Red Bull Rampage 2024Alle Ergebnisse aus Utah/USA (Update)

Dimitri Lehner

 · 17.10.2024

Der Move des Events: Frontflip-Drop von TVS (Tom Van Steenbergen). „Das war der größte Frontflip-Drop, den ich je gemacht habe – 20 Meter Flugkurve! Null Fehlertoleranz“, sagt TVS später. Dass er mit seinem Run nicht mal unter die Top-3 schafft, kann der Kanadier nicht glauben und schreibt später in den sozialen Medien: „I am in total Disbelief!“.
Foto: Bartek Wolinski / Red Bull
Höher, weiter, gefährlicher – die 18. Auflage der Red Bull Rampage war die extremste in der Geschichte des Super-Wettkampfs – da waren sich Athleten wie Zuschauer einig. Für BIKE dabei als furchtloser Reporter: Tommy G. – der belgische Freeride-Pro Thomas Genon berichtet.

Oh ja, wir sind gestresst. Alle Rider bei diesem Wettkampf! Wäre eigenartig, wenn nicht – denn die Rampage wird immer krasser. Es ist die radikalste, die in Utah jemals über die Bühne ging. Dementsprechend ist es um unsere Nerven bestellt – sie liegen blank. Meine besonders, denn es läuft nicht nach Plan. Als dritter Fahrer starte ich. Alles klappt, bis es am Ende nicht mehr klappt. Ich schaffe es sogar den überrotierten 360er-Drop einzufangen und springe damit dem Teufel förmlich von der Schippe. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie dicht ich da am Sturz vorbeischramme. Ein Grusel-Moment – nein: purer Horror! Gleich darauf ziehe ich den Flatspin zu weit zur Seite, komme von meiner Linie ab, will zurück springen, doch verreiße den Jump – Crash! Aus, vorbei, Chance vertan!

Thomas Genon berichtet für uns von seiner 11. Rampage. Der 31-jährige Belgier ist einer der besten Mountainbiker der Welt. Er kann alles: Downhill, Slopestyle, Freeride, Urban und alle Spielformen dazwischen. FMB-Champion war er auch schon. Seit 2014 fährt er für GT, lange Jahre fuhr er für den deutschen Direktversender Canyon. Unverständlich für uns, dass Canyon dieses Multi-Talent hat gehen lassen. Spektakulär: Genons Segment im neuen Film ANYTIME.Foto: Red BullThomas Genon berichtet für uns von seiner 11. Rampage. Der 31-jährige Belgier ist einer der besten Mountainbiker der Welt. Er kann alles: Downhill, Slopestyle, Freeride, Urban und alle Spielformen dazwischen. FMB-Champion war er auch schon. Seit 2014 fährt er für GT, lange Jahre fuhr er für den deutschen Direktversender Canyon. Unverständlich für uns, dass Canyon dieses Multi-Talent hat gehen lassen. Spektakulär: Genons Segment im neuen Film ANYTIME.

Jetzt kann ich nur auf den zweiten Run hoffen, aber jeder, der die Rampage kennt, weiß: Am Nachmittag kommt der Wind! Wind, Wind, verdammter Wind! Über drei Stunden muss ich warten. Ich sitze oben auf 1400 Metern am Startplateau und der Wind bläst mir um die Ohren. Im Livestream kann man es gut sehen: Mein Jersey flattert, die Haare fliegen, die Fahnen wehen. Um nicht durchzudrehen, albere ich mit Brandon Semenuk herum. Auch er hatte im ersten Run gepatzt, auch sein Sturz hatte – wie meiner – keine Konsequenzen. Das grenzt in Utah an ein Wunder, bei dem Speed und dem Felsgerümpel überall. Jetzt hoffe ich wie Semenuk auf die zweite Chance. Er wird später sagen: „I could not live with myself, if I did not get another run down.“ So wahr! Auch ich kann meinen Patzer nicht auf mir sitzen lassen, dafür habe ich hier zu viel Arbeit reingesteckt.

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Und Geld! Zwischen 15.000 und 20.000 Euro kostet es, von Europa mit zwei Helfern (Diggern) anzureisen und das obwohl wir zu dritt im Zimmer schlafen. Und dann noch die Schufterei. Eine Linie in die Utah-Felsen zu schaufeln, kratzen, hämmern – das ist Knochenarbeit. Ich warte und der Wind lässt die Windsäcke stramm stehen. Außer mir wollen nur Semenuk und die zwei Rampage-Rookies Tom Isted und Luke Whitlock einen zweiten Lauf riskieren, vielleicht auch Talus Turk und Adolf Silva. Paul Couderc, Weltklasse-Slopestyler und einer meiner Helfer stehen am ersten Drop und kreuzen die Arme. Keine Chance, zu viel Wind. Die Zeit tickt. Das Acht-Minuten-Zeitfenster schmilzt dahin. Doch irgendwann gibt Paul tatsächlich grünes Licht – und ich rolle los: Go Time! Am kniffligsten ist mein erster Drop. Davor habe ich Bammel; er entscheidet alles.

“Hier muss ich fallen wie ein Stein, sonst verliere ich die Kontrolle bei der folgenden Steilabfahrt”, sagt Thomas Genon über diesen technischen Drop zu Beginn seines Runs.Foto: Paris Gore / Red Bull“Hier muss ich fallen wie ein Stein, sonst verliere ich die Kontrolle bei der folgenden Steilabfahrt”, sagt Thomas Genon über diesen technischen Drop zu Beginn seines Runs.

Der Absprung hängt. Ich muss wie ein Stein in die Landung fallen. Gelingt das nicht und ich bin zu schnell, brause ich ohne Kontrolle durch den Steilhang. An dessen Ende lauert eine Klippe auf mich. Hier will ich im 360er-Drop runter kreiseln. GT Fury: unkaputtbar! Habt ihr gesehen, wie mein Bike im ersten Run über die Klippen gestürzt ist? Es fiel bis ganz nach unten – und blieb heil. Ich musste nur das verbogene Hinterrad austauschen. Es ist ein GT Fury Carbon. Mit dem Rad bestritt ich die Hardline Tasmania, die Hardline Wales und jetzt rollt es mit mir auf den fetten Drop zu – ein Biest, diese Karre! Im ersten Run schlug bei der Landung die Federung durch: klonk! Man konnte es im Livestream hören. So etwas kriege ich natürlich auch mit. Ich kriege alles mit. Meine Sinne schalten auf vollen Empfang. Es gibt nur mich und das Jetzt. Da kullert ein Felsbrocken, dort reißt der Wind den Staub zur Seite – alles brennt sich auf die Netzhaut, das Gehirn registriert jedes Detail.

Der Drop klappt, die Steilabfahrt, der fette 360er-Drop. Statt des Flatspins mache ich jetzt einen Backflip No Foot Can. Alles passiert in Sekunden und dauert doch eine Ewigkeit. Mir gefallen Fahrer, die überraschen, wie Kyle Strait, der ganz einfach einen Tailwhip wagte. So was erwartet man nicht von Kyle. Das will ich auch – und ziehe einen Frontflip über den Step-Up. Es ist Jahre her, dass ich den letzten Frontflip gemacht habe. Der Schwung trägt mich höher raus als ich erwartet hatte. Bumm! Der Aufprall geht durch Mark und Bein, denn es gibt dort keine Landung. Die Dämpfung schluckt nicht alles, es hebelt mich zurück in die Luft. Frontflips sind gnadenlos. Sie lassen dir keine Fehlertoleranz. Einen Backflip dagegen kannst du überdrehen oder unterdrehen, kein Problem! Oft sind Backflips sogar sicherer als ein gerader Sprung. Doch Frontflips? Die sind mörderisch.

Krasser geht nicht: 20 Meter Flugkurve. Tom Van Steenbergen wagt den Frontflip. Der höchste der Welt. “Bei so was kannst du sterben”, sagt Thomas Genon.Foto: Bartek Wolinski / Red BullKrasser geht nicht: 20 Meter Flugkurve. Tom Van Steenbergen wagt den Frontflip. Der höchste der Welt. “Bei so was kannst du sterben”, sagt Thomas Genon.

Das gilt besonders für den unglaublichen Frontflip, den Tom van Steenbergen gewagt hat. Tom landete perfekt und wäre dennoch fast gestürzt. So viel Risiko – das würde ich nie im Leben machen! Die Wahrscheinlichkeit zu crashen war genau so hoch wie den Trick zu landen. Und ein Sturz hätte ihn umbringen können! Mir gelingt es tatsächlich, den zweiten Run ins Ziel zu bringen. Aufatmen, Glück, Erleichterung! Die Jury: ein ewiger Zickzackkurs Ich rolle über die Ziellinie und will mich verdrücken. Ich bin so gut drauf, so happy und stolz, den Run hingelegt zu haben, den ich mir erträumt hatte. Dieses Gefühl will ich mir durch eine schlechte Jury-Bewertung nicht vermiesen lassen. Also lieber mit den Freunden feiern. Aber ich werde zurückgepfiffen und das Ergebnis kommt: Platz fünf (später Platz sechs). Ich bin überrascht, denn die Jury der Rampage ist unberechenbar. In einem Jahr favorisieren die Typen Tricks, im nächsten wollen sie rohe, technisch schwierige Abfahrten sehen.

Du weißt nie, woran du bist – kannst also vorne liegen oder ganz hinten – dein Run scheint keinen Unterschied zu machen. Dieses Jahr saß mit Pierre Edouard Ferry erstmals ein Europäer in der Jury. Ferry liebt raue Big-Mountain-Lines. Ob's was gebracht hat, weiß ich allerdings nicht. Vieles ist Geschmackssache. Mir zum Beispiel gefällt, wie Brendan Fairclough fährt und ich mag seine super kreativen Lines, die mit keiner anderen Abfahrt zu vergleichen sind. Die Rampage ist kein Slopestyle-Event – das ist richtig. Die Rampage ist aber auch keine Hardline – auch das stimmt. Brendog hätte mit seinem Run zweiter werden können oder elfter, ich hätte elfter werden können oder auch zweiter – überrascht hätte das niemanden.

Der Zickzackkurs der Jury nervt, deswegen bin ich dazu übergegangen, meinen bestmöglichen Run zu machen. Und den mache ich für mich – die Punktzahl ist mir da fast schon egal. Und wenn ihr mich nach meinem Favoriten fragt – es war Tyler McCaul. In seinem Run steckte alles, was die Red Bull Rampage in meinen Augen ausmacht: steile, technisch schwierige Passagen, richtig fette Hucks wie der Gewaltsprung über das Canyon-Gap, aber auch Tricks und Speed. Mein Tipp: Schaut ihn unbedingt noch mal an im Replay an!

Die Ergebnisse Männer

1 Brandon Semenuk (CAN) 92.73 Pkt
2 Szymon Godziek (POL) 91.66 Pkt
3 Tyler McCaul (USA) 90.66 Pkt
4 Tom van Steenbergen (CAN) 89.33 Pkt
5 Kurt Sorge (CAN) 87.16 Pkt
6 Thomas Genon (BEL) 85.83 Pkt
7 Carson Storch (USA) 85.00 Pkt
8 Adolf Silva (ESP) 83.50 Pkt
9 Ethan Nell (USA) 82.33 Pkt
10 Kyle Strait (USA) 78.66 Pkt
11 Brendan Fairclough (UK) 76.00 Pkt
12 Reed Boggs (USA) 74.66 Pkt
13 Talus Turk (USA) 72.00 Pkt
14 Luke Whitlock (USA) 70.66 Pkt
15 Tom Isted (UK) 50.53 Pkt
16 Bienvenido Aguado Alba (ESP) DNF
17 Cam Zink (USA) DNF

Das volle Replay der Red Bull Rampage 2024

Starker Auftritt: Rampage der Frauen

Dickes Ding: Chelsea Kimball wagte und meisterte den höchsten Drop des Wettkampfs. Angeblich 10 Meter Höhenunterschied. Wir sagen: krass!
Foto: Christian Pondella / Red Bull

Sieben der besten Freeriderinnen der Welt starteten zum Finale der ersten Red Bull Rampage der Frauen. Tatort: Utah/USA – natürlich! Unweit des Wettkampf-Geländes der Männer, bekamen die Frauen ein Terrain in der roten Felsenwüste, das sie mit ihren dreiköpfigen Bau-Teams fahrbar machen konnten. Nerven unter Hochspannung: bei den Athletinnen, den Zuschauern, den Kommentatoren. Was würde passieren?

Im Finale galten die gleichen Regeln wie grundsätzlich bei der Rampage: geplant sind zwei Läufe (oft findet nur einer statt wegen Wind), der besser Lauf wird gezählt – eine Wettkampf-Jury bewertete die Abfahrten nach folgenden Kategorien:

  1. Linienwahl (Linechoice)
  2. Höhe der Sprünge (Amplitude)
  3. Technische Schwierigkeit der Tricks und Manöver (Technical Difficulty)
  4. Sauberes Fahren & Springen (Execution)
  5. Gesamteindruck (Overall Impression)
Casey Brown schafft die Steilabfahrt mit Bravour. Viele tippten, dass die vermutlich bekannteste Freeriderin der Welt den Wettkampf gewinnen würde.Foto: Robin O'Neill / Red BullCasey Brown schafft die Steilabfahrt mit Bravour. Viele tippten, dass die vermutlich bekannteste Freeriderin der Welt den Wettkampf gewinnen würde.

3 Uhr unserer Zeit: Die Rampage der Frauen geht los!

Um 3 Uhr Nachts am 11. Oktober übertrug Red Bull TV das Finale der Frauen. Live wollte man denken, doch der Wettkampf war aufgezeichnet worden und später quasi live übertragen worden. Acht Fahrerinnen durften laut Organisatoren starten, sieben sind gestartet. Denn die Sieger-Favoritin, die Argentinierin Camila Nogueira, war im Training so hart gestürzt als sie einen großen Drop ihrer Line austesten wollte. Sie brach sich dabei die Nase und zog sich eine Gehirnerschütterung zu.

Robin Goomes unter Druck

Die Neuseeländerin Robin Goomes war also die Erste, die durchs Startgatter rollte. Keine leichte Aufgabe für die junge Frau, denn die ganze Bike-Welt schaute auf sie und war gespannt, ob sich die Frauen im harten, steilen Rampage-Gelände bewähren würden. Die Frauen-Rampage war im Vorfeld des Wettkampfs in der Szene durchaus kontrovers diskutiert worden. Manche unkten: Niemand wolle Frauen sehen, die durchs Gelände zuckeln wie Hobby-Biker und schon gar niemand wolle Frauen von Klippen fallen sehen. Daher: Höchstspannung! Selbst das laute, geschwätzige Kommentatoren-Paar (Ex-Snowboard-Pro Tina Dixon und Freeride-Star Cam McCaul) schien die Luft anzuhalten – wie auch wir – als Robin Goomes ihre Abfahrt begann.

Nerven aus Stahl

Robin Goomes behielt ihre Nerven und zeigte einen beeindruckenden Lauf, der alle Zweifler zum schweigen brachte. Robin machte fette Drops und wirbelte zwei hohe Backflips über Kicker, dass man als Zuschauer nur eins sein konnte: beeindruckt. Robins Lauf sollte dann sogar der am höchsten bewertete des Wettkampfs bleiben. Das raubte der Show aber nicht die Spannung, dafür sorgte vor allem die nachnominierte Chelsea Kimbell aus Arizona. Die drahtige Specialized-Pilotin auf ihrem stylish rosa lackierten Demo war zu allem entschlossen. Dafür hatte sie sich eine besonders grimmige Linie ausgesucht. Leider glitt ihr an einer unspektakulären Stelle das Vorderrad weg. Da das Gelände an der Stelle steil und bröckelig war, rutschte Chelsea einige Meter ab und auch ihr Bike wirbelte führerlos den Hang runter.

Robin Goomes backflipt bei der Red Bull Rampage 2024.Foto: Bartek Wolinski / Red Bull Content PoolRobin Goomes backflipt bei der Red Bull Rampage 2024.

Doch die Amerikanerin barg ihr Bike und kletterte den Hang wieder hoch, um die Abfahrt fortzusetzen. Jetzt kam nämlich ein massiver Drop, den sie perfekt sprang. Dieser Drop – wir schätzen zirka 10 Meter vertikale Höhe – lässt all die Machos unter den Hobbyfreeridern der Welt verstimmen mit ihrer “Das würden wir auch können”-Attitude. Denn: Nein, das würdet ihr nicht können. Die Zeiten sind vorbei. Frauen-Freeriden bewegt sich heute auf einem unglaublichen Niveau. Das haben die Freeride-Frauen bei Events wie der Red Bull Hardline, dem Darkfest in Südafrika mit seinen monströsen Jumps oder bei dem Big-Mountain-Slopestyle Proving Grounds bewiesen. Auch Casey Brown, Vinny Armstrong, Vera Sandler, Vaea Verbeeck und Georgia Astle zeigten souveräne Runs, doch es war Chelsea, die den Spannungsbogen nicht abflachen ließ.

Spannung bis zum Schluss

Mittlerweile, so hieß es, hatte ein starker Wind angefangen zu wehen, ganz typisch für Utah um diese Tageszeit. Der Wind machte die zweiten Läufe zunichte. Nur Chelsea Kimball wollte sich durch ihren Patzer im ersten Lauf das Rampage-Debüt nicht vermasseln lassen und startete daher zum zweiten Run. Ironie des Schicksals: An exakt der gleichen unspektakulären Stelle ihrer Abfahrt, rutschte Chelsea Kimball das Vorderrad erneut weg und ruinierte so ihre Rampage-Performance. Robin Gooms, die vorsichtshalber auch noch einmal zum Startgatter hochgeklettert war, um im Notfall einen zweiten Run zu machen, riss erleichtert die Arme hoch. Denn jetzt stand fest: die erste Siegerin einer Frauen-Rampage lautet: Robin Goomes.

Red Bull Rampage 2024 – Ergebnisse der Frauen

  • Robin Goomes: 85.00.
  • Georgia Astle: 79.66.
  • Casey Brown: 77.33.
  • Vaea Verbeeck: 72.66.
  • Vero Sandler: 71.00.
  • Vinny Armstrong: 64.00.
  • Chelsea Kimball: 62.33.

An dieser Stelle ergänzen wir die Ergebnisse der Männer, wenn die Runs durch sind.

Das Replay im Video

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