad-Riese verabschiedet sich von vielen seiner alten Bedienteile. Und auch sonst wirken die Bikes wie aus einer neuen Generation. Auffallend wertige und griffige Controller mit klarem Tasten-Feedback, gestochen scharfe Farbdisplays in cleanem, modernem Look. Das erinnert kaum noch an die Vorgänger. Ausgerechnet Motor und Akku bleiben unangetastet. Trotzdem muss man von einem komplett neuen E-System sprechen.
Statt mit Newtonmeter und Wattstunden neue Rekorde aufzustellen, wie zuletzt Bosch mit dem 100-Nm-Update oder auch DJI, geht Giant also einen anderen Weg. Die Nutzererfahrung und der Mehrwert auch jenseits klassischer Motorleistung soll im Zentrum stehen. Über eine neue Smart-Gateway-Schnittstelle, versteckt im Rahmen, gibt’s also gleich eine ganze Reihe an neuen Funktionen für mehr Komfort und Sicherheit im und auch Jenseits vom Alltag.
So lassen sich die neuen Giant-Bikes jetzt über Apples “Find-My” Funktion tracken. Ein praktisches und kostengünstiges Diebstahlschutz-Feature, auch wenn Android-Nutzer außen vor bleiben. Zudem überwacht das Explore den Reifendruck - tubeless oder mit Schlauch - und zeigt ihn schlicht als einen von vielen Werten im Bordcomputer an. Bei spontanem Druckverlust spuckt das System eine Warnung aus. Von separaten Apps für diese Features bleibt der Nutzer zum Glück verschont.
Tech-Highlight am neuen Explore ist das Aegis-System am Heckträger. Ein Radarsystem, das wie ein digitaler Schutzschild für den Fahrer agieren soll. Es erkennt von hinten herannahende Fahrzeuge und zeigt sie als grüne Punkte auf einer separaten Leiste im Display an. Kommt ein Auto oder Motorrad mit über 100 km/h von hinten, wird der Punkt rot. Droht Gefahr bei einem besonders schnellen und dichten Überholvorgang blinkt das Display rot, gibt ein Warnsignal von sich und auch das Rücklicht des Bikes blinkt um den Verkehr von hinten zu warnen.
Die Top-Modelle des Explore E+ kommen bereits mit Reifendrucksensoren und Abstandsradar ab Werk. Bei den günstigeren Modellen kann man die Technik für 130 beziehungsweise 190 Euro als Plug-and-Play nachrüsten. Bei den Topmodellen Explore E+ 0 für 5799 Euro setzt Giant außerdem auf einen wartungsarmen Antriebsriemen von Gates und eine stufenlose Enviolo-Automatiq-Schaltung sowie kräftige Shimano-XT-Stopper.
Auch beim etwas günstigeren Explore E+ 1 für 4599 Euro fällt die Ausstattung mit elektronischer Cues Elffach-Di2-Schaltung noch hochwertig aus. Wie beim Topmodell kommt der Syncdrive Pro2 Motor zum Einsatz, der bis auf das Gehäuse identisch ist mit dem Syncdrive Pro MG (hier im Test). Dazu kommt ein Akku mit 800 Wattstunden, das Radarsystem ist aber nicht ab Werk mit an Bord. Für 2999 und 3999 Euro kommen Explore E+ 2 und 3 mit etwas einfacherer Ausstattung und auch nur dem Sport2 Motor mit 75 Newtonmetern und 625 Wattstunden.
Und wie fährt sich das jetzt so? Wie ein klassisches SUV? Ja und nein. Denn vor dem Fahren steht das Einschalten. Direkt nach dem Start zeigt das Display den genauen, aktuellen Reifendruck an, wie beim Auto. Das schindet Eindruck. Auch einen Diebstahlschutz über Apple „find my“ (leider ohne Android), eine Motorsperre mit PIN und eine einfache Navigation hat das Giant in petto. Bei zu niedrigem Luftdruck oder Plattfuß warnt das System bei einer einstellbaren Grenze.
Auf Tour fährt sich das Rad gut. Breite Reifen, gute Ergo-Griffe, Enviolo und Tele-Stütze bieten hohen Komfort. Das Profil der Pneus erinnert an schnelle Gravel-Reifen - gut zum Rollen aber nicht ultimativ griffig auf grobem Schotter. Für ein SUV aus unserer Sicht aber der richtige Kompromiss.
Dank gut strukturiertem Menü im Bordcomputer kann das Handy trotz komplexer Technik weitgehend in der Tasche bleiben. Unterwegs klappern auch auf rauem Untergrund höchstens die Züge, der Motor hält sich angenehm im Hintergrund. Hier macht sich auch der im Vergleich zu vorherigen Bikes verbesserte Seitenständer positiv bemerkbar. Auch der umfangreich abgestützte Gepäckträger wirkt stabil und soll im Labor sowohl mit einer hohen zentralen Belastung, als auch mit schweren Packtaschen auf jeder Seite umfangreich getestet worden sein.
Das Highlight: Dank Radarsystem im Heckträger erkennt das Giant herannahende Fahrzeuge und zeigt deren Abstand in Form grüner Punkte auf einer Leiste im Display an. Das funktioniert auch in der Praxis enorm zuverlässig. Dass das Radar mal ein Fahrzeug übersehen hätte, konnten wir in unserer ersten Testrunde nicht feststellen. Droht Gefahr, warnt das Radar den Fahrer. Das akustische Signal geht dann oft schon im Brausen des Autos unter. Das rote Blinken des Displays nimmt man aber auch im peripheren Sichtfeld wahr, dass das Rücklicht in solchen Situationen grell blinkt, ist ebenfalls eine sinnvolle Idee, die hoffentlich manche Kollision verhindern kann.
Uns hat das neue Giant beeindruckt. Die scharfen und klar strukturierten Displays wirken wertig und sind ein deutlicher Schritt nach vorne. Das umfangreiche Feature Paket des E-Systems beeindruckt. Speziell das Radar ist ein echter Mehrwert, den sonst aktuell kein Hersteller am Markt in dieser Form bieten kann. Und auch sonst ist das Explore E+ ein guter Wurf. Durchdachte Details, runde Fahreigenschaften. Kritik fällt da wirklich schwer. - Adrian Kaether, Redakteur Test & Technik