Jan Timmermann
· 23.02.2024
In der europäischen Rennszene hat sich der Rookies Cup längst als der wichtigste Anlaufpunkt für ambitionierte Nachwuchs-Downhiller etabliert. Auch der Downhill Cup und der European Downhill Cup stammen aus derselben Feder. Viele der Teilnehmer haben Familie. Sie reisen mit Kind und Kegel zu den Stopps der Rennserien und machen sich zusammen im Bikepark eine gute Zeit. Bis vor wenigen Jahren waren die jüngsten Familienmitglieder an solchen Wochenenden vor allem Zuschauer. Inzwischen gibt es mit dem VPace Kids Cup aber eine eigene Downhill-Rennserie für Kinder zwischen fünf und zehn Jahren. Die Nachfrage ist riesig und spätestens im Gespräch mit den teilnehmenden Familien wird klar: Der VPace Kidscup ist gekommen, um zu bleiben. Wir zeigen, wie so ein Rennwochenende für Kinder abläuft und tauchen tief in die Faszination Kinder-Downhill ein.
Der Kids Cup versteht sich als Vorstufe zum Rookies Cup und ist bei radsportbegeisterten Familien schwer gefragt. Wenn die Anmeldung acht Wochen vor dem Rennen öffnet, müssen sie schnell sein, um einen der maximal 120 Startplätze zu ergattern. Bei der Serie aus fünf Events sollen Kinder ab fünf Jahren den gesamten Ablauf eines Race-Wochenendes kennen lernen. Zur Routine eines angehenden Downhillers gehört nach der Einschreibung und der Abholung der Startnummer auch das Ablaufen der Strecke. Diese umfasst auf rund 400 Metern kindgerechte Hindernisse, wie Gras-Kurven, Anlieger, Wellen, Steinfelder und kleine Sprünge. Zusammen mit Bike-Stars, wie Jasper Jauch oder Markus Klausmann, machen die Nachwuchs-Racer beim Trackwalk die besten Linien und Schlüsselstellen aus.
Wie bei den Großen, gibt es auch beim Kids Cup vor der Action ein Briefing fürs Fahrerfeld. Parallelen, wie diese sollen den Kindern bei späteren Rennen in höheren Altersklassen im Umgang mit Nervosität helfen. Nachwuchs-Expertin Sabine Oswald von MTB-Agency stimmt sie bei der Fahrerbesprechung auf die Rennläufe ein. Da diese immer im Rahmen eines größeren Festivals stattfinden, wird sie dabei regelmäßig von Bike-Promis, wie etwa Gabriel Wibmer, unterstützt. Solche Synergien mit den großen Serien machen das Kids-Cup-Format in Europa einzigartig und so stehen schon mal Kindernamen aus neun verschiedenen Nationen auf der Starterliste. Inzwischen hat sich um den Kids Cup ein Familien-Netzwerk gebildet, das stetig weiter wächst. Die große Eltern-Community ist sehr engagiert. Viele holen sich spontan eine Warnweste ab und geben an den herausfordernden Stellen der Strecke Hilfestellung.
Das, was den Kindern am meisten Spaß macht, ist natürlich das Fahren. Gemeinsam mit ihren Freunden haben sie während der Trainingszeit die Gelegenheit sich den Kurs einzuprägen. Inzwischen arbeiten Familien mit Race-Ambitionen auch daheim gezielt am Speed ihrer Schützlinge. In den Übungsläufen des Kids Cups erhalten sie die Chance das Gelernte auf die Rennstrecke zu übertragen.
Anders als bei den Rennen für ältere Downhiller, startet beim Kids Cup jedes Kind in zwei Läufen. Nur der bessere zählt. So wird sichergestellt, dass der Leistungsdruck nicht zu hoch wird. Was der Nachwuchs teilweise schon zwischen dem Tape zeigt, ist beeindruckend und macht den Kids Cup zum Zuschauermagnet. Jedes Jahr steigt das fahrerische Niveau. Hier wird deutlich, wie stark sich die Bike-Sozialisation der Familien auf ihre jüngsten Mitglieder auswirkt. Viele Kinder sind es inzwischen gewohnt durch Anliegerkurven zu sausen und im Wurzelfeld den Lenker festzuhalten. Und wenn die Kleinen doch ein Problem haben über ein Hindernis zu kommen, stehen Helfer bereit, um sie zu sichern und den nötigen Schub zu geben.
Beim Kidscup wird ausnahmslos jedes Kind geehrt. Alle sind vor vielen gespannten Augen mit ihrem Bike eine Downhill-Strecke runtergefahren. Es zählt der olympische Gedanke: Die Teilnahme alleine ist eine große Leistung. Deshalb erhalten auch jedes Kind eine Medaille. Die drei schnellsten jeder Wertungsklasse dürfen sich aber über eine ganz besondere freuen. Auf der großen Bühne schlägt dann die Stunde der schnellen Kids. Dieser Moment ist so emotional, dass sich einige zu spontanen Reden an ihre Freunde hinreißen lassen. So oder so sind die Familien nach dem Rennen mit zahlreichen Erlebnissen aufgeladen und im Fahrerlager gibt es viel zu erzählen. Mit der Siegerehrung ist das Kids-Cup-Wochenende für sie noch nicht vorbei. Viele nutzen die Gelegenheit noch für eine gemeinsame Bike-Runde. Ganz bewusst wählen die Ausrichter für die Stopps der Serie deshalb besonders schöne Locations aus.
Um zu verstehen, was den VPace Kids Cup so besonders macht, haben wir mit regelmäßig teilnehmenden Kids und ihren Eltern gesprochen. Dabei durften wir Familien kennenlernen, welche ihre Mountainbike-Leidenschaft in vollen Zügen ausleben. Ihre Begeisterung ist ansteckend!
Als Paula mit Papa durch den Wald im nordhessischen Immenhausen fuhr, empfahl ihnen ein anderer Vater das Jedermannrennen im Nachbarort. Paula kam auf den Geschmack und die Bike-Leidenschaft der Familie nahm Fahrt auf. Natürlich hat Paula längst auch ihre zwei jüngeren Schwestern und einige Freundinnen angefixt. Seit 2019 hat die Neunjährige kein Rennen des Kids Cup ausgelassen. Im Sommer ist der Campingbus der Familie ihr Lebensmittelpunkt und sie touren von Bikepark zu Bikepark quer durch Europa.
Zwar trainiert Paula nicht nach einem festen Plan, arbeitet aber regelmäßig an ihrer Fahrtechnik - zum Beispiel, wenn die Familie in Finale Ligure campiert. Im Winter strampelt sie auch gerne auf der Rolle durch virtuelle Zwift-Welten. Das alles zahlt sich aus und Paula fährt beim Kidscup regelmäßig ganz nach vorne. Das sind für sie die schönsten Momente: gemeinsam mit ihren Freundinnen auf dem Treppchen. Am Lagerfeuer im Fahrerlager sind auch zwischen den Eltern nachhaltige Freundschaften entstanden. Rund um den Kidscup ist zwischen Sommerrodelbahn, Badesee und Trampolinpark immer für alle etwas geboten.
Die Klassenkameraden von Toni und Titus vermuten, dass die Zwei die besten Mountainbiker der Schule sind. Damit sollten sie Recht haben, schließlich kann die Brüder fast keine Abfahrt schocken. Wenn ihre Mama lieber absteigt und schiebt, brettern sie einfach durch Wurzelfelder und fliegen über Sprünge. Bei der Trail-Ausfahrt mit den Freunden hängen sich die beiden am liebsten ans Hinterrad der Zehn und Zwölfjährigen. Im lokalen Verein trainieren sie spielerisch an ihrer Fahrtechnik und Kraft.
Durch ihren Wohnort in Brilon hatte es die Familie nie weit zu den beiden Stopps des Kids Cups im Sauerland. Obwohl sie seit 2021 an jedem Rennen der Serie teilgenommen haben, müssen die Eltern ihren Urlaub so nicht unbedingt am Rennkalender ausrichten, sondern verbringen diesen regelmäßig in verschiedenen Bikeparks. Beim Kids Cup übernachteten die Wiemeyers anfangs im Zelt. Inzwischen haben sie mit einem Sportcaravan aufgerüstet. An einem Rennwochenende nehmen sie auch gerne andere Familien-Angebote, wie Fahrtechnik-Trainings wahr. Während die Eltern abends mit den anderen Familien grillen, fetzen Toni und Titus bis zur Schlafenszeit mit ihren Freunden auf dem Bike umher.
Downhill-Rennen für Kinder, welche teilweise noch im Kindergartenalter sind, können keine Eins-Zu-Eins-Kopie der Wettbewerbe für Erwachsene sein. Die Bedürfnisse des immer professionelleren Nachwuchses zu beachten und trotzdem ein kindgerechtes Familien-Event auf die Beine zu stellen, bringt für die Verantwortlichen einige Herausforderungen mit sich. Wir haben André Baumbach vom Kids Cup Ausrichter Racement drei brennende Fragen gestellt.
BIKE: Wie entstand die Idee zu einer Rennserie für so junge Kinder?
ANDRÉ BAUMBACH: Viele Teilnehmer unserer anderen Rennserien fahren als komplette Familie zu den Events. Ihr Wunsch war es, dass auch die Jüngsten nicht nur zuschauen müssen. Außerdem werden die Kids immer besser. Als Rennanbieter sehen wir uns in der Verantwortung den Nachwuchs zu fördern. Die Nachfrage war von Anfang an riesig.
Wie schafft ihr es, dass die Rennen trotz Wettkampf-Charakter kindgerecht bleiben?
Man muss ganz klar sagen: Es ist ein Wettbewerb und wir fahren richtig Downhill. Wir machen nichts mutwillig schwerer aber es zeichnet sich ab, dass die Anforderungen immer größer werden. Trotzdem wollen wir, dass alle Spaß haben. Das ist ein ganz schöner Spagat, der uns aber auch gelingt. Eine wichtige Rolle spielt da die Crew vor Ort. Trotz vieler Forderungen haben wir uns bislang auch gegen eine kompetitive Gesamtwertung entschieden. Wir analysieren die Nachfrage jedes Jahr sehr genau.
Werden die Kids alle mal Top-Rennfahrer?
Das ist schon abzusehen. Allerdings wird im Leben der Kinder vom Umzug bis zum Moped-Führerschein noch viel passieren. Eltern und Kinder brauchen da einen langen Atem. Den Rookies Cup gibt es seit 15 Jahren und erst jetzt sehen wir mit Vali Höll oder Jackson Goldstone die Früchte im internationalen Rennsport. An Nachwuchsarbeit hat es im Downhill lange gekrankt und noch immer gehen viele große Talente verloren.
Als studierter Sozialpädagoge und Erziehungswissenschaftler sehe ich mich mit wohlbekannten Diskrepanzen konfrontiert. Während Rennveranstalter versuchen Bike-Angebote möglichst kindgerecht und niederschwellig zu halten, wünschen sich die Eltern immer mehr Förderung ihrer leistungsstarken Sprösslinge. Und das mit gutem Grund. Wir müssen verstehen: Die Lebenswelt der meisten Kids aus leidenschaftlichen Bike-Familien ist nicht mehr dieselbe, wie noch eine Generation zuvor. Park-Abfahrten und Hightech-Material sind für viele längst Normalität. Wer die neusten Kinder-Bikes und -Events sieht, wird verstehen, warum so viele Mütter und Väter in den Bann dieser bunten Welt gezogen werden. Immer mehr Eltern investieren viele Ressourcen, um ihren Kindern die Entwicklung einer nachhaltigen Leidenschaft zu ermöglichen. Dem Bike-Nachwuchs steht eine blühende Zukunft bevor und - das kann auch ein Sozialpädagoge nur gut finden. - Jan Timmermann, BIKE-Redakteur
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